Experten debattierten Verhältnis von Politik und Islam

Fortschritte und ungelöste Probleme

Nach Jahrzehnten, in denen die Muslime in Deutschland überhaupt nicht wahrgenommen wurden, ist der Islam-Dialog endlich in Gang gekommen - ein Ergebnis, der Tagung "Zum Verhältnis von Politik und Islam in Deutschland" in Münster.

 (DR)

Der ägyptischstämmige Wael El-Gayar vom nordrhein-westfälischen Integrationsministerium macht seinem Herzen Luft: "Wir haben den Moschee-Gemeinden in Duisburg und Köln Vorschläge wegen der Erteilung von Religionsunterricht gemacht -und das ist von den großen Verbänden unterlaufen worden." Es gebe nun einmal juristisch-formale Mindestanforderungen, die jede Organisation erfüllen müsse. "Ich bin mit meinem Latein am Ende", so El-Gayar. Die muslimischen Verbände hätten immer wieder die Schaffung von Geschäftsordnungen und Satzungen versprochen, die Zusagen aber nicht gehalten. "Der Staat kann für sie Strukturen schaffen, aber er kann ihnen nicht hinterherrennen", meint er resignierend.

Viele Aspekte der aktuellen Debatte über den Islam kamen bei der am Freitag beendeten Tagung "Zum Verhältnis von Politik und Islam in Deutschland" des Forschungsverbundes "Religion und Politik" in Münster zur Sprache. Dabei wurde deutlich: Nach Jahrzehnten, in denen die Muslime in Deutschland überhaupt nicht wahrgenommen wurden, ist der Islam-Dialog endlich in Gang gekommen. "Wir haben in Nordrhein-Westfalen die Schienen gelegt, auf denen wir in der nächsten Legislaturperiode fahren können", unterstrich El-Gayar.

Zugleich aber wurde genauso deutlich, dass längst nicht alle Probleme gelöst sind. "Die Imam-Ausbildung ist nicht so wichtig, aber wir brauchen eine islamische Theologie an den deutschen Universitäten", forderte der Ministeriumsvertreter. "Und wir müssen uns fragen, ob wir das Staatskirchenrecht nicht öffnen und in ein Religions-Verfassungsrecht umwandeln müssen."

"Der Islam wird immer mit Fragen der Sicherheit verknüpft"
Die Bochumer Soziologin Kerstin Rosenow und der Münsteraner Politikwissenschaftler Matthias Kortmann bestätigten, dass sich die Kooperationsbemühungen zwischen Politik und Verbänden verstärkt hätten. Zugleich aber müssten beide Seiten sich weiterentwickeln. Den Staat forderte Rosenow auf, mehr Geduld zu haben und mehr unabhängige Moschee-Gemeinden mit ins Boot zu holen. "Bedauerlicherweise wird der Islam nämlich immer mit Fragen der Sicherheit verknüpft", so Rosenow.

Heftige Vorwürfe an die Adresse der deutschen Poltik und Öffentlichkeit richtete Levent Tezcan, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Nach Ansicht von Tezcan wird der Islam in der aktuellen Debatte als "quasi-rassische Größe" behandelt. Das aber werde der religiösen Vielfalt und der unterschiedlichen ethnischen Herkunft der Muslime in Deutschland nicht gerecht, so der Experte, der auch an der Deutschen Islamkonferenz teilgenommen hatte. Zudem sei es letztlich unmöglich festzustellen, ob die Loyalität eines Muslim eher dem Koran oder dem Grundgesetz gelte.

Zu der zentralen Frage, wie repräsentativ die muslimischen Gesprächspartner des Staates sind, meinte die Bochumer Religionswissenschaftlerin Raida Chbib: In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel aller deutschen Muslime lebten, würden immerhin 80 Prozent der Moschee-Gemeinden und 93 Prozent der religiös Engagierten vom Koordinierungsrat der Muslime (KRM) repräsentiert.
"Es sieht so aus, als wenn der Islam in Deutschland langsam zusammenfände - als Einheit in der Vielfalt", so Chbib.