Frauen auf den Cookinseln schreiben Liturgie zum Weltgebetstag

"Religion spielt eine große Rolle im Alltag"

Am Weltgebetstag beten Frauen unterschiedlichster Konfessionen aus 120 Ländern eine gemeinsame Liturgie, die dieses Jahr die Frauen der Cookinseln geschrieben haben. Die Religionswissenschaftlerin Katja Dorothea Buck hat sie besucht.

Autor/in:
Heike Sicconi
Frauen auf den Cookinseln / © ChameleonsEye (shutterstock)
Frauen auf den Cookinseln / © ChameleonsEye ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie leben die Frauen auf den Cookinseln? 

Katja Dorothea Buck (z.v.l.) mit Frauen auf den Cookinseln (privat)
Katja Dorothea Buck (z.v.l.) mit Frauen auf den Cookinseln / ( privat )

Katja Dorothea Buck (Religionswissenschaftlerin und Politologin): Das kommt darauf an, auf welcher Insel Sie sich befinden. Auf der Hauptinsel Rarotonga, wo es Tourismus gibt, leben die Menschen einen westlichen Lebensstil. Auf den ganz kleinen Inseln, in den kleinen Gemeinschaften, findet man eher die indigene Lebensweise. Aber die Frauen, die auch die Liturgie geschrieben haben, pflegen durchaus einen westlichen Lebensstil.

Katja Dorothea Buck

"Man ist stolz darauf, Christ zu sein. Das heißt nicht, dass die Maori-Tradition keine Rolle spielen würde."

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt dort die Religion?

Buck: Eine sehr große Rolle. Die Cookinseln definieren sich selbst als eine christliche Nation und fast 100 Prozent der Menschen, die dort leben, sind Christen. Die Mission im 19. Jahrhundert war sehr erfolgreich. Sie sind auch nicht nur auf dem Papier christlich, sondern Religion spielt eine ganz große Rolle im Alltag. 

Der christliche Glaube prägt den Alltag. Man sieht das an verschiedenen Reminiszenzen an den christlichen Glauben. Es gibt Plakate, auf denen Bibelverse stehen und keine Parlamentssitzung, kein Fußballspiel, kein Elternabend würde ohne ein Gebet beginnen. Man ist stolz darauf, Christ zu sein. Das heißt nicht, dass die Maori-Tradition keine Rolle spielen würde, sie ist genauso stark. Aber das ist kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch. 

Katja Dorothea Buck

"Ich hatte den Eindruck, das Thema Klimawandel ist unter den Menschen auf den Cookinseln schon wesentlich länger präsent, weil sie die Auswirkungen sehr viel stärker in ihrem Alltag erleben."

DOMRADIO.DE: Die Cookinseln sind das, was man unter einem Urlaubsparadies versteht: Lagunen mit türkisfarbenen Wasser, unberührte weiße Sandstrände, Palmen. Allerdings ist diese Südseeidylle im wahrsten Sinne des Wortes vom Untergang bedroht, denn der Klimawandel lässt sie so langsam im Ozean versinken. Wie beeinflusst das jetzt schon den Alltag der Menschen dort? 

Rarotonga, Cookinseln / © Svetype26 (shutterstock)

Buck: Die Cookinseln sind ein echtes Südseeparadies. Man findet dort alles, was wir uns auch unter einem Paradies vorstellen. Vom Klimawandel und Untergang bedroht sind nur die Korallenatolle, die sehr niedrig sind. Aber es gibt auch andere Inseln, die vulkanisch und bis zu 500, 600 Meter hoch sind. Sie werden nicht direkt vom Untergang bedroht, aber spüren den Klimawandel durch den Rückgang der Fischbestände, Küstenerosionen, das Absterben der Korallen und damit auch der Riffe, die dann als natürlicher Wellenbrecher wegfallen. Das merken sie sehr stark. 

Und dann führen die veränderten Regenmuster dazu, dass es in der Regenzeit insgesamt weniger Regen gibt, der dann aber in extremen Regenfällen vom Himmel kommt. Schließlich gibt es noch die Zyklone, die immer stärker werden. Damit müssen die Cookinseln einfach umgehen. 

Ich hatte den Eindruck, das Thema Klimawandel ist unter den Menschen auf den Cookinseln schon wesentlich länger präsent, weil sie die Auswirkungen sehr viel stärker in ihrem Alltag erleben. In ihrem Leben sind sie schon sehr viel weiter, was die Aufmerksamkeit und Sensibilität für Veränderungen durch den Klimawandel betrifft. 

Katja Dorothea Buck

"Angesichts des Ausmaßes, das häusliche Gewalt oder Gewalt gegenüber Frauen in unserer Gesellschaft annimmt, ist das Thema vollkommen unterrepräsentiert."

