Expertin sieht Fortschritte bei barrierefreien Pilgerwegen

"Es gibt jede Menge Möglichkeiten"

Viele Pilgerwege stellen mit Stufen und starken Steigungen unüberwindbare Hindernisse für Rollstuhlfahrer dar. Aber es gibt auch barrierefreie Pilgerstrecken. Beate Steger erklärt, was zu beachten ist und wo es Luft nach oben gibt.

Symbolbild Pilgern im Rollstuhl / © Ground Picture (shutterstock)
Symbolbild Pilgern im Rollstuhl / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie sind denn die Bedingungen auf Pilgerwegen für Menschen im Rollstuhl?

Beate Steger (Autorin und Pilgerexpertin): Sie sind noch nicht ideal, aber sie werden immer besser, würde ich sagen. Es ist ja in allen Bereichen der Gesellschaft angekommen, dass es wichtig ist, dass auch Menschen mit Handicap unterwegs sein wollen und etwas erleben möchten. Da wird immer mehr drauf geachtet.

So gibt es jetzt auch gerade bei den Jakobswegen Initiativen. Zuerst einmal, dass man nur streckenweise Abschnitte barrierefrei gestaltet hat. Aber wir haben zum Beispiel in der Pfalz auch einen komplett barrierefreien Weg über 120 Kilometer. Dafür durfte ich den Pilgerführer schreiben. Der geht von Worms nach Lauterburg. Das ist wirklich ein Weg, der extra ausgesucht worden ist und barrierefrei ist.

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

DOMRADIO.DE: Was heißt jetzt genau barrierefrei?

Steger: Für Menschen, die in irgendeiner Form vom Sehen her ein Handicap haben, ist der Weg nicht geeignet. Denn für die Beschreibung muss man auf jeden Fall sehen können, weil man die Schilder lesen können muss.

Aber wir hatten Gott sei Dank einen Rollstuhlfahrer mit Michael "Mitsch" Schreiner an der Seite, der in Dahn lebt und da auch als Behindertenbeauftragter zuständig ist. Wenn Behörden irgendetwas bauen, muss er schauen, dass das für Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Beeinträchtigungen zu benutzen ist. Er hat diese ganze Strecke mit dem Rollstuhl absolviert und dann zu mir gesagt, es sei wirklich wichtig, dass es keine Stufe auf der gesamten Strecke gibt.

Das zweite, worauf wir sehr geachtet haben, waren die Unterkünfte und die Toiletten. "Mitsch" hat uns erklärt, dass er nicht einfach mal hinter dem Baum verschwinden kann, wenn er unterwegs ist, sondern eine barrierefreie Toilette braucht. Das war wichtig, dass man alle fünf, sechs Kilometer so eine Toilette ansteuern kann.

DOMRADIO.DE: Auch bergauf und bergab kann es mitunter schwierig werden, oder?

Beate Steger

"Wir konnten ihn leider nicht kennzeichnen lassen, aber er ist sehr exakt beschrieben, sodass man ihn auf jeden Fall findet."

Steger: Auch darauf haben wir achten müssen. Das war ganz wichtig. Der "Mitsch" hat es sowohl mal mit dem motorisierten als auch mit dem nicht motorisierten Rollstuhl gemacht. Ich weiß auch von einer Pilgerin, die extra aus Österreich gekommen ist, als der Weg beschrieben war.

Wir konnten ihn leider nicht kennzeichnen lassen, aber er ist sehr exakt beschrieben, sodass man ihn auf jeden Fall findet. Es gibt auch die GPS-Tracks und den Pilgerführer dafür im Internet.

Die Frau aus Österreich, die "Sandra", hat ihn dann mit einer kleinen Zugmaschine gemacht. Sie sitzt schon seit dem fünften Lebensjahr im Rollstuhl. Sie hat gesagt: Was bei Gehenden die Hüften sind oder die Knie, sind bei ihr eben die Schultern oder die Oberarme, die mittlerweile in Mitleidenschaft gezogen sind. Sie kann gar nicht anders unterwegs sein, als mit so einer kleinen Zugmaschine.

DOMRADIO.DE: Inwieweit muss man so eine Reise besonders vorbereiten, um die entsprechenden Herbergen zu finden?

Steger: Darauf mussten wir auch achten, dass wir bei vernünftigen Tagesetappen immer wieder eine barrierefreie Unterkunft haben. Ich muss leider sagen, dass wir keine einzige Herberge dabei haben, sondern dass es immer Hotels und Pensionen sind, weil ja auch das Badezimmer dementsprechend eingerichtet sein muss.

Aber ich weiß, dass es abenteuerliche Rollstuhlfahrer gibt, die auch in Spanien schon unterwegs waren. Felix Bernhard hat darüber auch Bücher geschrieben. Der war auch schon ganz alleine auf dem sogenannten französischen Weg unterwegs, auf dem Camino Frances.

Da heißt es von offizieller Stelle: Der ist zwar schon mit dem Rollstuhl zu machen, aber er ist auf keinen Fall als barrierefrei zu bezeichnen. Er hat es mit einer großen Portion Abenteuerlust geschafft.

Beate Steger

"Wenn man sagt: Ich will barrierefrei pilgern, dann findet man im Internet schon viel."

DOMRADIO.DE: Welche Tipps können Sie Menschen geben, die so eine Reise planen?

Steger: Dass sie sich vorab sehr genau informieren. Es gibt mehrere Strecken, die man machen kann. Es gibt zum Beispiel auch in der Schweiz den "Weg zur Schwarzen Madonna". Der geht vom Bodensee über Schaffhausen und Rheinfall bis nach Einsiedeln. Wenn man sagt, man will barrierefrei pilgern, dann findet man im Internet schon viel.

Es gibt auch auf anderen Pilgerwegen Möglichkeiten, zum Beispiel auf dem "Lutherweg 1521", der von Worms zur Wartburg führt, also die Strecke, die Luther zurückgelegt hat, als er nach Worms zum Reichstag reisen musste. Da gibt es wirklich jede Menge Möglichkeiten. Aber wie bei jeder Reise auch, muss man sich einfach vorab informieren und dann funktioniert die ganze Sache schon.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn für diese Pilger am Schluss auch eine Pilgerurkunde?

Steger: Auf jeden Fall gibt es eine Pilgerurkunde, die Compostela in Spanien. Da habe ich noch mal geschaut und keine Stelle gefunden, dass es für nur für nicht motorisierte Rollstuhlfahrer eine Compostela gibt. Ich glaube, die sehen das da nicht so eng. Hauptsache, man kommt an und man hat die letzten 100 Kilometer nach Santiago absolviert.

Beim Mosel-Camino bekommt man in Trier auch eine Pilgerurkunde. Allerdings wäre es da mit den Steigungen als Rollstuhlfahrer ein bisschen schwierig. Aber da werden keine Unterschiede gemacht, soweit mir das bekannt ist.

DOMRADIO.DE: Es gibt schon viele Möglichkeiten, aber insgesamt ist alles auch noch ausbaufähig, oder?

Steger: Absolut. Aber die Jakobusgesellschaften zum Beispiel, gerade auch in Deutschland, haben das durchaus auf dem Schirm und versuchen, vieles zu machen.

Wir haben zum Beispiel auch noch den "Camino Incluso", der führt von Bensheim nach Heidelberg. Das war ein Projekt einer Stephen Hawking-Schule, also ein Projekt von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung. Also, da tut sich wirklich einiges auf diesem Gebiet.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR