Französischem Flüchtlingshelfer droht Strafe

"Prozess um eine Geste der Humanität"

Medien nennen ihn "den Robin Hood der Migranten". Ein französischer Olivenbauer hilft im Grenzgebiet zu Italien Flüchtlingen - und hat deshalb Ärger mit der Justiz. Nun droht ihm eine Verurteilung. Das Urteil wird an diesem Freitag verkündet.

Autor/in:
Sebastian Kunigkeit
Aktivist Cedric Herrou / © Claude Paris (dpa)
Aktivist Cedric Herrou / © Claude Paris ( dpa )

Cédric Herrou will nicht wegsehen - deshalb ist das beschauliche Leben des französischen Olivenbauers aus den Fugen geraten. Der 37-Jährige steht vor Gericht, weil er im Grenzgebiet zu Italien Flüchtlingen hilft, die ohne gültige Papiere nach Frankreich kommen. Für die einen ist er damit ein Held, für andere ein unverantwortlicher Provokateur.

Herrou ist zu einem Symbol geworden für Franzosen, die von ihrem Land mehr Solidarität mit Flüchtlingen wollen. Medien nennen ihn "den Robin Hood der Migranten", die Zeitung "Libération" schreibt vom "Prozess um eine Geste der Humanität". Die Staatsanwaltschaft fordert acht Monate auf Bewährung.

Migranten untergebracht

Der hagere Landwirt hat sich in der 2500-Einwohner-Gemeinde Breil-sur-Roya nordöstlich von Nizza eine einfache Existenz aufgebaut, er kultiviert Oliven und verkauft Bio-Eier. Doch die Lage an der Grenze zu Italien hat das Roya-Tal zu einem der Schauplätze der Flüchtlingskrise gemacht. In der Region versuchen Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien gelangt sind, nach Frankreich zu kommen.

Die französische Polizei soll das verhindern. Ständig greifen Beamte Menschen ohne Aufenthaltspapiere auf und schicken sie zurück. Amnesty International schätzt, dass im Grenzbezirk Alpes-Maritimes 2016 mindestens 30 000 Mal die Einreise verweigert wurde.

"Kinder laufen durch die Nacht", beklagt Herrou im Telefonat mit der Deutschen Presse-Agentur. "Menschen sterben am Straßenrand." Eines Tages begann er, Migranten in seinem Wagen mitzunehmen und bei sich unterzubringen. "Meine Untätigkeit und mein Schweigen würden mich zu einem Komplizen machen", sagte er in einem Fernsehinterview.

Oft kommen die Migranten im Schutz der Dunkelheit an. "Das läuft ein bisschen wie eine Jugendherberge", erzählt Herrou. In zwei Wohnwagen und einigen Zelten neben Olivenbäumen können sie sich etwas erholen, die meisten bleiben zwischen einer Woche und eineinhalb Monaten.

Hilfe zu illegaler Einreise

Im August 2016 wurde Herrou zum ersten Mal festgenommen, mit acht Menschen aus Eritrea im Auto - das Verfahren wurde eingestellt. Als im Herbst 60 Menschen auf seinem Grundstück hausten, eröffnete er mit mehreren Organisationen ein provisorisches Aufnahmezentrum in der Nähe. Nach wenigen Tagen kam die Polizei: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Herrou nun unter einem Gesetz, das Hilfe zu "illegaler Einreise, Verkehr oder Aufenthalt" unter Strafe stellt.

Der einflussreiche Regionalpolitiker Eric Ciotti warf Herrou eine "falsche Großzügigkeit" vor, sein Handeln gleicht für ihn einem organisierten Schleuserring. "Mit seinen Taten verfolgt Monsieur Herrou kein anderes Ziel, als die Autorität des Staates zu provozieren und herauszufordern", schrieb der Sicherheits-Hardliner der französischen Konservativen.

Herrou hält dagegen, dass der Staat seiner Verantwortung nicht nachkomme. Er wirft den Behörden vor, dass sie auch alleinreisende Minderjährige zurück nach Italien schickten - obwohl diese eigentlich von ihnen untergebracht werden müssten.

Amnesty International kritisiert Vorgehen der Polizei

Auch Amnesty International kritisiert das Vorgehen der Polizei an der Grenze. Am Mittwoch stellte die Organisation Ergebnisse einer Beobachtermission vor: "Die Behörden (...) achten die Rechte der Personen, die sie an der Grenze kontrollieren, nicht. Meistens wird ohne Formalien die Rückführung organisiert", heißt es darin.

Die Diskussion um Herrous Prozess veranschaulicht damit auch die widersprüchliche Haltung Frankreichs in der Flüchtlingskrise. Auf der einen Seite sieht das Land sich als Vaterland der Menschenrechte und hält offiziell das Asylrecht hoch. Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit, der Furcht vor dem Einsickern von Terroristen und vor dem Hintergrund der Erfolge der Rechtspopulistin Marine Le Pen tut es sich zugleich aber schwer mit der Aufnahme von Flüchtlingen.

Aus Herrous Sicht hat der Medientrubel um den Prozess bereits geholfen, die Situation an der Grenze stärker zum Thema zu machen. Der Zeitung "L'Humanité" sagte er vor einigen Wochen: "Ich habe verstanden, dass das, was an der Grenze passiert, eine Ungerechtigkeit ist. Und wenn man heute akzeptiert, den Ausländern ihre Rechte zu verweigern, dann werden wir morgen unsere verlieren."


Quelle:
dpa