Ex-ZdK-Präsident bleibt bei Synodalem Weg optimistisch

"Erst durch Druck entsteht eine wirkliche Veränderung"

Thomas Sternberg war beim Start des Synodalen Wegs vor drei Jahren maßgeblich beteiligt. Im Blick auf den Prozess sieht der ehemalige ZdK-Präsident Erfolge und Grenzen und betont zugleich seine Notwendigkeit.

Thomas Sternberg (r.) im Gespräch auf der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Thomas Sternberg (r.) im Gespräch auf der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: Wenn Sie jetzt auf diese letzten drei Jahre zurückblicken, machen Sie das mit Zufriedenheit oder haben Sie mehr erwartet?

Thomas Sternberg (r.) im Gespräch auf der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Thomas Sternberg (r.) im Gespräch auf der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )

Prof. Thomas Sternberg (Ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Ich bin immer prinzipiell optimistisch geblieben, sonst hätten wir das Ganze wahrscheinlich auch gar nicht angehen können. Dieser Optimismus ist bis jetzt immer noch nicht wirklich gescheitert. Es gab viele Unkenrufe, die uns gesagt hatten, das geht sowieso alles nicht, das klappt alles nicht und das werden die Bischöfe nie mitmachen oder Ähnliches. Das hat sich als falsch erwiesen, denn der Prozess läuft sehr viel erfolgreicher, als ich das selbst gedacht hatte.

DOMRADIO.DE: Immer wieder gibt es Kritik am Synodalen Weg – von außen, aber auch von innen. Deutliche kritische Töne kamen etwa von Bischofskonferenzen anderer Länder und auch beim jüngsten Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe im Vatikan. Sorgt diese Kritik nicht für Verunsicherung, ob dieses Reformprojekt auf dem richtigen Weg ist?

Sternberg: Zuerst mal ist das ja kein allgemeines Reformprojekt, sondern es sind wichtige Dinge, die sich ergeben hatten aus der MHG-Studie über das Missbrauchsgeschehen unter Klerikern – diese Ungeheuerlichkeit. Das sollte in diesem Prozess ernsthaft angegangen werden. Dass das dann natürlich auf eine Situation traf, in der sehr viele katholische Gläubige empört sind darüber, dass über so viele Jahrzehnte Reformen liegen geblieben sind, das hat das Ganze noch mal sehr stark aufgewertet.

Man soll sich aber einmal daran erinnern: Vor drei Jahren, noch vor Beginn des Synodalen Wegs, gab es bereits einen kräftigen Querschläger von Kardinal Ouellet, der das Ganze eigentlich unterbinden wollte. Ich glaube, es zeigt sich, dass es richtig war, keine synodale Form zu verwenden, die kirchenrechtlich sanktioniert und kirchenrechtlich ordentlich dann auch die Möglichkeit gegeben hätte, so etwas zu verbieten.

Das, was jetzt hier in Deutschland passiert, das ist ein unverbindlicher Gesprächsprozess aus kirchenrechtlicher Sicht. Der Münsteraner Kirchenrechtler Schüller spricht von einem Nullum. Aber nur mit einem solchen Nullum kann man dann tatsächlich auch frei operieren. Da laufen dann selbst vorgefertigte kritische Einwände, die da in Rom vorgebracht worden sind, ins Leere. Was ganz wichtig bleibt und immer gewesen ist, ist der Brief des Papstes an die Gläubigen in Deutschland.

Prof. Thomas Sternberg (Ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken)

"Ich glaube, es lohnt sich, das zu lesen und genau wahrzunehmen, dass wir die Frage der Ordination von Frauen oder die Frage nach dem Aufheben des Zölibats nicht in Deutschland entscheiden können. Die kann man übrigens auch nicht einfach mal so in Rom entscheiden, das ist ganz klar."

DOMRADIO.DE: Aber dieser Brief, den Papst Franziskus zu Beginn des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland geschrieben hat, das war ja ein mahnender Brief. Durch den haben Sie und andere Vertreter sich bestärkt gefühlt. Von anderen wurde darin aber auch ein Warnsignal aus Rom gesehen. Ist der Brief des Papstes noch immer bestärkend? Auch nach dem Ad-limina-Besuch der Bischöfe und dem erneuten Nein des Papstes zu Frauen in Weiheämtern?

Sternberg: Aber selbstverständlich, der bleibt auch bestärkend. Ich empfehle die Lektüre dieses Briefes wirklich jedem. Er richtet sich ja gerade auch nicht an die Bischöfe, wie das normalerweise gewesen wäre, sondern der Papst schreibt an alle Gläubigen. Wenn man das dann liest, wie er da sagt, ich unterstütze euch, in dieser Zeitenwende nach mutigen Antworten zu suchen, und dann aber einschränkt und sagt, ihr seid Weltkirche, denkt daran, die Evangelisierung ist das Wichtigste, dann sagt er damit sehr wichtige Dinge.

