Franziskus ist ein "Friedenspapst" in kriegerischen Zeiten

Von Syrien über Atomwaffen bis zum Ukraine-Konflikt

In seinen frühen Amtsjahren schien der Friedensnobelpreis fast eine logische Konsequenz. Je länger Papst Franziskus regiert, desto unwahrscheinlicher wird die Auszeichnung. Und desto kriegerischer wird die Welt um ihn herum.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Papst Franziskus besucht ein Flüchtlingslager (Archiv) / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus besucht ein Flüchtlingslager (Archiv) / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

In seinen zehn Amtsjahren hat sich Papst Franziskus durch aufsehenerregende Initiativen in der ganzen Welt den Ruf eines unermüdlichen Anwalts für Frieden erworben.

Immer wieder gehörte er deshalb über viele Jahre zum engeren Favoritenkreis für den Friedensnobelpreis. Inzwischen freilich ist dieses Szenario für den 86-Jährigen unwahrscheinlich geworden. Was aber viel wichtiger ist: Die Zahl und Intensität der Kriege auf der Welt nimmt weiter zu.

Franziskus als "Friedenspapst"

Als "Friedenspapst" wurde der Argentinier in der "Washington Post" schon 2013 gefeiert. Sein größter Erfolg als Vermittler war wohl die historische Annäherung zwischen den USA und Kuba Ende 2014. Nach übereinstimmender Darstellung beider Seiten hatte Franziskus mit seinem Initiativbrief an die damaligen Präsidenten Barack Obama und Raul Castro maßgeblichen Anteil am Erfolg der Verhandlungen.

Unter Franziskus hat der Vatikan als Akteur auf der weltpolitischen Bühne erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Vatikan will nach den Worten seines Chefdiplomaten, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, nicht mehr nur als moralische Autorität wirken, sondern auch als Vermittler in Konflikten.

Ahmad al-Tayyeb (Ahmed al-Tayyib), Großscheich der al-Azhar-Universität, und Papst Franziskus bei einem Treffen mit dem "Muslim Council of Elders" am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Ahmad al-Tayyeb (Ahmed al-Tayyib), Großscheich der al-Azhar-Universität, und Papst Franziskus bei einem Treffen mit dem "Muslim Council of Elders" am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Respekt bei Muslimen verschaffte sich Franziskus durch seine entschiedene Ablehnung von Militärschlägen gegen Diktator Baschar al-Assad im Syrien-Konflikt. Seinem Aufruf zum Friedensgebet für Syrien folgten im September 2013 nicht nur Millionen Katholiken, sondern auch Muslime und Angehörige anderer christlicher Konfessionen zwischen Bagdad, Manila und Rom. 2019 unterzeichnete Franziskus mit dem Scheich der Kairoer Al-Azhar-Universität eine interreligiöse Erklärung. Das "Dokument über menschliche Brüderlichkeit" enthält - vor allem für islamische Staaten - bemerkenswerte Aussagen zu Toleranz und Menschenrechten.

Auch die Einladung für Israels Staatspräsident Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu einem Friedensgebet im Juni 2014 war ohne Vorbild. Muslime, Juden und Christen beteten im Vatikan für Frieden im Nahen Osten; getrennt zwar, aber nebeneinander. Die Symbolkraft freilich verpuffte - kurz darauf brachen erneute Kämpfe im Gazastreifen aus.

Papst Frankziskus und Mahmoud Abbas / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Frankziskus und Mahmoud Abbas / © Andrew Medichini ( dpa )

Auch mit seinen Reisen setzt Franziskus immer wieder Friedenszeichen.

Reise nach Lampedusa setzt Zeichen

Die erste überhaupt nach seinem Amtsantritt ging nach Lampedusa, jene Mittelmeerinsel, die zum Sinnbild für das Flüchtlingselend an den Toren Europas wurde. 2016 besuchte er auf der griechischen Insel Lesbos ein Aufnahmelager für Flüchtlinge.

Juli 2013 Papst Franziskus auf Lampedusa (dpa)
Juli 2013 Papst Franziskus auf Lampedusa / ( dpa )

In Südkorea setzte sich der Papst für eine Versöhnung des geteilten Landes ein; in Sri Lanka für den Dialog zwischen der tamilischen Minderheit und der singalesischen Bevölkerungsmehrheit; in der vom Bürgerkrieg gezeichneten Zentralafrikanischen Republik für den Dialog zwischen Christentum und Islam. 2016 in Georgien und Aserbaidschan, später für Aserbaidschan und Armenien mahnte er eine friedliche Beilegung der Konflikte im Kaukasus an.

Frieden ist für Franziskus immer auch "sozialer Frieden". Sein Eintreten für Flüchtlinge und seine Kapitalismuskritik sind untrennbar mit dem Einsatz für Frieden verbunden. Es "wäre ein falscher Friede, wenn er als Vorwand diente, um eine Gesellschaftsstruktur zu rechtfertigen, die die Armen zum Schweigen bringt oder ruhigstellt", hieß es in seinem programmatischen Schreiben "Evangelii gaudium" (2013).

Frieden und Umweltschutz

Eine weitere Komponente von Frieden ist der Umweltschutz - oder Frieden mit der Natur. Sie stand weit oben auf der Agenda der Amazonas-Synode Ende 2019 im Vatikan. Menschheitsprobleme wie Klimawandel und Wassernot hat Franziskus schon zuvor benannt; am eindrücklichsten in seiner Umwelt- und Sozialenzyklika "Laudato si" von 2015. Immer wieder betont er, es sei "Zeit für prophetische Handlungen".

Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Bei allem Einsatz für Frieden: Ein unbedingter Pazifist, der die Anwendung von Gewalt aus humanitären Gründen in Extremsituationen ausnahmslos ablehnt, ist Franziskus nicht. Mit Blick auf das Vorgehen der Terrormiliz "Islamischer Staat" schloss er ein militärisches Eingreifen nicht ausdrücklich aus. Wörtlich sagte der Papst 2014: "Wenn es eine nicht gerechtfertigte Aggression gibt, kann ich nur sagen, dass es legitim ist, den ungerechten Angreifer zu stoppen." Bombardierungen und Krieg seien aber keine Option. Was allerdings dann?

Mit dem Konstrukt eines "gerechten Krieges" kann Franziskus eher wenig anfangen. Ende 2017, als er Teilnehmer einer internationalen Konferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag empfing, nannte er auch den Besitz von Atomwaffen "unmoralisch" - schon wegen ihrer möglichen katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Das trug ihm Proteste ein, auch von Katholiken aus den USA und Frankreich.

Papst sucht Gesprächskanäle im Ukraine-Krieg

Vor seiner Japan-Reise Ende 2019 sollen Vertreter von Atommächten mehrfach versucht haben, eine Aufweichung seiner Positionen zu erreichen. Doch die Ansprachen des Papstes in Nagasaki und Hiroshima, den Orten der US-Atombombenabwürfe von 1945 fielen eher ungebremst aus: "Der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken heute (ist) mehr denn je ein Verbrechen." Und er setzte nach: "Der Einsatz von Atomenergie zu Kriegszwecken ist unmoralisch, wie ebenso der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist... Wir werden darüber gerichtet werden."

Franziskus äußerte sich besorgt über die derzeitige "Erosion des Multilateralismus". Es gelte, in Pflugscharen statt in Schwerter zu investieren, auch um der UN-Nachhaltigkeitsziele 2030 willen.

Papst Franziskus mit ukrainischer Flagge / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus mit ukrainischer Flagge / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Rüstungsausgaben seien eine "himmelschreiende" Vergeudung angesichts weltweiter Armut und Klimaprobleme.

Im Ukraine-Krieg findet freilich auch ein "Friedenspapst" keinen echten Zugang. Ja, der Vatikan sucht Gesprächskanäle; aber er sucht sie auch schon lange und ohne wirklich wahrnehmbare Erfolge. Insofern reiht sich Franziskus ein in eine Reihe von "Friedenspäpsten" wie Benedikt XV. (1914-1922), Pius XII. (1939-1958) oder Johannes XXIII. (1958-1963): Im tiefen Krieg hat es die Rede vom Frieden schwer - und Erfolge werden am Ende die Historiker messen müssen.

Das Leben des Jorge Mario Bergoglio/Franziskus

Franziskus ist der erste Papst der Kirchengeschichte aus Lateinamerika und der erste Jesuit im obersten Kirchenamt. Seine Wahl löste weltweit einen regelrechten Papst-Hype aus. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zeichnet zentrale Stationen seines Lebens und seiner bisherigen Amtszeit nach:

Papst Franziskus lächelt (Archiv) / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus lächelt (Archiv) / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA