Franziskus pocht in Florenz auf Reform der Kirche

Mit den Menschen - für die Menschen

Appelle für eine gerechte Arbeitswelt und ein zeitgemäßes Wirken der Kirche prägten den Besuch von Papst Franziskus in Florenz und Prato in der italienischen Toskana. Auch das große Erbe von Renaissance und Humanismus durchwehte die Reise.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Papst Franziskus in Florenz / © Maurizio Degl' Innocenti (dpa)
Papst Franziskus in Florenz / © Maurizio Degl' Innocenti ( dpa )

Zehn Mal war Papst Franziskus bisher außerhalb Roms zu Besuchen in Italien unterwegs. Bis auf Neapel und Turin wählte er dabei meistens abseitige Ziele wie die Flüchtlingsinsel Lampedusa oder die von Arbeitslosigkeit gebeutelte Region Molise. Am Dienstag stand mit Florenz erstmals wieder eine der großen italienischen Metropolen auf dem Kalender des Papstes. Doch auch der Wiege der Renaissance näherte sich Franziskus von ihrem ärmlichen Seite.

Am Morgen flog sein Hubschrauber zunächst das 20 Kilometer nördlich gelegene Prato an, ein Zentrum der italienischen Leder- und Textilindustrie. Der Ort ist berüchtigt für die teils katastrophalen Arbeitsbedingungen, unter denen bis zu 50.000 chinesische Arbeiter für Billigproduzenten aus dem Reich der Mitte schuften.

Chinesische Flaggen begrüßen den Papst

Dort wurde der Papst am Morgen von Tausenden Menschen begrüßt. Viele hielten chinesische Fahnen und Grußtransparente auf Mandarin in die Höhe. Lauter Applaus brandete auf, als Franziskus in seiner Rede vom Eckbalkon der Kathedrale skandalöse Arbeitsverhältnisse anprangerte und das Menschenrecht auf würdige Beschäftigung einforderte. Er erinnerte an die sieben Textilarbeiter und -arbeiterinnen, die vor zwei Jahren beim Brand in einer Fabrik umkamen. Dort hausten sie unmittelbar neben ihren Arbeitsplätzen in Kartons. Die Katastrophe, die damals in Italien eine Debatte über die schlimme Lage in den Billigschneidereien anstieß, bezeichnete Franziskus als eine "Tragödie der Ausbeutung und unmenschlicher Lebensbedingungen".

Damit darf sich aus seiner Sicht niemand abfinden. Gerechtigkeit ist für ihn das Gegenteil von Gleichgültigkeit, braucht aber auch Menschen, die sie laut einklagen und dafür Risiken eingehen. "Ohne Risiko gibt es auch keinen Glauben." Den Kampf gegen den "Krebs der Korruption" und gegen die Ausnutzung illegaler Einwanderer erklärte der Papst zur Christenpflicht. "Werden wir niemals müde, für die Wahrheit zu kämpfen." Anschließend sprach Franziskus kurz persönlich mit Arbeitern aus China und anderen Ländern, bevor er nach Florenz weiterflog.

Appelle in Richtung Kirchenreformen

Die Toskana-Metropole, von der aus Dante, Da Vinci, Botticelli oder Michelangelo die europäische Geisteswelt revolutionierten, nutzte der Papst als Bühne für deutliche Appelle in Richtung Kirchenreformen.

Die Kirche dürfe vor den Herausforderungen der Zeit nicht die Weltflucht in konservative Gefilde oder gar in den Fundamentalismus antreten, sagte er vor dem Nationalkonvent der italienischen Kirche im Florentiner Dom. Bestimmte bewahrerische Haltungen nannte er kulturell überholt. Die christliche Lehre sei kein geschlossenes System ohne Zweifel und Fragen, sondern lebendig - vor allem aber entwicklungsfähig.

Selten hat Franziskus die alte Weisheit, wonach die Kirche "semper reformanda" sei, also stets zu reformieren, energischer vertreten als im Mekka der Renaissance. Ausdrücklich verwies er auf das Erbe des Humanismus, der von Florenz seinen Ausgang nahm - und der Amtskirche oft genug gehörig aufstieß. Immer wieder machte Franziskus seine Sicht deutlich: Die Botschaft Jesu trägt den wahren Humanismus schon in sich.

Auch in seiner Predigt im Franchi-Stadion schubste er seine Kirche vor 50.000 Zuhörern weiter in diese Richtung. Die Nachfolger Jesu müssten stets im "gesunden Kontakt" bleiben mit der Realität, wie sie die Menschen erlebten, "mit ihren Tränen und Freuden". Und: "Die Kirche lebt wie Jesus in der Mitte der Menschen und für die Menschen." Niemand darf nach seinen Worten der Versuchung verfallen, andere nur nach den eigenen Überzeugungen zu be- und verurteilen.

Papst wirkte frisch

Mehrfach hob der Papst in den Ansprachen dieses Tages demonstrativ die Stimme und wirkte insgesamt frisch. Wollte er den Gerüchten über seinen angeblich wackeligen Gesundheitszustand die Nahrung nehmen? Für Stärkung dürfte das Mittagessen gesorgt haben. Gemeinsam mit Armen und Flüchtlingen genoss Franziskus in einer Caritas-Station einen Teller Ribollita: einen toskanischen Eintopf aus Brot, Bohnen und Kohl. Glaubt man der Tageszeitung "Avvenire", aß auch der Heilige Vater mit Plastikbesteck.


Quelle:
KNA