Flüchtlingshelfer im Irak zur Lage in Mossul

Keine Rückkehr für Christen?

Befreit und in Trümmern. So könnte man die Situation der nordirakischen Stadt Mossul zurzeit beschreiben. Das irakische Militär meldet, dass die Stadt von den IS-Terroristen befreit worden ist. Was heißt das nun für die vertriebenen Christen?

Iraker feiern "großen Sieg" über IS in Mossul / © Karim Kadim (dpa)
Iraker feiern "großen Sieg" über IS in Mossul / © Karim Kadim ( dpa )

domradio.de: Mossul ist nach Angaben des irakischen Militärs vom IS-Terror befreit. Hat Sie diese Nachricht gefreut?

Rudi Löffelsend (Mitorganisator des Aufbaus eines Flüchtlingscamps im Norden des Iraks): Einerseits hat es mich gefreut, dass die Kämpfe sich dem Ende nähern. Wobei ein bisschen wird ja noch immer geschossen. Aber natürlich macht sich bei mir auch Sorge breit, wie es denn weitergeht, denn mit der Bekämpfung der Terroristen ist es noch lange nicht vorbei.

domradio.de: Ist das denn überhaupt glaubhaft, dass Mossul jetzt ganz und gar vom IS-Terror befreit ist? Schließlich war das die Hochburg des vom IS ausgerufenen Kalifats?

Löffelsend: Das ist richtig, aber es gibt eine Menge IS-Leute, die sich die Bärte abrasiert haben und sich unter die Flüchtlinge mischen. Das ist eine große Aufgabe, die auch auszufiltern. Das heißt also: Es gibt immer noch gewaltbereite Leute. Von daher sehe ich da noch keine Ruhe einkehren und auch noch keinen schnellen Wiederaufbau. Aber ich würde sagen: Das große Sterben ist vorbei.

domradio.de: 900.000 Menschen sind aus Mossul geflohen. Können und werden die jetzt wieder in ihre Stadt zurückkehren?

Löffelsend: Also in den Ostteil, der vor einigen Wochen befreit wurde, sind kurz danach schon ganz viele zurückgekehrt und haben versucht, da wieder Fuß zu fassen. Und ich vermute, dass es jetzt im Westteil und in der Altstadt ähnlich laufen wird. Viele werden erst einmal schauen, was überhaupt noch übrig geblieben ist.

domradio.de: Gibt es denn einen Drang, zurückzukehren?

Löffelsend: Der Drang aus den Camps mit schlechten Bedingungen zurückzukehren, wird schon groß sein. Ich bin mir noch nicht sicher, ob die internationale Gemeinschaft darauf vorbereitet ist, was jetzt in der Stadt an Hilfe notwendig ist - zum Wiederaufbau und für die Versorgung der Leute.

domradio.de: Wie sieht das speziell mit den Christen aus? Gehen die jetzt auch zurück nach Mossul?

Löffelsend: Das glaube ich nicht. Es gibt eine ganz kleine Zahl, die es mal versucht hat. Aber die Christen sind schon seit 2009 massiv verfolgt worden. Die beiden katholischen Bischöfe sind schon zu der Zeit in ein sichereres Gebiet geflohen.

domradio.de: Wenn wir die Nachrichten hier verfolgen, dann hört sich das immer sehr unkompliziert an. Da ist der IS-Terror und da sind die Iraker - also Gut und Böse ist da ganz einfach auseinanderzuhalten. Aber Sie sagen, so einfach ist das nicht - denn die Situation, die sei viel komplizierter?

Löffelsend: Es gibt da auch noch ein Problem mit den Schiiten und Sunniten. Durch diese Gruppen sind noch ganz massive Störungen zu befürchten. Es wird jetzt um Macht gehen, also, wer bekommt eigentlich die Stadt? Da melden die Kurden im Umland auch noch ihre Ansprüche an. Deshalb glaube ich nicht, dass das jetzt ein Ort des Friedens wird.

domradio.de: Sie betreuen ein Flüchtlingslager im Norden Iraks. Da kommen die Flüchtlinge nicht direkt aus Mossul, sondern aus anderen umkämpften Regionen im Land. Hat denn die Befreiung Mossuls jetzt auch Auswirkungen auf dieses Flüchtlingslager?

Löffelsend: Ja, indirekt. Also das Lager haben wir vor zwei Jahren für Jesiden, die nordwestlich ins Gebirge geflüchtet sind und dort schreckliche Bedingungen hatten, eingerichtet oder angefangen einzurichten. Als sie dann nach Kurdistan rein konnten, haben sie dort auch unter zum Teil schlechten Bedingungen gelebt - in Bauruinen und solchen Dingen. Deren Dörfer sind nach wie vor nicht ruhig. Da gibt es auch noch Kämpfe bis hin zur PKK und den syrischen Kurden einerseits und Sunniten und Schiiten andererseits, die dort um Vormachtstellungen kämpfen. Ich war vor drei Wochen noch unten. Die Leute sagen: "Da gehen wir noch nicht hin. Das ist uns noch zu gefährlich."

domradio.de: Von dem, was Sie erzählen, bekommt man den Eindruck, dass es noch ein langer, langer Weg ist, bis im Irak Frieden herrscht. Was macht Ihnen denn da Hoffnung?

Löffelsend: Ich denke, die Zeit arbeitet für den Frieden, dass Dinge sich dann noch mal klären werden - auch wenn es noch mal Verluste geben wird. Die entscheidende Frage ist aber, wie sich die internationale Gemeinschaft da aufstellt - ob sie tatsächlich hilft. Alles andere geht nicht - sonst wird diese Stadt nie wieder aufgebaut werden können. Wenn dann so ein wenig Normalität reinkommt, dann gibt das auch noch mal Anschub, dass es da friedlich wird.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Rudi Löffelsend / © Sonya Winterberg (KNA)
Rudi Löffelsend / © Sonya Winterberg ( KNA )
Quelle:
DR