Evangelischer Friedensbeauftragter hofft auf Verhandlungen

Panzerlieferungen als Eskalation?

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Friedrich Kramer, wünscht sich eine aktivere Rolle der Vereinten Nationen im Ukrainekrieg und hofft auf einen neuen Friedensprozess.

Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland / © Peter Gercke (dpa)
Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland / © Peter Gercke ( dpa )

Es brauche dringend eine neutrale Institution, die einen Friedensprozess anschieben könne, sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst.

Dass selbst in dieser Zeit Gespräche zwischen beiden Kriegsparteien zu Erfolgen führen könnten, bewiesen das von der Türkei vermittelte Getreideabkommen oder der regelmäßige Austausch von Kriegsgefangenen.

Eskaliert Deutschland den Konflikt?

Deutschland falle für eine Vermittlerrolle aus, nachdem sich die Bundesregierung zur Lieferung von Kampfpanzern entschieden habe. Diese Panzerlieferungen der europäischen Staaten und der USA würden eine Eskalation des militärischen Konflikts bedeuten, sagte Kramer.

Soldaten stehen vor einem Leopard-2-Panzer der Bundeswehr / © Michael Kappeler (dpa)
Soldaten stehen vor einem Leopard-2-Panzer der Bundeswehr / © Michael Kappeler ( dpa )

Schon werde der Ruf nach weiteren Waffensystemen laut. Dabei würden selbst die Lieferstaaten inzwischen immer deutlicher erkennen, dass die Lieferungen allein den Konflikt nicht lösen werden.

Unklares Kriegsziel

"Das zeigt sich auch daran, dass die Kriegsziele zur Begründung der militärischen Hilfe immer wieder wechseln", sagte Kramer. Mal dürfe die Ukraine nicht verlieren, dann solle sie ihr gesamtes Territorium befreien, nun werde erwartet, dass die Kampfpanzer die russischen Offensiven abwehren können.

Ein Getreidefrachter in einem Hafen in der westlichen Ukraine wird mit Getreide beladen / © Celestino Arce Lavin/ZUMA Press Wire (dpa)
Ein Getreidefrachter in einem Hafen in der westlichen Ukraine wird mit Getreide beladen / © Celestino Arce Lavin/ZUMA Press Wire ( dpa )

Kramer forderte alle Parteien auf, das Leiden der Menschen stärker in den Blick zu nehmen. In der Ukraine spiele sich entsetzliches Leid ab. Die russische Gesellschaft gerate immer tiefer in den Griff eines totalitären Polizeistaats.

Bundesregierung: Russland will keine Frieden

Die Bundesregierung hält Friedensgespräche derzeit dagegen für schwer möglich. Angesprochen auf Äußerungen des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der sich beim kürzlichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für einen "friedensorientierten Club" und Vermittlung im Ukrainekrieg ausgesprochen hatte, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin, es mangele nicht an Vermittlern.

Rettungskräfte sind nach einem russischen Drohnenangriff im Stadtzentrum von Kiew im Einsatz / © Ukrinform (dpa)
Rettungskräfte sind nach einem russischen Drohnenangriff im Stadtzentrum von Kiew im Einsatz / © Ukrinform ( dpa )

Insbesondere die russische Seite lasse aber keinerlei Anzeichen erkennen, den Angriffskrieg abzubrechen, Truppen zurückzuziehen und auf ehrliche, offene Friedensgespräche einzugehen. Stattdessen sehe man täglich Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine. "Das ist der Fakt. Da sollte man sich auch nicht blenden lassen", sagte Hebestreit.

Mehr auf die Leiden schauen

Kramer wies daraufhin, dass der Krieg zudem den Hunger in der Welt befördere, weil die Ukraine als Lebensmittellieferant im bisherigen Umfang ausfalle. Daher müssten abseits der Waffenlieferungen Wege gefunden werden, die Spirale der militärischen Eskalation über vermittelte Friedensgespräche zu durchbrechen. Das finde derzeit nicht im erforderlichen Umfang statt.

Kramer ist seit 2019 Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Im Januar vergangenen Jahres wurde er zudem EKD-Friedensbeauftragter. Dieser soll die kirchliche Friedensarbeit stärken und nach außen repräsentieren. Das Amt wurde 2008 geschaffen.

Christliche Kirchen in der Ukraine

Die kirchlichen Verhältnisse in der Ukraine sind komplex. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Zudem gibt es eine römisch-katholische Minderheit mit rund einer Million Mitgliedern sowie die mit Rom verbundene (unierte) griechisch-katholische Kirche der Ukraine.

Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny (KNA)
Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny ( KNA )