Frauenhilfsorganisation begrüßt Gesetz gegen Zwangsprostitution

Symbolwirkung

Die Bundesregierung will härter gegen Zwangsprostitution vorgehen. Freier und Zuhälter müssen künftig mit hohen Strafen rechnen. Die Frauenhilfsorganisation SOLWODI begrüßt das Gesetz, hält es aber eher für einen symbolischen Akt.

Kampf gegen Zwangsprostitution (dpa)
Kampf gegen Zwangsprostitution / ( dpa )

domradio.de: Sie sagen, das Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung. Das Problem daran ist aber wohl, dass es sich ausschließlich auf die Zwangsprostitution bezieht. Was daran ist problematisch?

Helga Tauch (Persönliche Referentin von SOLWODI-Gründerin Schwester Lea Ackermann): Zunächst einmal ist keine Trennschärfe möglich. Welche Frau ist gezwungenermaßen in der Prostitution und welche ist sozusagen "freiwillig" - oder wie man das nennen mag - in der Prostitution. Da existiert ein schwammiger Bereich. Wie soll das definiert werden? Wo kein Kläger, da kein Richter. Für uns hat das Gesetz eine Symbolwirkung. Aber es ist natürlich nicht das, was wir in dieser Situation für die Frauen brauchen.

domradio.de: Lassen Sie uns das einmal konkretisieren. Es gibt freiberuflich freiwillig selbständig arbeitende Prostituierte, für die diese sämtlichen Gesetze keine Bedeutung haben, oder?

Tauch: Wir sehen schon, dass Prostitution immer eine Folge von Gewalt ist und immer in einem biografischen Zusammenhang mit Gewalt zu sehen ist. Das mag für einzelne Ausnahmen noch einmal gesondert zu betrachten sein. Wir sehen auch, unterstützt durch die Traumaforschung in Deutschland und eigene internationale Forschungsergebnisse, dass Prostitution Gewalt ist. Wir haben aber in Deutschland die Situation, dass wir noch nicht einmal zur Schadensbegrenzung so etwas wie eine Krankenversicherungspflicht von den Frauen, die in der Prostitution tätig sind, einfordern. Wir haben zum Schutz der Frauen beispielsweise gefordert, dass eine Anhebung des Alters von 18 auf 21 Jahre erfolgen sollte. Auch das ist nicht beachtet worden. Es gibt Situationen, in denen wir fragen, warum wir in Deutschland so weit hinter anderen europäischen Ländern herhinken. Wir haben nämlich beispielsweise aktuell in Frankreich die Situation, dass ein Gesetz zum Verbot von Sexkauf-Dienstleistungen dem Parlament vorgelegt wurde.

domradio.de: Jetzt haben wir erst einmal ein neues Gesetz, das sich mit der Strafe für Männer beschäftigt. Freier von Zwangsprostituierten müssen mit fünf Jahren Haft rechnen. Ist das neu? War das nicht schon einmal im Gespräch? Sind denn Freier nie strafbar?

Tauch: Wenn sich klar eine Vergewaltigung nachweisen ließe, ist das natürlich ein Straftatbestand. Von daher gibt es auch Kritik, die sagt, wir haben eine Vergewaltigung und damit eine klare Gesetzgebung. Die Zwangsprostitution ist für Männer nie strafbar gewesen. Sie konnten sich achselzuckend abwenden und sagen, dass sie davon nichts gewusst haben. Die Dienstleistung und das "Objekt Frau" sei für sie interessant gewesen und dafür hätten sie bezahlt und das war es dann auch. Woher kommt die Verantwortung für die Integrität einer Frau? Was sind ihre Lebensumstände? Ist sie unter Zwang und einer erpresserischen Situation in der Prostitution? Das musste bislang keinen Kunden und Sexkäufer interessieren. Das ändert sich zum ersten Mal an dieser Stelle.

domradio.de: Und das betrifft eben auch die Zuhälter. Hier werden unter Umständen bis zu zehn Jahre Gefängnis gefordert. Da ist es sicherlich wieder schwierig herauszufinden, ob es sich um Zwangsprostitution handelt oder nicht. Was bringt denn dann so ein Gesetz?

Tauch: Es hat Symbolcharakter, auch für Zuhälter, die ganz legal Serviceleistungen für die Frau erbringen können. Ob sie sich als "Manager" oder Security oder Hol- und Bring-Dienstleister darstellen. Wie jede Künstlerin einen Manager haben kann, kann auch eine Frau in der Prostitution an dieser Stelle einen Manager haben. Von daher stellt sich die Frage, was der Begriff "Zuhälter" überhaupt umfasst. Wenn Zwang nachgewiesen werden könnte, dann ist es natürlich so, dass er belangt werden könnte. Aber wie soll das an dieser Stelle nachgewiesen werden, dass die Frau das nicht freiwillig als Dienstleistung angeboten hat? Wir haben keine klare Definition, ab wann etwas legal ist. Es fehlt einfach die Trennschärfe. Wir begrüßen die Symbolkraft des Gesetzes, aber erwarten für die Zukunft keine großen Veränderungen.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR