Ex-Präsident Aristide ist wieder in Haiti

"Das Volk fordert meine Rückkehr"

Am Sonntag ist Stichwahl: Haiti bestimmt seinen künftigen Präsidenten. Ein vergangener ist derweil in seine Heimat zurückgekehrt. Mehr als sechs Jahre hatte Jean-Bertrand Aristide im Exil in Südafrika verbracht. Nun sieht der einstige Priester und erste frei gewählte Präsident Haitis seine Stunde gekommen.

Autor/in:
Albert Steuer
 (DR)

"Das Volk von Haiti hat nicht aufgehört, meine Rückkehr zu fordern", glaubt der 57-Jährige. Bereits am Freitagmorgen (Ortszeit) wurde er auf dem Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince zurückerwartet: schon der zweite Ex-Autokrat nach Jean-Claude "Baby Doc" Duvalier (59), der das politische Chaos in seiner Heimat Mitte Januar zur Rückkehr nutzte. Vermeintlich nutzte - denn dort wurde er umgehend verhaftet.



Die USA und Frankreich warnten Aristide noch, nicht vor der am Sonntag stattfindenden zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen zurückzukehren - vergeblich. Der einstige Salesianer und Armenpriester, der dann als Präsident so viel Gefallen an der Macht fand, gibt sich bescheiden: Als "einfacher Bürger" wolle er im Bildungssektor seinen "Schwestern und Brüdern" nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe vor einem Jahr dienen.



Einst Hoffnungsidol

1990 war Aristide das Hoffnungsidol des Acht-Millionen Volkes. Als er im Februar 2004 - auch unter Druck der USA - ins Exil gehen musste, war er für die Opposition und die Mehrheit der Bevölkerung die "Wurzel des Chaos". Vor allem am Ende seiner Amtszeit wurden ihm Missmanagement, Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Lange Zeit hatte die Kirche in Haiti zu dem laisierten Priester gehalten. Der 1. Januar 2004 signalisierte dann aber, dass er auch hier den Rückhalt verspielt hatte: Als Aristide zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit von Frankreich nach Le Gonaives kam, wo 1804 die Republik ausgerufen wurde, blieb die Kathedrale geschlossen. Der dortige Bischof weigerte sich, den Staatsakt kirchlich zu begleiten.



Aristide, am 15. Juli 1953 als Sohn einer Bauernfamilie in Port Salut im Süden Haitis geboren, besuchte in Port-au-Prince die Schulen der Salesianer. Er studierte Philosophie und Psychologie, dann auch Theologie. Nach weiteren Studien im Ausland (Kanada, England, Italien, Israel) promovierte er in Theologie und trat in den Salesianerorden ein. Bischof Willy Romelus von Jeremie, heute 80 Jahre alt und damals einer schärfsten Kritiker des Duvalier-Clans, weihte ihn 1983 zum Priester.



Der Orden setzte Aristide in den Armenvierteln der Hauptstadt ein - und seine Erlebnisse dort ließen ihn aufbegehren gegen die Duvaliers. Er prangerte die Herrschenden und die Profiteure des Systems, aber auch die Rolle der USA an. Das einfache Volk nannte ihn liebe- und respektvoll "Titid" - kleiner Aristide. Mit seiner Kritik traf er aber auch jene - auch in der Kirche -, die sich mit den Duvaliers arrangierten. Er wurde zum Befreiungstheologen und zur Identifikationsfigur der "tiz legliz" (kleine Kirche), die mit den Ausgebeuteten lebt.



Und dann Militärdiktatur

Der Sturz der seit den 30er Jahren herrschenden Duvaliers, zu dem auch Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1983 ermutigt hatte, mündete 1986 in eine Militärdiktatur. Nach immer neuen internen Konflikten schlossen die Salesianer Aristide 1988 aus ihrem Orden aus. Der engagierte sich weiter in der Demokratiebewegung und ließ sich 1990 von einem linken Parteienbündnis als Präsidentschaftskandidat aufstellen. Er gewann klar mit 63 Prozent und versprach den Haitianern Demokratie und Gerechtigkeit. Doch nach nur sieben Monaten putschte ihn das Militär 1991 wieder aus dem Amt.



Aristide ging nach Venezuela und in die USA ins Exil. Mit einer Militärintervention brachte ihn Washington 1994 ins Präsidentenamt zurück. Politisch blieb er erfolglos, doch an der Macht fand er Gefallen. Die Verfassung verbietet eine zweite Amtszeit in Folge, und so wurde sein Gefolgsmann Rene Garcia Preval Präsident, während Aristide sein politisches Comeback vorbereitete. Seine Partei "Lavalas" (Sturmflut) wurde zum allgegenwärtigen Machtfaktor. Erste Berichte über Menschenrechtsverstöße wurden bekannt. Vom Vatikan relativ zügig laisiert, heiratete Aristide 1996 eine haitianisch-amerikanische Anwältin, seine Beraterin im Exil. Bischof Romelus traute das Paar.



Macht hat ihn hart werden lassen

Im Jahr 2000 brachte "Lavalas" Aristide wieder ins Präsidentenamt. Die Opposition, gegen die Aristide seine bewaffnete "Chimären" brutal vorgehen ließ, akzeptierte das Wahlresultat nicht. Viele seiner Anhänger wandten sich von ihm ab. Aristide, der mehrere Mordanschläge überlebte, wollte nicht einsehen, dass er selbst Teil der Probleme seines Landes geworden war. Um seine Position zu halten, spielte er auch die religiöse Karte. Dem Volk kam er 2003 entgegen, indem er den Voodoo-Kult mit dem Katholizismus gleichstellte.



Das Erleben der Macht hatte Aristide hart werden lassen. Bisweilen ließ er erkennen, dass ihn Gewalt fasziniere. Als vermeintliches "Sprachrohr Gottes" litt er an gefährlicher Selbstüberschätzung. Längst nannte ihn das Volk "Aristide II": Der Präsident aus dem Volk hatte "abgehoben". Wenn er zur Stunde aus Johannesburg Richtung Port-au-Prince abgehoben hat, wird das die Haitianer nicht ruhiger machen.