Französischer Flüchtlingshelfer Herrou verurteilt

"Robin Hood" des Roya-Tals?

Das Strafgericht in Nizza hat den Landwirt Cedric Herrou für schuldig befunden, weil er Flüchtlingen im Roya-Tal über die italienisch-französische Grenze half. Doch seine Überzeugung ändert das nicht.

Autor/in:
Franziska Broich
Cedric Herrou / © Claude Paris (dpa)
Cedric Herrou / © Claude Paris ( dpa )

Für die einen ist der Franzose in Wollpullover, mit Hornbrille, Bart und Baskenmütze ein Militanter, für die anderen ein Held: Cedric Herrou. Der 37-jährige Olivenbauer aus dem Gebirgstal der Roya setzt sich für Flüchtlinge an der südfranzösischen Grenze ein - besonders für Minderjährige und Frauen. Am Freitag hat ein Gericht in Nizza den umstrittenen Philanthropen zu einer Geldstrafe verurteilt - zunächst zur Bewährung.

Flüchtlinge in Wohnwagen

Auf seinem Hof, den man über einen steinigen Serpentinenweg erreicht, wohnen Flüchtlinge in Wohnwagen und Zelten. Mittags kommen Freiwillige aus dem Dorf, die beim Kochen helfen. Dazwischen gackern die Hühner von Herrou.

Aufgewachsen ist der Franzose in einem Arbeiterviertel nördlich von Nizza. Zur Schule ging er mit Kindern aller Hautfarben. Zuhause lernte er, sein Spielzeug mit anderen Kindern zu teilen. Seine Eltern nahmen Kinder, deren Eltern sich nicht um sie sorgten, auf. Sein Vater arbeitete als Friseur.

Seine Mutter, Jackie Herrou, beschreibt ihren Sohn als hartnäckigen Einzelkämpfer, der wenig beeinflussbar sei. Ihre Großmutter kam 1918 durch das Tal der Roya nach Frankreich. Sie war Deutsche.

Nach Abschluss der Schule fuhr Herrou mit dem Motorrad in den Senegal. Nach ein paar Monaten kehrte er zurück. Doch für ihn war es schwierig, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Nachdem er sechs Monate im Auto geschlafen hatte, kaufte er den Hof im Roya-Tal.

Damals eine zerfallene Ruine, sagt seine Mutter. Herrou erfüllt sich einen Kindheitstraum. Er wohnt in dem Steinhaus mit selbstgebauten Möbeln, versorgt die Hühner und produziert Olivenöl und Honig.

Am Freitag wurde er von den Richtern in Nizza wegen "Beihilfe zum illegalen Aufenthalt von Ausländern in Frankreich" schuldig gesprochen. Sie verurteilten ihn zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro auf Bewährung. In diesem Fall muss der Angeklagte die Summe nur zahlen, wenn er wieder gegen das Gesetz verstößt.

Humanität in den Mittelpunkt stellen

Im August war er kontrolliert worden, als er in seinem Transporter mehrere Eritreer mit über die italienisch-französische Grenze nahm. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Monate Bewährungsstrafe gefordert. Aus Sicht Herrous versagt der Staat. "Deshalb müssen wir Bürger für diese Menschen sorgen." Die "Humanität" müsse wieder im Zentrum der Politik stehen, so der Landwirt mit Blick auf die Wahlen des französischen Staatspräsidenten im Frühjahr.

Aufhören ist keine Option für Herrou. Nach der Gerichtsverhandlung am Freitag kündigte er an, seine Arbeit fortzusetzen. Weder die Drohungen eines Präfekten, noch die Beleidigungen von Politikern könnten ihn zum Aufhören bewegen.

Herrou sieht sich als Verfechter der französischen Werte - nicht als Gesetzesbrecher. Unterstützung hat er im ganzen Land. Von Mittwoch bis Freitag organisierten Aktivisten Demonstrationen gegen das "Delikt der Solidarität" in Lille, Paris und Nizza. Herrou genießt es sichtlich, wenn ihn vor dem Gericht Menschen mit Plakaten feiern. Mittlerweile ist er international bekannt.

Kritik am Vorgehen

Der Präsident des Parlaments der Region Alpes-Maritimes und Abgeordnete der Nationalversammlung, Eric Ciotti, kritisiert Herrou. Derzeit würden strenge Kontrollen an der Grenze gebraucht. "Herrous ideologischen und geplanten Aktionen sind ein großes Risiko", so der Politiker. Er wirft ihm Provokation vor. Herrou habe ein organisiertes System wider das Gesetz aufgebaut. Ähnlich argumentierten die Richter. Herrou habe die Grenzen der spontanen Humanität überschritten. Immer wieder seien bei Kontrollen Flüchtlinge in seinem Auto gewesen. Doch sie erwähnten auch die menschliche Seite des Falls. Für zwei weitere Punkte, etwa die Beherbergung von Flüchtlingen auf seinem Hof, sprachen sie ihn am Freitag frei.

Mit gelber Wollmütze und rotem Schal trat er nach dem Urteil aus dem Gerichtsgebäude. Viele Menschen im Roya-Tal hat Herrou mit seinem Esprit angesteckt. In der Gruppe "Roya Citoyenne" helfen Dorfbewohner den Flüchtlingen. Einige kamen zum Gerichtsgebäude in Nizza. Umringt von Journalisten und unter Applaus seiner Unterstützer wiederholte er sein Credo: Frankreich brauche wieder eine menschlichere Politik.


Quelle:
KNA