Ex-Gesundheitsministerin Fischer zum Volksbegehren "Pro Reli"

"Eine gute Alternative zum Ethikunterricht"

Die frühere grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer unterstützt das laufende Berliner Volksbegehren "Pro Reli". Der Religionsunterricht sei eine gute Alternative zum staatlichen Ethikfach, sagte Fischer am Mittwoch in Berlin in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bislang hat der Unterricht der Kirchen in Berlin faktisch den Rang einer zusätzlichen Arbeitsgemeinschaft.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

KNA: Frau Fischer, was haben Sie aus Ihrem eigenen Religionsunterricht mitgenommen?
Fischer: Ich habe als Kind ganz klassischen Religionsunterricht bekommen. Mir wurde dort erklärt, worum es in meinem Glauben ging, zudem wurden Geschichten aus der Bibel erzählt. Vor allem aus der Oberstufe habe ich den Religionsunterricht als eine sehr positive Erfahrung in Erinnerung, weil wir dort anregend diskutiert haben, auch über den Glauben anderer Religionen. Auch mit Texten von atheistischen Philosophen haben wir uns beschäftigt. Das ist der Grund, warum ich insgesamt eine positive Haltung zum Religionsunterricht habe.

KNA: Warum unterstützen Sie das Volksbegehren?
Fischer: Zunächst sicher aus der Überzeugung meiner eigenen positiven Erfahrung heraus. Generell gesprochen: Für mich macht es Sinn, dass Auseinandersetzungen mit der eigenen und mit anderen Religionen auf der Grundlage eines eigenen Bekenntnisses stattfinden. Ein Unterricht in konfessioneller Trägerschaft gibt gar nicht erst vor, das neutral machen zu können. Deswegen halte ich auch in den höheren Schulstufen Religionsunterricht für eine gute Alternative zum Ethikunterricht.

KNA: Die Gegner einer solcher Wahlfreiheit betonen, eine große Chance der Schüler liege darin, gemeinsam in der Klasse über Werte, aber auch über den eigenen Glauben zu sprechen. Wie sehen Sie das?
Fischer: Das muss kein Gegensatz sein. Wenn ich für einen Religionsunterricht plädiere, heißt das ja nicht, dass es nicht zusätzlich andere sinnvolle Formen geben kann, wie die verschiedenen Religionen miteinander diskutieren und sich austauschen. Auch die Vertreter von «Pro Reli» streben gemeinsame Unterrichtseinheiten mit Schülern des Ethikunterrichts an. Durch eine Gleichrangigkeit von
Religions- und Ethikunterricht wird meiner Ansicht nach deswegen auch nicht der Austausch zwischen den Religionen behindert. Den Großteil der Zeit verbringen die Schüler ohnehin zusammen.

KNA: Die Berliner Grünen unterstützen das Volksbegehren nicht.
Kommen Sie darüber mit Ihren Parteifreunden ins Gespräch?
Fischer: Seit meinem Rückzug aus der Tagespolitik gibt es da derzeit eher wenig Berührungspunkte. Aus meiner Beobachtung heraus kann ich sagen, dass die Mehrheit der Berliner Grünen vor allem das Interesse hat, in diesem Punkt weltanschauliche Neutralität zu wahren. Trotzdem gibt es natürlich auch in der Landespartei Menschen, die in ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft aktiv sind.

KNA: Befürworter des Volksbegehrens werfen SPD, Linkspartei und den Grünen eine ideologische Sicht auf den Religionsunterricht vor. Wie stehen Sie zu der Kritik?
Fischer: Ich würde das nicht so formulieren. Aber es gibt in Berlins politischer Szene die Meinung, dass man als Befürworter eines Religionsunterrichts auch einen quasi ausgrenzenden missionarischen Charakter unterstützt. Diese Unterstellung finde ich unangemessen. Auch in Berlin stünde es allen gut an, für einen gleichrangigen Ethik- und Religionsunterricht einzutreten.

In den Bundesländern, in denen das praktiziert wird, führt das ja nicht zu einer mangelhaften Toleranz, sondern es bietet sogar die Möglichkeit, Religionsunterricht in der Schule der staatlichen Aufsicht zu unterstellen. Vor allem, was den islamischen Religionsunterricht betrifft, bleibt das in Berlin bei dem derzeitigen Modell ein ungelöstes Problem.

KNA: Wie beurteilen Sie die bundespolitische Bedeutung des Volksbegehrens?
Fischer: Sicher wird das Verfahren von denjenigen, die in diesem Bereich engagiert sind, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. In den meisten anderen Bundesländern ist das aber meiner Ansicht nach kein Thema. In der Regel gibt es die Möglichkeit, zwischen Religions- und Ethikunterricht zu wählen. Deshalb werden dort die Debatten anders oder gar nicht geführt. Berlin ist ein Sonderfall. Von daher glaube ich nicht, dass Berlin bei einem Scheitern des Volksbegehren beispielgebend für andere Bundesländer wäre.