Federweißer selbstgemacht

Prickelnder Oktober

Der Herbst schreibt manch schöne Geschichten. Diese hier beginnt unmittelbar an unserer Hauswand. Dort wächst der Gutedel.

Gutedelrebe an der Hauswand / © St.Q.
Gutedelrebe an der Hauswand / © St.Q.

Vor Jahr und Tag haben wir Richtung Südwesten einen Weinstock gepflanzt, eine weiße Traube zum Ranken und Naschen. Das Wissen, um welche Sorte es sich handelte, ging alsbald verloren und überhaupt waren es meist die Amseln, die sich die Beeren munden ließen. Jahr für Jahr wuchsen die Trauben prächtig in der Mittags- und Nachmittagssonne heran und ab und zu blieb für uns sogar was zum Naschen übrig.

Dann aber gab es zwei, ja schicksalhafte Ereignisse, die uns fortan enger mit dem rankenden Weinstock und seinen Trauben verbanden. Zum einen: Als wir vergangenes Jahr gerade reife Trauben pflücken wollten, hatten sich in einer Nacht- und Nebelaktion die Amseln drüber hergemacht. Radikaler als je zuvor. Zum anderen: Beim Hacken im Garten fand sich das Preisschild wieder mit den Informationen über die Traube. Sie hatte wieder einen Namen: Gutedel. Und genau diese Sorte Gutedel war uns just zuvor in einem Urlaub zu Fuße des Schwarzwaldes begegnet im Markgräflerland, dort wird diese Traube angebaut und ein süffiger Sommerwein gekeltert.

Gutedel aus dem Markgräflerland

Gutedel ist eine alte Weißwein- und Tafeltraube, ihre ursprüngliche Heimat ist umstritten, so gibt es die These, der Gutedel sei schon vor 5000 Jahren in Ägypten angebaut worden. Fest steht, dass der Gutedel in der Westschweiz zu Hause ist, dort bekannt als Chasselas oder Fendant. Im 18. Jahrhundert verbreitete sich der Anbau des Gutedels in Baden, Markgraf Karl Friedrich von Baden soll den Anbau maßgeblich forciert haben. Das Markgräflerland zwischen Schwarzwald und Rheintal ist heute das deutsche Hauptanbaugebiet des weißen Gutedels.

Der Gutedel, den wir im Keller haben und am liebsten zum Spargel trinken, wächst also an unserer Hauswand! Ein Netz zum Schutz vor den Vögeln haben wir dies Jahr über den Guten und Edlen gehängt. So wurden die Trauben jetzt Anfang Oktober unversehrt reif – mit der Folge, dass es fürs Naschen viel zu viele waren. Und weil zugleich der erste Federweiße zu kaufen war, keimte die waghalsige Idee: warum den Federweißen nicht selbst machen?

Wenn der Traubenmost gärt ist der Federweiße fertig

Federweißer ist neuer ungefilterter Wein, der gerade zu gären beginnt, aber schon getrunken werden kann. Der Saft der Trauben, der Traubenmost wird dazu mit Hefe versetzt, die den vorhandenen Zucker in Alkohol verwandelt. Das ist der Prozess der Gärung.

So weit so gut. Nur leider: Das Internet ist voller höchst unterschiedlicher Anleitungen, voller Warnungen oder auch lässiger Kann-nix-schief-gehen-Rezepturen. Dazu kommen noch die klugen Ratschläge der Fachfrau aus dem kleinen Gartenfachhandel. Aus all dem wurde dann unser eigenes Experiment, die eigene Rezeptur. Um es gleich zu sagen: aus dem Saft wurde tatsächlich Federweißer.

Obstpresse, Hefe und Gärröhrchen

Was braucht es also zum Federweißen-Selbermachen? Vor allem zwei Dinge: Eine kleine Obstpresse und spezielle Reinzuchthefe für Traubensaft, und außerdem sind hilfreich Gummistopfen oder -kappen mit Gärröhrchen. Macht dann in der Erstanschaffung etwa 60 Euro aus. Der Rest an nötigen Gegenständen findet sich im Haushalt.

Und dann: Trauben pflücken und waschen, faule Beeren aussortieren. Beeren am besten vom Stil rupfen und in einen Eimer etwa halbvoll füllen. Mit einem Stampfer die Beeren im Eimer zermatschen, das ist dann die Maische. Diese in die Obstpresse füllen, ein Tuch oder Netz ist dabei, mit dem die Presse ausgelegt wird. Der meiste Saft läuft schon von selbst durch, den Rest mit Geduld auspressen. Zwei Kilo Trauben geben gut einen Liter Saft.

Bis es im Gärröhrchen blubbert

Und jetzt: Den Saft in eine oder mehrere saubere Flaschen füllen, die Hefe laut Beipackzettel dazu, ebenso ca. drei Löffel Zucker, um die Hefe zu füttern. Zumindest unserem Saft vom Gutedel hilft dass, der nicht so sonnengereift ist, wie die Trauben im Markgräflerland. Dann den Verschluss darauf, also Gummistopfen und Gärröhrchen.

Die Flaschen bei gut zwanzig Grad für etwa 2-3 Tage stehen lassen, bis es im Gärröhrchen blubbert. Mit dem Beginn des Gärprozesses ist der Federweiße schon fertig. Zunächst noch mit wenig Alkohol, je länger er weiter im Warmen gärt, desto schneller bildet sich Alkohol. Wer also den Federweißen ganz mild und süß mag, sollte ihn schnell in den Kühlschrank stellen, das mag die Hefe nicht und der Gärprozess wird deutlich langsamer.

Wein brachte die Lebensfreude

Das war es und wir hatten tatsächlich drei Flaschen leckersten Federweißen, die restlichen Liter Traubenmost wurden erhitzt und als Saft in Flaschen abgefüllt.
Vielleicht ist es irgendwann ein nächster Schritt, sogar Wein selbst herzustellen, aber dafür ist der Respekt noch viel zu groß vor dieser alten Kulturpflanze, die so voller Kraft und Ausdauer steckt und die vor über 7000 Jahren die Lebensfreude ins Dasein der Menschen brachte, das Leben seitdem versüßt – und Dichter inspiriert:

Küß mich auf den Mund, mein Lieb,
Immer neue Küsse gib.
Wellt am Weinstock Blatt um Blatt,
Man den Most im Keller hat.
(…)
Liebste, drück mir auf den Mund
Küsse wie die Blätter bunt,
Küsse wie der junge Most,
Und berauscht leb' ich getrost.
(…)
Max Dauthendey

Autor: Stefan Quilitz

Infos gibt es reichlich im Netz, dies ist eine hilfreiche Seite: fruchtweinkeller.de


Maische in der Presse / © St.Q.
Maische in der Presse / © St.Q.