Expertin erläutert die Vorteile des Pilgerausweises

Mehr als nur Stempel sammeln

Pilgerexpertin Beate Steger wurde in der Wieslocher Laurentiuskirche getauft und gefirmt. Genau dort hat sie auch einen Pilgerstempel angebracht. Aber wofür sind diese Stempel und Pilgerausweise überhaupt gut?

Symbolbild Stempel im Pilgerpass / © MaxMaximovPhotography (shutterstock)
Symbolbild Stempel im Pilgerpass / © MaxMaximovPhotography ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Beim Pilgern gilt, dass der Weg das Ziel ist. Aber eine registrierte Buchführung, wo man überall gewesen ist, hat auch etwas, oder?

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

Beate Steger (Vielpilgerin und Pilgerexpertin): Ja, klar. Vor allem weist ein Pilgerausweis einen auch als Pilger oder Pilgerin aus, wenn man auf dem Jakobsweg unterwegs ist. Das ist aber auch bei vielen anderen Pilgerwegen mittlerweile Usus, dass man Stempel sammelt. In manchen Herbergen ist es Pflicht, dass man einen Pilgerausweis mit diesen Stempeln hat.

Man sammelt sie auf dem Weg in Restaurants, in Kirchen, manchmal auch an öffentlichen Stellen. Dann hängt da einfach ein Stempelkasten und damit zeigt man beispielsweise, dass man die Berechtigung für eine vergünstigte Unterkunft hat. Es zeigt, dass man nicht mit einem dicken Mercedes und mit Koffern ankommt, sondern als einfacher Pilger.

DOMRADIO.DE: Wer darf denn so einen Pilgerstempel verteilen?

Steger: Eigentlich alle, die auf dem Weg sind. Ich habe schon erlebt, dass man die bei Privatpersonen bekommt. Auf dem Ökumenischen Pilgerweg im Osten Deutschlands beispielsweise, erinnere ich mich an eine Frau namens Waltraud.

Sie hatte Pilgerunterkünfte in den alten Kinderzimmern ihres Hauses eingerichtet und hat sich einen eigenen Stempel anfertigen lassen. Dazu war sie berechtigt. Die Unterkunft gibt es leider nicht mehr. Aber eigentlich darf das jeder machen, der Lust dazu hat.

DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Lieblings-Stempelstelle?

Steger: Es gibt eine besondere Stempelstelle auf dem Camino Francés, dem französischen Jakobsweg. Das ist der am meisten begangene Jakobsweg. Er führt von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela. Zwei Kilometer vor Logrono führt der in die Weinberge. Da gibt es eine kultige Stelle, wo eine Frau namens "Donna Felisa" jahrelang Stempel verteilt hat.

Sie ist irgendwann gestorben und hat die Aufgabe ihrer Tochter übergeben. Auch die Tochter ist vor einiger Zeit gestorben. Das machen jetzt ihre Kinder. Es ist ein ganz besonderer Stempel. Da steht "Feigen, Wasser und Liebe" drauf.

Beate Steger

"Sie war nicht so gebildet, aber eine unheimlich warmherzige, goldige Frau."

Diese Stelle ist eingerichtet worden, weil man früher noch nicht wusste, wie viele Pilgerinnen und Pilger unterwegs sind. Der Priester von dort hatte "Donna Felisa" gebeten, die Pilgerinnen und Pilger zu zählen, die nach Logrono reinlaufen. Sie konnte aber gar nicht zählen. Sie war nicht so gebildet, aber eine unheimlich warmherzige, goldige Frau.

Sie hat dann mit Steinchen gezählt. Immer wenn jemand vorbeikam und sich einen Stempel hat geben lassen, hat sie einen Stein in einen Korb gelegt. Die Tochter hat dann abends die Steine gezählt. So wusste man, wie viele Pilger nach ihr reingelaufen sind. Das hat sich dann so etabliert.

Irgendwann musste man nicht mehr zählen. Es gibt ja das Pilgerbüro in Santiago. Mittlerweile weiß man, wie viele Menschen pilgern. Aber das ist eine schöne Geschichte. Da muss man einfach gewesen sein.

DOMRADIO.DE: Sie haben selbst auch eine solche Stempelstelle in der badischen Gemeinde Wiesloch für den Jakobsweg eingerichtet. Wieso haben Sie das gemacht?

Steger: Erstens lebe ich in Wiesloch. Ich bin da auch aufgewachsen. Ich war zwar zwischendurch mal weg, aber ich bin wieder zurückgekehrt. Da gibt es die Laurentiuskirche. An ihr führt der badische Jakobsweg seit einiger Zeit vorbei. Da habe ich gedacht: "Mensch, die Kirche ist auch immer geöffnet. Das ist doch die Stelle für einen Stempel." Das habe ich dann angeregt.

Beate Steger

"Da hat er sich nicht nehmen lassen, auch den Stempel zu gestalten."

Ich muss allerdings gestehen, dass ich gedacht habe, dass ich die Aufgabe nicht selbst übernehmen müsste. Die Gemeindereferentin meinte, dass das eine super Idee sei und ich die gleich selber umsetzen könne.

Der Stempel wurde von unserem Pfarrer Bernhard Pawelzik gestaltet. Der hat auch mit dem Jakobsweg zu tun. Er hat vor noch nicht so langer Zeit die Pfarrstelle angetreten. Kurz bevor er gekommen ist, hat er sich einen Monat lang Auszeit für den Jakobsweg genommen.

Da hat er sich nicht nehmen lassen, auch den Stempel zu gestalten. Da ist die Laurentiuskirche drauf. Da ist aber auch die typische Jakobsmuschel zu sehen. Und ich durfte den Stempel dann am Eingang anbringen.

Leider muss man den an einer kleinen Kette befestigen. Diese Stempel sind nämlich sehr begehrt. Ich habe dann neben dem Eingang gebohrt und gehämmert. Ich kam mir ein bisschen komisch vor, das in der Kirche zu machen.

DOMRADIO.DE: Konnten Sie denn auch schon einem Pilger oder einer Pilgerin diesen Stempel ins Heftchen drücken?

Beate Steger

"Ein Wunder nach dem anderen ist ihnen passiert."

Steger: Ja, das war auch eine besondere Aktion. Unser Pfarrer Pawelzik ist mit Jugendlichen gepilgert. Die sind in Wiesloch gestartet und waren auf dem Badischen Jakobsweg drei Tage lang unterwegs. Sie wollten nur fünf Euro am Tag auszugeben und schauen, wie weit sie damit kommen und wo sie gut und günstig schlafen können.

Dann ist ein Wunder nach dem anderen passiert. Denn das hat wunderbar funktioniert. Die waren die ersten, die diesen Stempel bekommen haben.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )