Frankfurter Stadtdekan über städtische Werbung für Prostitution

"Ein Griff ins Klo"

Mit einer neuen Broschüre will die Stadt Frankfurt um Gäste werben - auch für einen Besuch im Rotlicht-Distrikt des Bahnhofsviertels. Der Frankfurter Stadtdekan ist empört und bezeichnet das Vorgehen der Verwaltung gar als "Griff ins Klo".

Rotlichtviertel in Frankfurt / © Arne Dedert (dpa)
Rotlichtviertel in Frankfurt / © Arne Dedert ( dpa )

domradio.de: Die städtische Tourismus und Congress GmbH möchte mehr Besucher nach Frankfurt und ins Bahnhofsviertel locken. Dort gibt es auch das ein oder andere Bordell. "Wenn man diese Stadt vermarkten will, dann muss man eben auch das 'rough redlight district' zeigen. Da gilt es: hopp oder top", sagt der Tourismuschef der FAZ. Wenn man an das Frankfurter Bahnhofsviertel denkt, dann haben viele Menschen vielleicht so etwas wie ein Reeperbahn Szenario von Hamburg vor Augen. Ist das auch wirklich so, wenn man durch die Straßen läuft? Gibt es da so viel Rotlicht?

Dr. Johannes zu Eltz (Stadtdekan von Frankfurt): Vom Rotlicht her ist es vielleicht so wie auf der Reeperbahn. Aber romantisch und so, dass einem das Herz aufgeht und man sich gerne dort aufhält, ist es überhaupt nicht. Da überwiegt das Elend und das quillt dort auch aus jeder Ritze.

domradio.de: Es gibt jetzt eine Broschüre, die künftig als offizieller Tourismus-Guide an ausländische Besucher und auf Messen verteilt werden soll, um für "das hippe, trendige Frankfurt" zu werben. Darin wird für Szenerestaurants, Bordelle und Animierbars geworben. Wie beurteilen Sie das? 

zu Eltz: Ich bin stolz auf meine Stadt und lebe auch gerne in ihr. Wir haben auch eine gute, fitte und tüchtige Verwaltung, in der es auch inhärenten Anstand gibt. Gemessen an diesem Standard wäre das ein richtiger Griff ins Klo. Das geht überhaupt nicht, was das Fremdenverkehrsamt da macht.

domradio.de: Sie sind wahrscheinlich als Kirche auch nicht gefragt worden, oder?

zu Eltz: Sowieso nicht, muss man aber auch nicht. Aber deswegen kann ich ungefragt meine Meinung sagen. Ich muss an das denken, was es in New York in der Gatsby-Zeit gab, als die reichen weißen Oberschichten aus der Upper East Side nach Harlem gegangen sind: Slumming nannte man das dort, also in Slums gehen und sich gruseln und dann nachher wieder zu Hause ganz normal weitermachen. Diesen Peep-Show-Tourismus im Bahnhofsviertel finde ich niederträchtig.

domradio.de: Eines dieser Bordelle hat als Alleinstellungsmerkmal, dass im vierten Stock nur Transsexuelle arbeiten. Von einem echten Marketingfaktor sprechen die Tourismus-Strategen. Heute findet die sogenannte "Bahnhofsviertelnacht" in Frankfurt statt, zu der viele Besucher erwartet werden. Dazu soll laut FAZ ein Bordellbetreiber sein Laufhaus öffnen, damit die Besucher mal gucken können, wie es darin aussieht. Was sagen Sie dazu?

zu Eltz: Die Bahnhofsviertelnacht war in den letzten Jahren schon ein Erfolg. Was soll ich dazu sagen? Wenn es so ein sollte, dann kann ich nicht verstehen, wie man sich am Elend, an der Not und an der Ausbeutung anderer weiden kann. Der Rand zur Kriminalität ist breit und lang. Es bekommt aber dadurch eine neue Qualität, dass es von der Stadt richtig angeschoben wird. Das empört mich schon sehr.

domradio.de: Was machen die Kirchen denn, um das Elend insgesamt im Frankfurter Bahnhofsviertel zu minimieren?

zu Eltz: Die Mutter-Teresa-Schwestern, die man auch schon von weitem erkennen kann, sind mit Armenspeisungen für die Drogensüchtigen da. Es gibt zwei Druckräume, vor denen sich das Elend der Langzeitabhängigen dann auch wirklich sammelt. In der Nähe gibt eine kirchlich inspirierte Teestube, es gibt von den evangelischen Kollegen eine ehemalige Diakoniekirche, die jetzt für Leute aus dem Bahnhofsviertel offen steht. Also, es sind einige Angebote da. Aber jedenfalls sind wir nicht in der Glorifizierung von Prostitution tätig.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Frankfurts Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz / © Harald Oppitz (KNA)
Frankfurts Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR