Experte sieht Christen in Syrien misstrauisch

Wohin entwickelt sich Syrien?

Viele Christen in Syrien beobachten die politische Entwicklung im Land nach Einschätzung eines Experten mit Sorge. Die islamistische Regierung beteuerte, sie werde die Rechte von Minderheiten schützen. Doch es kam bereits zu Gewalt.

Eine stark beschädigte Moschee steht neben Gebäuden, die während des Bürgerkriegs im Viertel Al-Asali in Damaskus völlig zerstört wurden. / © Leo Correa/AP/dpa (dpa)
Eine stark beschädigte Moschee steht neben Gebäuden, die während des Bürgerkriegs im Viertel Al-Asali in Damaskus völlig zerstört wurden. / © Leo Correa/AP/dpa ( dpa )

"Die Massaker der islamistischen HTS-Miliz in der Küstenregion wurden als Zeichen gesehen, dass man als Minderheit auf der Hut sein muss", sagte der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung im Libanon, Michael Bauer, bei einem Pressegespräch am Mittwoch. Anders als andere Minderheiten wie Drusen oder Kurden seien die Christen auch in einer schwächeren Position, weil sie kein eigenes Territorium in Syrien kontrollierten oder über eigene bewaffnete Kräfte verfügten.

Bauer hatte sich jüngst zu einem Arbeitsbesuch in der syrischen Hauptstadt Damaskus aufgehalten und war dabei auch mit christlichen Vertretern zusammengetroffen. Diese hätten den Siegeszug der Islamisten und den Sturz des Assad-Regimes im Dezember zunächst mit Sorge gesehen; teils seien Christen vor den Islamisten in den Libanon geflohen. "Doch dann herrschte Überraschung, wie unblutig der Vormarsch und der Machtwechsel vonstatten gingen." Seit dem Massaker an Hunderten Alawiten in März, die als Unterstützer Assads galten, sei das Misstrauen in der christlichen Gemeinschaft wieder gewachsen.

Christen wollen kein isoliertes Syrien

Zugleich habe er bei seinen Gesprächen in Damaskus aber auch die Antwort erhalten, Christen hätten kein Interesse daran, dass Syrien wegen seiner islamistischen Regierung international isoliert werde. Denn dies schade der wirtschaftlichen Erholung und betreffe dann auch die Lebensumstände der religiösen Minderheit. Ohnehin seien die Hoffnungen der Menschen in Syrien auf eine rasche ökonomische Verbesserung in dem von Bürgerkrieg und Wirtschaftssanktionen schwer getroffenen Land inzwischen enttäuscht worden, so Bauer.

Der Leiter der Abteilung Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung, Thomas Volk, zeigte sich bei dem Gespräch am Mittwoch skeptisch, inwieweit die Regierung unter HTS-Chef und Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa tatsächlich eine pluralistische und gleichberechtigte Gesellschaft anstrebt. Zwar habe dieser Ende März mit Hind Kabawat eine Christin zur Sozial- und Arbeitsministerin ernannt. Dennoch seien die Islamisten weiterhin "mit Vorsicht zu genießen".

Christen in Syrien

Syrien gilt als Wiege des Christentums. Vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg waren laut Daten der Linzer "Initiative Christlicher Orient" etwa 7 Prozent der damals 21 Millionen Syrer christlich. Aktuelle Zahlen sind schwer zu ermitteln, auch weil mindestens 5,5 Millionen Syrerinnen und Syrer aus dem Land geflohen sind. Nach verschiedenen Schätzungen soll es noch maximal 500.000 Christen in Syrien geben. Rund drei Viertel der Syrer sind sunnitische Muslime, etwa 12 Prozent gehörten vor dem Krieg der Sekte der Alawiten an, darunter auch der nun gestürzte Assad-Clan. 

Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld (KNA)
Außenansicht der Kirche Sankt Georg in Izra (Syrien) / © Karin Leukefeld ( KNA )
Quelle:
KNA