Hunderte Holocaust-Überlebende feiern gemeinsam Chanukka

"Wir sind da und bleiben da"

An Chanukka feiern hunderte Holocaust-Überlebende aus Berlin und Umgebung gemeinsam das jüdische Lichterfest. Die "International Holocaust Survivors Night" will ein Zeichen setzen: Wir haben überlebt.

Autor/in:
Nina Schmedding
Chanukka-Leuchter in Berlin (dpa)
Chanukka-Leuchter in Berlin / ( dpa )

Dicht gedrängt sitzen die Frauen und Männer im Festsaal der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in Charlottenburg. Sie begrüßen sich, unterhalten sich miteinander. Es riecht nach Hühnchen und Reis, auf den Tischen stehen Kraut- und Kartoffelsalat, daneben liegen Mandarinen und Pflaumen. Rund 300 Schoah-Überlebende aus Berlin und Umgebung haben sich hier am Dienstagnachmittag versammelt, um die "International Holocaust Survivors Night" zu begehen. Sie findet in diesem Jahr zum zweiten Mal nach 2017 statt.

Die meisten Anwesenden sind Emigranten aus den 1990ern

Außer Berlin kommen in drei anderen Metropolen - Jerusalem, Moskau und New York - Schoah-Überlebende zusammen und entzünden gemeinsam die Chanukka-Kerzen. Rund 400.000 Holocaust-Überlebende gibt es den Angaben zufolge noch weltweit. Mit der Veranstaltung will die jüdische Dachorganisation Jewish Claims Conference, die materielle Ansprüche von Nazi-Opfern gegenüber Deutschland vertritt, zeigen, dass es an vielen Orten Holocaust-Überlebende gibt, die als Zeitzeugen Erinnerungsarbeit leisten.

Russisch ist die Sprache, die man an diesem Nachmittag vor allem hört. Die meisten Anwesenden sind jüdische Emigranten, die in den 1990er Jahren nach Deutschland gekommen sind. Manche hören still zu, wenn die eingeladenen Redner an den Holocaust erinnern. Andere unterhalten sich währenddessen lebhaft, essen, applaudieren aber zustimmend, wenn etwa zum Kampf gegen Antisemitismus aufgerufen wird.

Es soll ein fröhliches Fest sein - und zugleich ein Zeichen des "Sieges über das menschenverachtende Nazi-Regime", so die Veranstalter. "Wir sind da, und wir bleiben da", sagt etwa die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die an diesem Nachmittag zu Gast ist. Sie hat als Kind den Holocaust im Versteck auf einem Bauernhof überlebt und hätte dort "so gern" Kerzen zu Chanukka angezündet, wie sie erzählt. Getröstet habe sie der Christbaum: In dessen Lichtern "erkannte ich immer die Kerzen des Chanukka-Leuchters", sagt Knobloch.

Kerzen am Leuchter für die Überlebenden

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland entzündet an diesem Nachmittag drei Kerzen am Leuchter gemeinsam mit weiteren Überlebenden. Assia Gorban, eine Frau mit kurzen weißen Haaren und wachen grünen Augen, ist eine davon. Die 85-Jährige floh als Neunjährige mit ihrer Mutter aus dem Konzentrationslager Petschora. Danach lebte sie in der Illegalität, bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1944. Im Jahr 1992 wanderte sie nach Deutschland aus und siedelte sich in Berlin an.

Jedes Jahr zu Chanukka freue sie sich besonders, "dass das Licht von damals so viele Jahre bis jetzt überlebt hat - und mit ihm das jüdische Volk", erzählt Gorban.

Sie engagiert sich in Berlin für den Verein "Phönix aus der Asche", der Veranstaltungen für Verfolgte organisiert. "Wie ein Phönix aus der Asche fühle ich mich auch", so Gorban. "Das hätte ich vor ein paar Jahren nie für möglich gehalten. Ich habe gute deutsche Freunde, und mein Leben macht mir Spaß. Nur leider werden wir Überlebenden immer weniger. Und nach uns kommt keiner mehr, der den Krieg miterlebt hat."

Jeder dritte Europäer weiß nichts über den Holocaust

Der Repräsentant der Jewish Claims Conference in Deutschland, Rüdiger Mahlo, betont: "Jeder dritte Europäer weiß wenig bis gar nichts über den Holocaust, jeder 20. hat noch nie etwas darüber gehört." Gerade angesichts dessen müsse die Erinnerung wachgehalten werden. "Damit tragen wir dazu bei, dass auch zukünftige Gesellschaften tolerant bleiben."

Die Schoah-Überlebenden freuen sich besonders an diesem Abend in Berlin ihres Lebens, das viele von ihnen vor über 70 Jahren schon aufgegeben hatten. Nach dem Entzünden der Kerzen wird die Band laut, spielt Chanukka-Lieder, die alten Menschen singen mit und wünschen sich: "Chanukka sameach! - Ein frohes Chanukka-Fest!"

 

Quelle:
KNA