Film zum Trappistenmord in Algerien gilt als Favorit in Cannes

"Von Menschen und Göttern"

Fünf Jahre nach dem Überraschungserfolg von "Die Große Stille" über das Leben im Kartäuserkloster steht in Frankreich bei den Filmfestspielen von Cannes wieder ein Film über einen strengen Mönchsorden im Blickpunkt. Doch diesmal geht es nicht nur um Gebet und Arbeit, es geht auch um einen der spektakulärsten Morde an christlichen Ordensleuten der letzten Jahrzehnte.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Der Film "Des Hommes et des Dieux" ("Von Menschen und Göttern") von Xavier Beauvois, der derzeit in Cannes als ein Anwärter für die "Goldene Palme" gilt, greift einen wahren Fall auf; die Entführung und Ermordung von sieben Trappistenmönchen im Jahr 1996. Das Verbrechen ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.

Die französische Justiz ermittelt weiter: Erst im vergangenen Winter erhielten die zuständigen Ermittlungsbehörden in Paris Dokumente, die zuvor dem Militärgeheimnis unterlagen. Mittlerweile gilt es als denkbar, dass die französischen Trappistenmönche von der algerischen Armee getötet wurden, nicht aber von ihren muslimischen Entführern. Staatspräsident Nicolas Sarkozy machte den Weg frei für die neuen Untersuchungen, indem er die Aufhebung des Militärgeheimnisses für das Dossier anordnete.

Was sich in jenem Frühjahr 1996 wirklich zugetragen hat, bleibt weiter offen. Sicher ist: Ende März wurden Prior Christian-Marie de Cherge und sechs seiner Mitbrüder aus dem Kloster "Notre Dame d'Atlas" im algerischen Tibehirine entführt. Ende Mai wurden ihre abgetrennten Köpfe bei Medea gefunden. Die Opfer waren zwischen 45 und 82 Jahre alt. Die Regierung machte die "Bewaffnete Islamische Gruppe" (GIA) für die Tötung der Mönche verantwortlich. Die GIA terrorisierte mit Anschlägen nicht nur Andersgläubige, sondern das ganze Land.

Dass die GIA die Mönche entführt hatte, daran gibt es keinen Zweifel. Ob sie aber wirklich auch für ihren Tod die Verantwortung trägt, ziehen manche inzwischen in Zweifel. Unter ihnen vor allem General Francois Buchwalter (65), von 1995 bis 1998 Militärattache an Frankreichs Botschaft in Algier. Nach seiner im vergangenen Jahr veröffentlichten Version hat eine algerische Hubschrauber-Einheit die gekidnappten Mönche "irrtümlich" getötet. Seine Informationen habe er von einem befreundeten algerischen Offizier, dessen Bruder 1996 den Einsatz kommandierte. Die Piloten hätten in einer "geräumten Zone" im Atlasgebirge ein vermeintliches Terroristennest beschossen, in dem Biwak befanden sich jedoch die Trappisten.

Ihr Tod sei dann der GIA in die Schuhe geschoben worden, um das militärische Vorgehen gegen diese zu rechtfertigen. Algier und Paris seien übereingekommen, es im Interesse der bilateralen Beziehungen bei dieser offiziellen Version zu belassen.

Im Film spielt all das keine Rolle. Beauvois' Streifen endet, bevor die Mönche getötet werden. Was er erzählt, ist die Geschichte davor. Er zeigt, wie sich das friedliche Zusammenleben der Menschen im Angesicht der terroristischen Bedrohung verändert - und massiven Schaden nimmt.

Am Anfang ist noch alles in Ordnung. Die Ordensleute behandeln in ihrer Krankenstation die arme einheimische Bevölkerung, treffen sich mit muslimischen Geistlichen, alle behandeln einander mit Respekt. Als sich die terroristische Bedrohung verschärft, lehnen es die Trappisten ab, ihr Kloster unter Militärbewachung stellen zu lassen. Auch eine Heimreise nach Frankreich kommt für sie nicht in Frage.

In den französischen Medien wurde Beauvois' Film teils mit Überschwang positiv beurteilt. "Umwerfend", urteilte "Le Parisien". "Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn dieser Film nicht einen großen Preis in Cannes erhielte", meinte "Le Monde". "Sehr inspiriert", schreibt "Ouest-France".

Alle heben hervor, wie Schweigen, Besinnung, Meditation der Mönche in dem aus ihrer Perspektive erzählten Film dem Lärm, dem Terror und der Gewalt entgegenstehen - ganz konkret etwa, wenn die Choräle der Ordensmänner im Lärm der Militärhubschrauber untergehen. Ob die Jury die Lobeshymnen teilt, zeigt sich am Sonntag, wenn die diesjährigen Preise in Cannes vergeben werden.