Ich grüße Sie ganz herzlich aus der Dormitio-Abtei, diesmal aus unserer Krypta, und zwar vom Pfingstaltar. Der Pfingstort selbst ist einige Meter entfernt von uns, es ist der letzte Abendmahlssaal. Der darf aber nur ganz selten für Gebete genutzt werden. Einmal haben wir als Benediktiner das große Privileg, zusammen mit unserem theologischen Studienjahr diesen Raum als Gebetsort nutzen zu dürfen, nämlich in der Gebetswoche für die Einheit der Christen.
Die ist hier in Jerusalem ganz besonders. Es ist nämlich eine Untertreibung, es ist nicht nur eine Gebetswoche, sondern es sind ganze neun Tage, wo wir jeden Abend als Christen Jerusalems uns an ganz verschiedenen Orten versammeln. Es beginnt immer am Samstag nach dem 19. Januar, das ist das armenische Weihnachtsfest hier in Jerusalem, und geht dann bis zum Sonntag der darauffolgenden Woche, dieses Jahr bis in den Februar hinein. Der 2. Februar ist der letzte Tag unseres ökumenischen Gebetes.
Es ist ganz berührend, weil wir einmal bei den Äthiopiern, bei den Syrern, bei den Lateinern, bei den Lutheranern, bei den Anglikanern, bei den Griechisch-Orthodoxen sind und einmal dürfen wir auch als Benediktinermönche mit unseren Studierenden dieses Gebet im Abendmahlssaal leiten. Es ist sehr, sehr berührend.
Es ist aber auch, wenn wir ehrlich sind, immer wieder dasselbe: Na gut, wir machen das jetzt seit Jahren. Man weiß immer schon, zu wem man geht. Man grüßt sich, man freut sich, dass man sich sieht. Das ist immer eine sehr schöne Gebetsatmosphäre. Aber wir sind eben auch politisch gerade in einer Situation eingebettet, wo wir Waffenstillstand haben, was gut ist, aber eben kein Frieden.
Meine Frage ist immer, wenn wir über die Ökumene reden: Haben wir auch so eine Art ökumenischen Waffenstillstand? Wir verteufeln uns nicht, wir hassen uns nicht. Wir versuchen, höflich miteinander umzugehen. Aber wo ist diese Sehnsucht nach wirklicher Einheit, nach echter Versöhnung, danach, echt Schritte hin auf eine neue ökumenische Zukunft zu gehen? Stichwort gemeinsames Osterdatum.
Deswegen frage ich Sie auch mal in Ihrem privaten Leben: Wo leben Sie eher in Waffenstillständen mit Ihren Mitmenschen? Und wo wäre vielleicht auch die Zeit, jetzt mal einen neuen Schritt zur Versöhnung und Frieden zu gehen?
Hier vom Pfingstaltar der Dormitio-Abtei in Jerusalem grüße ich Sie ganz herzlich.
Ihr Abt Nikodemus.