Kirche steht in Spanien nicht für ranzig, sondern für vertrauenswürdig. Ähnlich wie in den USA gibt es weniger Angst und Argwohn vor Sekten oder religiösen Extremen als zum Beispiel in Deutschland. So beeinflusst der Opus Dei, der bei uns eher kritisiert wird und für die normale Bevölkerung nur eine Randerscheinung ist, in Spanien unbehelligt in der unternehmerischen Ausbildung der Spanier. Die Prälatur kontrolliert einer der bedeutendsten Businessschulen der Welt: die IESE - unter anderem mit einer Zweigstelle in München. Die Jesuiten schufen das Gegenstück: die Esade, die ebenfalls oben im Ranking der besten Ausbildungsstätten für Manager steht.

Während in Deutschland die christliche Lehre nicht als offensichtliches Aushängeschild gilt, um keine Kulturen zu vergraulen, werben viele spanische Unternehmen ganz offen mit ihrer "christlichen Führung". Denn trotz der immer noch ungeklärten Missbrauchsfälle im Umfeld und Rahmen der spanischen Kirche und erzkonservativer Bewegungen wie dem Opus Dei oder den Legionären Christi bleibt die Kirche ein Pfeiler der Gesellschaft, wovon die Firmen profitieren wollen – auch für Marketingzwecke: egal, ob Investmentunternehmen, Immobilien-Makler oder private Schulen.
Spanische Unternehmer und der Glaube
"Wer in Spanien behauptet, dass die Kirche keinen Einfluss hat, der lügt", sagt deswegen die Spanischlehrerin Concha Fernández und auch die Mexikanerin Patricia Alvarado, die viele Jahre als Korrespondentin für Televisa gearbeitet hat, glaubt: "Glaube ist in Spanien immer noch ein Türöffner für viele Geschäfte".
Der spanische Textilunternehmer Álvaro Moreno, der eine gleichnamige Modemarke kreiert hat, macht keinen Hehl daraus, wie wichtig ihm sein Glaube ist und dankt Jesus und Gott bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit für seinen Erfolg, so auch bei der Eröffnung seines 71. Geschäftes in Madrid. Ein Pfarrer segnete es vor laufender Kamera, was in Deutschland wahrscheinlich undenkbar wäre. Großfamilien bekommen bei Moreno zudem zehn Prozent Rabatt.

Furcht vor dem gesellschaftlichen Rückschritt
Und dann gibt es viele Kanzleien, die klar religiösen Bewegungen nahestehen und ebenfalls überall mit Priestern auftreten. Cremades & Calvo Sotelo wird zum Beispiel dem Opus Deí zugeordnet. Der Chef, Javier Cremades, ist einer der einflussreichsten Rechtsanwälte des Landes mit sehr vielen Verbindungen in Politik und Wirtschaft. Er steht der rechtsextremen spanischen Partei VOX nahe. Cremades gibt auch offen zu, dass er dem Opus angehört und hält die Vermittlung von christlichen Werten in der Wirtschaft für sehr wichtig. Bei von ihm organisierten Treffen der spanischen Unternehmenselite sind Geistliche anwesend und beim Essen wird gebetet.
Einigen in Spanien macht so viel Einfluss Angst, weil sie damit gesellschaftlichen Rückschritt verbinden, vor allem bei Frauenrechten. Anderen macht es Hoffnung, dass nicht das Recht des Stärkeren überhandnimmt. Die gläubigen lateinamerikanischen Einwanderer folgen dem Trend. So gibt es den Madrider Immobilienmakler, der sich nach der von den Mexikanern verehrten Jungfrau "Virgen de Guadalupe" nennt und damit wirbt, dass das Büro wegen seiner christlichen Wurzeln nur zwei statt der üblichen drei Prozent Provision bei der Vermittlung kassiert und grundsätzlich ehrlicher sei.
Opus Dei und Jesuiten ziehen die Fäden
Dieser unternehmerische Glaube ist nicht nur in der Hauptstadt oder im traditionelleren Andalusien verwurzelt, wo auch der Modeunternehmer Moreno herkommt, sondern auch in den nordspanischen Industriestandorten wie Navarra, Katalonien und dem Baskenland, wo besonders der Opus Dei und die Jesuiten bei Genossenschaften, Banken und Unternehmen im Hintergrund die Fäden ziehen.
Und dann gibt es Investmentfirmen wie "Altum Faithful Investing", die ihre "christlichen Geschäfte" in Spanien mit den Glaubensbrüdern in den USA verbinden, wo Kirche, Politik und Wirtschaft noch viel offensichtlicher miteinander gemischt werden und Glaube sogar auf dem Dollarschein verewigt wird. "Unser Ziel besteht darin, Anlagelösungen anzubieten und dabei ein solides und stabiles Vermögenswachstum bei minimalen Kosten anzustreben. Zudem wenden wir bei jeder einzelnen unserer Anlageentscheidungen katholische Grundsätze an", wirbt Altum auf seiner Webseite.
Was bedeutet es, eine christliche Führungskraft zu sein?
Lobbys, die versuchen, die Interessen des Klerus in den Firmen zu etablieren, gibt es in Spanien inzwischen etliche. Die Vereinigung christlicher Führungskräfte (Líderes Empresariales Cristianos) strebt zum Beispiel "eine Umgestaltung des Geschäftsumfelds auf der Grundlage der Grundsätze des Königreichs Gottes an, und zwar durch das Leben und die Beispiele christlicher Unternehmer und Fachleute, die sich ihrer Berufung verpflichtet fühlen und ihr treu bleiben."
Die Acción Social Empresarial (ASE) wirbt dagegen auf ihrer Seite damit, dass sie christliche Werte in der Wirtschaft vermitteln will und deswegen auch Verbindungen in die USA pflegt. Im Januar organisierte die in South Carolina ansässige katholische Wirtschaftsorganisation "His Way at Work" deswegen ein Zacchaeus Retreat in Spanien. Es soll nach einigen Aussagen den Teilnehmern helfen, "Gott in den Mittelpunkt" ihrer Arbeit und unternehmerischen Initiativen zu stellen. Auch hier wirken die religiösen Verbindungen nach Lateinamerika, wo aufgrund der Armutssituation der Glaube noch viel stärker verwurzelt ist.
Für den Modeunternehmer Moreno bedeutet christliches unternehmerisches Handeln, sich für die in der Gesellschaft zu engagieren, die diskriminiert werden. Er kümmert sich vor allem um Menschen mit Downsyndrom und stellte sie auch in seinen Läden ein. Sie trügen mit ihrer "Freude und ihrer Arbeit, indem sie die Kunden hervorragend und mit großer Sorgfalt bedienen", "einen enormen Beitrag" zum Unternehmen. "Sie sind pure Liebe", erklärte der Geschäftsmann gegenüber der spanischen Internetzeitung Hispanidad.