Ich glaube, es lohnt sich, das zu lesen und genau wahrzunehmen, dass wir die Frage der Ordination von Frauen oder die Frage nach dem Aufheben des Zölibats nicht in Deutschland entscheiden können. Die kann man übrigens auch nicht einfach mal so in Rom entscheiden, das ist ganz klar. Aber ich bin doch so weit Politiker, als das ich weiß, dass es Prozesse und Entwicklungen braucht, um überhaupt Themen diskussionsfähig zu machen. Wenn ich sehe, was wir jetzt beim Synodalen Weg an Texten verabschiedet haben, den Grundtext zum Thema Frauen etwa. Wir haben die Fragen nach Homosexualität in der Kirche, wir haben wichtige Fragestellungen nach Klerikalismus. Die sind im Grunde genommen erst wirklich aufgebrochen durch diesen Synodalen Weg und sie werden jetzt international diskutiert, nicht nur in Deutschland.

Prof. Thomas Sternberg (Ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken)

"Es gibt tatsächlich ein gewisses Problem. Die Mitarbeit von Bischöfen in den vier vorbereitenden Foren, die überhaupt die Texte erarbeiten, die ist sehr unterschiedlich."

DOMRADIO.DE: Bei der letzten Synodalversammlung hat es ja mächtig Krach gegeben um den Grundlagentext zur Sexualmoral. Wegen fehlender Zweidrittelmehrheit der Bischöfe war der ja durchgefallen. Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff hatte auch dagegen gestimmt und DOMRADIO.DE gegenüber erklärt, dass er Teile des Textes sehr vernünftig fand, andere aber kritisch sah und sich die Möglichkeit zur individuellen Abstimmung über die einzelnen Grundlinien gewünscht hätte. Sehen Sie das auch so, Herr Sternberg?

Sternberg: Das Problem ist, der Zeitpunkt war eigentlich der falsche, denn wir haben ja ein System aus zwei Lesungen. Nach der ersten Lesung hätte man das im Grunde genommen alles einbringen müssen – und vor allen Dingen nach der Vorlage des Grundlagentextes. Es gibt tatsächlich ein gewisses Problem. Die Mitarbeit von Bischöfen in den vier vorbereitenden Foren, die überhaupt die Texte erarbeiten, die ist sehr unterschiedlich. Es gibt einige, die sich gewaltig engagieren und sich sehr stark einbringen. Aber es gibt auch einige, die im Grunde genommen nach dem Prinzip arbeiten: Bereite da einmal was vor und dann überlege ich, ob ich zustimme oder ablehne. Nein, so geht das natürlich nicht. Man muss das dann im Verfahren auch mit Kommentaren und mit Kritik in der Vorbereitung schon machen.

Auf der anderen Seite bin ich auch gegen eine Dämonisierung dieses Donnerstagabends und dieses einen Textes. Zum einen haben wir auch bei der vierten Versammlung wieder wichtigste Texte mit sehr hohen Mehrheiten durchgekriegt – etwa am nächsten und übernächsten Tag. Auch bei diesem Grundlagentext zur Sexualmoral hat es ja immerhin 61 Prozent Zustimmung der Bischöfe gegeben. Da fehlten mal gerade vier Bischöfe. Zudem fehlten elf Bischöfe überhaupt bei der Versammlung, was auch ein gewisses Problem war. Das heißt, ich will es nicht verharmlosen, aber ich will es auch nicht dramatisieren. Wenn man sich auf einen synodalen Prozess einlässt, muss man auch damit rechnen, dass man mal nicht gewinnt.

Prof. Thomas Sternberg (Ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken)

Dann gibt es eine Kategorie, die verlangt die Zustimmung der Weltkirche, das heißt, das ist in dem Stichwort Rom abgehandelt. Und dann gibt es Themen, die werden wahrscheinlich in einem Konzil beschlossen und beraten werden müssen.

DOMRADIO.DE: Die nächste Synodalversammlung steht im kommenden März an und sie wird wohl auch vorerst die letzte sein. Was soll da am Ende rauskommen? So ein Reformkatalog, den man nach Rom trägt und der da abgeschmettert wird?

Sternberg: Wir haben immer gesagt, es gibt drei verschiedene Kategorien von Beschlüssen, die gefällt werden. Die erste Kategorie von Beschlüssen sind diejenigen, die in Deutschland umgesetzt werden können. Die müssen kirchenrechtlich allerdings von dem jeweiligen Bischof in Kraft gesetzt werden. Diese Beschlüsse, die sich auf Deutschland beziehen, sind übrigens gar nicht so wenige. Wir haben zu allen Bereichen eine ganze Reihe von Beschlussvorlagen und Beschlussmöglichkeiten, die sich hier in Deutschland umsetzen lassen.

Dann gibt es eine Kategorie, die verlangt die Zustimmung der Weltkirche, das heißt, das ist in dem Stichwort Rom abgehandelt. Und dann gibt es Themen, die werden wahrscheinlich in einem Konzil beschlossen und beraten werden müssen. Die Frage nach der Priesterweihe von Frauen ist keine Frage, die man mal eben so erledigt. Aber sie muss diskutiert werden, sie muss dringend auf den Tisch. Wir dürfen auf keinen Fall die Debatten darüber vermeiden.

Meines Erachtens nach ist es auch ein großer Irrtum, wenn geglaubt wird, der Synodale Weg würde beschließen, dass Frauen zu Priestern geweiht werden sollen. Wenn sie die Texte lesen, dann steht da was ganz anders drin. Aber die Diskussion muss geführt werden. Wir müssen darüber sprechen, und wir müssen Forderungen stellen. Erst durch Druck entsteht eine wirkliche Veränderung.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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