Juden feiern Lichterfest Chanukka

"Freut Euch mit uns"

Chanukka - ein hoffnungsvolles Lichterfest. Es steht auch dafür, sich nicht in einer zunehmend antisemitischen Umgebung unterkriegen zu lassen. Für Christen hat Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, eine Botschaft.

Traditionelles jüdisches Chanukka-Fest / © Peter Steffen (dpa)
Traditionelles jüdisches Chanukka-Fest / © Peter Steffen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Helfen Sie uns noch mal mit dem Hintergrund des Chanukka-Festes…

Abraham Lehrer (Vizepräsident des Zentralrats der Juden): Im Jahre 164 vor der Zeitrechnung haben die Seleukiden, wir würden sagen die Griechen, den Tempelbezirk wieder freigegeben und es wurde die Wiedereinführung begangen.

Als die Juden auf den Tempelbezirk kamen, stellten sie fest, dass sie nur noch ein versiegeltes Öl-Krüglein gefunden haben, das normalerweise für einen Tag im Tempeldienst gereicht hätte. Und, oh Wunder, hat dieses Krügel sieben Tage zusätzlich gehalten, nämlich so lange, wie es gedauert hat, neues Öl nach den Vorschriften herzustellen. Und zur Erinnerung an dieses Wunder wird jeden Tag eine Kerze mehr angezündet. Das heißt also am ersten Tag eine, am letzten Tag acht Kerzen, um an dieses schöne Wunder zu erinnern.

DOMRADIO.DE: Wie laufen diese Feierlichkeiten zum achttägigen Lichterfest denn normalerweise ab, wenn wir kein Corona hätten?

Lehrer: Dann wäre der Kreis innerhalb der Familie mit Sicherheit viel größer, als wir uns das heute erlauben können. Es ist für uns traurig, dass natürlich nicht die ganzen Familienmitglieder aus Nah und Fern anreisen können, um gemeinschaftlich diese Kerzen zu zünden und Chanukka zu feiern. Aber es ist halt so. Wir werden alle zum Opfern aufgerufen und müssen uns dementsprechend verhalten.

DOMRADIO.DE: Das heißt, man bleibt klein in der Familie zusammen, heute und in den nächsten Tagen?

Lehrer: Ganz genau. Also wenn ich von mir persönlich berichten darf, ich werde mit meiner Frau und mit meiner Tochter und ihren Kindern gemeinschaftlich die Kerzen zünden. Der Rest der Familie, der Sohn mit Familie, wird leider nicht dazukommen.

DOMRADIO.DE: Einer der größten Chanukka Leuchter Europas wird auch in diesem Jahr vor dem Brandenburger Tor in Berlin stehen, zehn Meter hoch und wird am Donnerstag-Abend um 18 Uhr entzündet, mit Polit-Prominenz am Ort. Was ist geplant?

Lehrer: Es ist geplant, dass in Anwesenheit von Vertretern der Bundespolitik wie jedes Jahr ein Zeichen von Berlin ausgehen soll, dass Chanukka Licht in alle Welt bringt. Wir haben dort ein Zeichen, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland existiert, dass sie nach wie vor vorhanden ist und sich von dem Antisemitismus, mit dem wir zu kämpfen haben, nicht unterkriegen lässt.

DOMRADIO.DE: Leider ist ja Antisemitismus immer wieder ein Thema bei uns in Europa. Der Anschlag auf eine Synagoge in Halle 2019 ist nur ein Beispiel. Wie wichtig ist es, Chanukka auch in diesem Corona-Jahr trotzdem zu begehen?

Lehrer: Es ist wichtig aus zwei Gründen. Man muss der Gesellschaft zeigen, dass jüdische Menschen einen Anteil haben an dieser Gesellschaft.

Und Chanukka mit dem Kerzenfest ist, glaube ich, etwas Wunderschönes, was die Menschen auffordert: Kommt, freut euch mit uns, feiert mit uns und seid auch Teil der jüdischen Gemeinschaft in diesen Tagen! 

Das zweite ist, dass wir natürlich auch gegen den Antisemitismus, der unser Land immer weiter umfasst, ein Zeichen setzen und sagen: Guckt, die jüdische Gemeinschaft lässt sich nicht unterkriegen, wir verstecken uns nicht. Wir sind Teil in dieser Gesellschaft und wir wollen und werden hier bleiben.

DOMRADIO.DE: Was können wir gerade jetzt aus der Botschaft, die Dunkelheit mit dem Licht zu vertreiben, für uns erfahren und vielleicht dann auch mitnehmen?

Lehrer: Was jeder davon mitnimmt, das muss er für sich entscheiden. Aber ich glaube, wir haben darüber die Chance zu erkennen, dass die Religion einen Teil, einen festen Platz in unserer Gesellschaft einnehmen kann und es mit dem Glauben an Gott möglich sein kann, die Probleme, die die Welt für uns zur Zeit bereithält, gut und ordentlich bewältigen können.

Das Interview führte Carsten Döpp.

 

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Julia Steinbrecht (KNA)
Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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