DOMRADIO.DE: In diesem Jahr haben die Frauen der Cookinseln die Liturgie entwickelt, die am Weltgebetstag der Frauen rund um die Welt geht. Es geht bei dem Weltgebetstag um "informiert beten und betend handeln". Die Frauen wollen nicht nur Gottesdienste feiern, sondern sich einmischen. Was heißt denn "sich einmischen" konkret auf den Cookinseln?

Buck: Wenn Frauen sich einmischen wollen, dann können sie das auch. Ich war erstaunt, wie selbstbewusst - man kann durchaus auch emanzipiert sagen - die Frauen einem entgegentreten. Sie können in der Wirtschaft jeden Posten bekommen, sie können in der Politik etwas werden. 

In der Kirche können sie noch nichts werden, mit der Frauenordination ist man dort noch nicht so weit. Aber sie können es auch in den traditionellen Strukturen bis ganz an die Spitze schaffen. Sie können Häuptling oder Stammesoberhaupt werden, wenn sie von ihrem Stamm gewählt werden. Offensichtliche gläserne Decken, wie wir sie vielleicht vermuten würden, gibt es so nicht. Die Frauen treten sehr selbstbewusst auf und gelten als Frauen, die für sich selber sprechen können. 

Das Interessante ist, dass es eben doch versteckte patriarchale Strukturen gibt. Das ganz große Thema auf den Cookinseln ist häusliche Gewalt. Das scheint jetzt ein Widerspruch zu sein, weil sie auf der einen Seite selbstbewusste Frauen sind und auf der anderen Seite häusliche Gewalt ein großes Thema ist. Aber das Problem an der Geschichte ist, dass über häusliche Gewalt nicht gesprochen wird. Das ist das Tabuthema schlechthin in der Gesellschaft der Cookinseln. Und ich sage es ganz ehrlich: Mich hat es ein bisschen an Deutschland erinnert, denn wir reden auch nicht darüber. 

Angesichts des Ausmaßes, die häusliche Gewalt oder Gewalt gegenüber Frauen in unserer Gesellschaft annimmt, ist das Thema in der Gesellschaft, im gesellschaftlichen Diskurs, in der Politik vollkommen unterrepräsentiert. Ich würde fast sagen, da ähneln sich die beiden Länder. Besser gesagt ist das eigentlich ein universelles Thema - man findet es in allen Ländern. 

Katja Dorothea Buck

"Am Ende sagte eine von ihnen, dass es gut ist, dass ich darauf hinweise - denn genau dafür braucht es den Weltgebetstag."

DOMRADIO.DE: Spiegeln sich diese Alltagsprobleme denn in der Liturgie für den Weltgebetstag wieder? 

Buck: Sie spiegeln sich zum Teil wieder. Sie sind vielleicht nicht so offensichtlich. Es ist ganz klar, wenn häusliche Gewalt das große Thema ist, über das geschwiegen wird, können wir nicht erwarten, dass innerhalb der Liturgie, die dann nach außen in die ganze Welt getragen wird, der Fokus besonders darauf gesetzt wird. Alle haben mir erst einmal gesagt, dass es kein Thema ist und es hat lange gedauert, bis ich Frauen gefunden habe, die mir das Gegenteil eingestanden haben. 

Wir können nicht davon ausgehen, wenn innerhalb der Gesellschaft so ein großes Schweigen und auch eine große Scham dazu besteht, dass es in der Liturgie dann groß aufgegriffen wird. Die Frauen, die die Liturgie geschrieben haben und mit denen ich ständig in Kontakt war, haben dann gemerkt, dass ich an diesem Thema dran bin. Am Ende sagte eine von ihnen, dass es gut ist, dass ich darauf hinweise, denn genau dafür braucht es den Weltgebetstag. 

Das Interview führte Heike Sicconi. 

Weltgebetstag der Frauen

In mehr als 120 Ländern organisieren und gestalten Frauen jedes Jahr den Weltgebetstag am ersten Freitag im März. Die vor fast 140 Jahren in den USA entstandene Glaubensinitiative gilt heute als größte Basisbewegung von Christinnen. Jedes Jahr wird die Lebenssituation von Frauen eines bestimmten Landes oder einer Region ins Zentrum gestellt: 2023 war das Thema Taiwan, 2024 Palästina. Der Weltgebetstag 2025 wird von Christinnen von den Cookinseln im Südpazifik gestaltet. Sein deutschsprachiger Titel lautet: "wunderbar geschaffen!"

Frau im Gebet in Gedenken an die Opfer der Attentate in Sri Lanka / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
Frau im Gebet in Gedenken an die Opfer der Attentate in Sri Lanka / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )
Quelle:
DR

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