Der christlich-islamische Austausch entwickelt sich weite

Von der Fürsprache zum partnerschaftlichen Dialog

 (DR)

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Von Andreas Gorzewski (epd) =

Stuttgart (epd). Was vor 45 Jahren möglich war, ist heute kaum
vorstellbar: Muslime beteten im Seitenschiff des Kölner Doms. Seitdem hat sich vieles geändert, sagt Thomas Lemmen, Islam-Referent im Erzbistum Köln. Anfangs traten die Christen demnach noch als Fürsprecher der Muslime auf. Mittlerweile vertreten die Moscheevereine selbst ihre Interessen, erklärt Lemmen bei einer Tagung in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zugleich seien mit der gewachsenen Bedeutung des Islam auch Vorbehalte gegen das Miteinander der Religionen deutlicher geworden.

   Einige evangelische und katholische Verlautbarungen der letzten Jahre betonen die Grenzen des interreligiösen Austauschs. Oft werde mehr auf das geschaut, was miteinander nicht möglich sei, als auf das durchaus Machbare, sagt Lemmen dazu. Ungeachtet dieser Entwicklung führt die Etablierung des Islam dazu, dass sich immer mehr Christen und Muslime als gleichrangige Partner gegenüber sitzen. Bundesweit zählt der Koordinierungsrat des Christlich-Islamischen Dialogs (KCID) derzeit 170 Initiativen.

   Auf Augenhöhe finde der Austausch zwischen Christen und Muslimen in Esslingen statt, erzählt der katholische Bildungsreferent Adalbert Kuhn. Dabei hapere es aber zuweilen noch an der Verlässlichkeit und Kontinuität. So sei der türkische Imam abberufen wurde, als er gerade Deutsch konnte. Die ehrenamtlichen Moscheevorstände fielen wegen beruflicher Verpflichtungen immer wieder für gemeinsame Veranstaltungen aus. An die nötige Improvisation musste sich Kuhn erst gewöhnen: «Da bin ich an meine kulturellen Grenzen gestoßen.
Aber es geht immer - nur eben anders.»

   Um das Fehlen kompetenter und dauerhaft engagierter Vertreter in vielen Moscheegemeinden weiß auch Abdelmalik Hibaoui. Er arbeitete lange als Imam in Stuttgart. Einige Muslime stünden dem Dialog skeptisch gegenüber, weil sie Mission fürchteten. Außerdem sind laut Hibaoui in vielen Moscheen konservative Ansichten verbreitet, die sich aus lokalen Traditionen, aber nicht aus dem Koran ableiten. Um diese althergebrachten Traditionen in Frage zu stellen, seien in Deutschland ausgebildete Imame nötig.

   Unabhängig von den Moscheen bringen Önder Cifci und Hasan Dagdelen in Reutlingen die Glaubensgemeinschaften zusammen. Mit ihrem Verein Süddialog wollen sie auch solche Muslime erreichen, die sonst nicht zu Diskussionsrunden kommen. Dazu hilft laut Dagdelen die persönliche Einladung. Plakatwerbung für einen Vortrag bringe wenig. Wirksamer sei die direkte Ansprache oder eine SMS.

   Der Austausch zwischen Christen und Muslimen ist vielschichtig geworden. Neben dem theologischen Gespräch steht die gemeinsame Bewältigung des Alltags im Vordergrund. Interreligiöse und interkulturelle Gruppen suchen vielerorts nach Lösungen für Probleme bei Erziehung, Schule oder Beruf. Dabei gibt es auch Rückschläge, wie Teilnehmer in Stuttgart berichten. Nicht immer sei es möglich oder sinnvoll, im Gespräch miteinander zu bleiben.

   Dennoch ist das Engagement gläubiger Menschen nach Einschätzung von Lemmen wichtig, weil es zur Versachlichung von Debatten beitrage.
Ein Christ könne eine Moschee als Stätte der Verehrung für Gott ansehen. Dies schaffe einen anderen Blickwinkel als aufgeregte Debatten über Moscheebauten als vermeintliche Bedrohung. Allerdings sollte das Gespräch zwischen den Religionen nicht an einem gesellschaftlichen Nutzen gemessen werden, warnt Lemmen. Der interreligiöse Dialog dürfe nicht zum Instrument der Integrations- oder Sicherheitspolitik reduziert werden.