Forschung in den Vatikan-Archiven zu Pius XII. beginnt

Fragen und Antworten zu den Hintergründen

An diesem Montag öffnet der Vatikan seine Archive zu Pius XII. Wann sind erste verlässliche Erkenntnisse zu erwarten? Fragen und Antworten zu der nun beginnenden Forschungsarbeit über Papst und Kirche im Zweiten Weltkrieg und danach.

Autor/in:
Roland Juchem
Blick in das Vatikanische Apostolische Archiv / © Cristian Gennari (KNA)
Blick in das Vatikanische Apostolische Archiv / © Cristian Gennari ( KNA )

Am Montagabend beginnt in Frankfurt/Main eine Tagung katholischer und jüdischer Historiker zur Öffnung der vatikanischen Archive aus dem Pontifikat Pius' XII. Ihr vorrangiges Thema ist das Verhalten des Papstes angesichts der Nachrichten über den Holocaust. Wie und wo können Forscher im Vatikan arbeiten, und was erwartet sie zudem?

Welche Archive geben ihr Material zu Pius XII. frei?

Das größte und bekannteste ist das Vatikanische Apostolische Archiv, wie das frühere "Vatikanische Geheimarchiv" jetzt heißt. Hinzu kommen die Archive der Glaubenskongregation, früher "Heiliges Offizium", zudem zwei Archive des Staatssekretariats und die der Missionskongregation, der Ostkirchenkongregation, der Pönitentiarie und der Dombauhütte von Sankt Peter.

Wie viel Material erwartet die Forscher?

Der Kirchenhistoriker und Pius-Experte Peter Gumpel nennt die Zahl von 16 Millionen Seiten Material aus dem Pontifikat Pius XII. (2. März 1939 bis 9. Oktober 1958). Archivleiter Sergio Pagano spricht von rund 200.000 archivarischen Einheiten im größten, dem früheren Geheimarchiv. Solche Einheiten können entweder aus einem Karton mit bis zu 1.000 Seiten bestehen oder aus einer Mappe mit wenigen Notizzetteln.

Wo können die Forscher arbeiten?

Im Arbeitssaal des Apostolischen Archivs gibt es pro Tag maximal 60 Arbeitsplätze, von denen etwa 30 für das neu zugängliche Archivmaterial bereitstehen. Dorthin können Forscher pro Tag bis zu fünf Kisten Material bestellen. Zuvor müssen sie sich online registrieren und eine Arbeitsmöglichkeit beantragen. Jede Arbeitserlaubnis gilt für maximal drei Monate; danach kann man einen neuen Antrag stellen. Ähnliches gilt für die anderen vatikanischen Archive.

Welche Historiker erhalten als erste Zugang?

Medienberichten zufolge, die sich auf Archivleiter Pagano berufen, sind 10 Forscher aus den USA dabei, darunter 2 vom Holocaust Memorial Museum in Washington, 7 aus Israel, 14 aus Deutschland, 16 aus Italien, 20 aus Osteuropa sowie weitere aus Frankreich, Spanien, Lateinamerika. Deren Zulassung gilt vorerst bis zur Sommerpause Anfang Juli.

Zu welchen Themen werden Erkenntnisse erwartet?

Es geht um den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, die deutsche Besatzung Italiens, Atombombenabwürfe in Japan, Gründung von Nato und Warschauer Pakt, den Kalten Krieg, das Ende der Kolonialzeit in Asien und Afrika, Indochina-Krieg, die beginnende europäische Einigung, theologische Entscheidungen wie das Dogma der Aufnahme Marias in den Himmel 1950 oder die Zulassung der historisch-kritischen Exegese für die katholische Theologie 1943.

Wann sind erste verlässliche Erkenntnisse zu erwarten?

Dies wird unterschiedlich lange dauern und hängt vom Thema ab, vom Umfang des Archivmaterials sowie davon, ob vatikanische Quellen in anderen Archiven - etwa anderer Staaten - überprüft werden müssen.

Nach Aussage von Historiker Hubert Wolf benötigt man für seriöse Befunde - mit Ausnahme seltener Einzelereignisse - mindestens drei bis fünf Jahre, um "das recht grob katalogisierte Material zu sichten und zu bewerten".


Quelle:
KNA