Frankreich will islamisches Überkleid in Schulen verbieten

Schuluniform als Ultima Ratio?

Frankreichs Regierung bekommt das Problem religiöser Kleidung in Schulen nicht in den Griff. Nun schafft sie das Tragen der Abaja, eines langen islamisches Überkleides, ab. Doch das Verbot scheint unausgegoren.

Frankreichs Bildungsminister Attal (3. v. r.) / © Richard Bouhet (dpa)
Frankreichs Bildungsminister Attal (3. v. r.) / © Richard Bouhet ( dpa )

Die Entscheidung war erwartet worden. Frankreichs neuer Bildungsminister Gabriel Attal will das Tragen der Abaja, des langen muslimischen Überkleids, in den Schulen des Landes untersagen. Das Verbot soll schon zum neuen Schuljahr (4. September) in Kraft sein, kündigte Attal am Sonntag im Fernsehsender TF1 an. Es werde dann landesweite und klare Regeln geben. Beim Betreten des Klassenraums solle künftig nicht mehr erkennbar sein, welcher Religion eine Schülerin oder ein Schüler angehört. Die Schulleiter-Gewerkschaft begrüßte die Ankündigung.

Entscheidung für die Freiheit

Keine vier Wochen im Amt, hatte der Minister schon bald mitgeteilt, gegen das Tragen der Abaja vorgehen zu wollen. Denn dieses sei ein religiöses Statement. Attal berief sich bei seiner Ankündigung auf den französischen Laizismus, die seit 1905 geltende und immer wieder diskutierte Trennung von Staat und religiösem Bekenntnis. Und seine Interpretation lieferte der Minister gleich mit: Laizismus, das sei "die Freiheit, sich seine Meinung bilden und sich durch die Schule emanzipieren zu können".

Schon seit 2004 sind in Frankreichs Schulen auffällige religiöse Symbole untersagt. Neben dem islamischen Kopftuch gilt das etwa auch für christliche Kreuze und jüdische Kippas. 2010 wurde dann Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verboten; die gesetzlich vorgesehene Verurteilung zu Geldstrafen erfolgt aber nur selten.

Sechs Millionen Muslime in Frankreich

In Berlin verläuft die Entwicklung übrigens entgegengesetzt: Dort dürfen Lehrerinnen seit Schuljahrsbeginn an diesem Montag grundsätzlich mit muslimischem Kopftuch unterrichten. Dafür sorgten einschlägige Gerichtsentscheidungen.

Ob das Tragen der Abaja eindeutig ein religiöses Statement darstellt, ist in Frankreich noch nicht ausdiskutiert. Der bodenlange und luftige dünne Mantel oder Überwurf, der auch Kopf und Haare bedeckt, gehört in muslimisch geprägten Ländern zu den traditionellen Kleidungsstücken für Frauen. In Frankreich und auch in Deutschland erfreut er sich wachsender Beliebtheit. Von den rund 67 Millionen Einwohnern Frankreichs sind laut Schätzungen bis zu 6 Millionen Muslime. Konservativere Schätzungen gehen von mindestens 3,5 Millionen aus.

Der Islam-Dachverband CFCM hält das Gewand für keine religiöse Aussage. Erwartbar nach Frankreichs Parteienspektrum: Konservative und Rechtsaußen befürworten ein Verbot in der Schule; Linkspolitiker sind dagegen, sprechen von einer "Kleiderpolizei". Schulleiter hatten zuletzt erklärt, sie fühlten sich mit dem Problem allein gelassen.

Konsequent gegen Verstöße

Die Konturen des Verbots bzw. seine Konsequenzen sind noch schwer zu erkennen. Laut Zahlen des Ministeriums haben Berichte über Verstöße gegen das säkularistische Prinzip binnen eines Jahres um 120 Prozent zugenommen; bei der Hälfte der Fälle gehe es um das Tragen religiöser Kleidung oder Symbole, die in Widerspruch zum Gesetz von 2004 stehen.

"Unsere Schule wurde auf die Probe gestellt", sagte der Minister vor einigen Tagen vor Rektoren – und versprach ihnen Festigkeit im Vorgehen gegen solche Verstöße.

Attals Kurzzeit-Vorgänger, Pap Ndiaye (2022/23), hatte es genau daran fehlen lassen. Er zog sich auf Einzelfallentscheidungen der Schulleiter zurück. Ndiaye zählte traditionelle Kleidungsstücke wie Abaja oder jüdische Kippa – anders als das muslimische Kopftuch – nicht zu den eigentlich religiösen Kleidungsstücken. Damit fielen sie auch nicht direkt unter das Gesetz von 2004.

Doch keine religiösen Kleidungsstücke?

Der damalige Minister empfahl Sanktionen lediglich mit Blick auf das Verhalten des Schülers. Disziplinarmaßnahmen könnten dann ergriffen werden, wenn das Kleidungsstück regelmäßig getragen wird und der Schüler sich weigert, es auszuziehen. Es müsse sich um ein Outfit handeln, das er oder sie auch an religiösen Feiertagen trägt.

Das nun verhängte grundsätzliche Verbot von Abajas dürfte fast unweigerlich neuen Streit nach sich ziehen – haben sich doch die großen Islamverbände und Dachorganisationen in Frankreich bereits festgelegt, dass Abajas eben keine religiösen Kleidungsstücke seien.

Argumentativ könnten allerdings auch Regierung und Ministerium noch nachlegen: etwa unter Verweis auf das Gewicht islamischer Influencer oder auf orchestrierte Kampagnen gegen den Säkularismus im Netz.

Rückkehr zur Schuluniform 

Nicht zu unterschätzen dürfte auch der Einfallsreichtum junger Schülerinnen und Schüler sein, sollte erst tatsächlich ein Katalog verbotener Kleidungsstücke vorgelegt werden. Variationen bei Farben, Länge etc. dürften wenige Grenzen gesetzt sein, um dennoch dasselbe politisch-religiöse Statement zu setzen. Ein enger geführter Gesetzestext könnte damit schnell ad absurdum geführt werden.

Sollte sich die Regierung von Präsident Emmanuel Macron die Zähne an der Kleiderordnung im Bildungssektor ausbeißen, blieb am Ende noch eine Variante: eine Rückkehr zur Schuluniform, wie sie bis heute in vielen Ländern funktioniert.

Islam in Frankreich

Mit wohl rund 6 Millionen sind Muslime unter den 67,4 Millionen Bürgern Frankreichs die zweitgrößte Religionsgemeinschaft nach dem Christentum. Angaben zur genauen Zahl variieren. Viele Muslime sind Einwanderer aus den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika, etwa Algerien, Marokko und Tunesien. Zu den Zentren des Islams in Frankreich zählen etwa die Pariser Vorstädte sowie Lyon, Straßburg und Marseille.

Symbolbild Islam / © okanozdemir (shutterstock)
Quelle:
KNA