Evangelische Kirche: Aufnahme von mindestens 100.000 Flüchtlingen

Koalition der Hilfswilligen für Syrien

Als kleinen Schritt lobt die Evangelische Kirche, dass NRW mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen will. Doch "da muss mehr geschehen", fordert Präses Manfred Rekowski. Er ruft im domradio zu einer Koalition der Hilfswilligen auf.

Nächster Stopp Deutschland (dpa)
Nächster Stopp Deutschland / ( dpa )

domradio.de: NRW will mehr Syrienflüchtlinge aufnehmen. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung, Herr Präses oder nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein?

Präses Manfred Rekowski (Evangelische Kirche im Rheinland): Angesichts der humanitären Katastrophe ist jeder Schritt, der Menschen hilft, in Syrien die Situation zu verbessern, der Familien zusammenbringt, ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen würde ich es zunächst grundsätzlich uneingeschränkt begrüßen. Wir sehen eben sechs Millionen Flüchtlinge in der Region - vier Millionen in Syrien und zwei Millionen in den umliegenden Ländern. Das sind Situationen, die überhaupt nicht händelbar sind. Dass wir angesichts unserer wirtschaftlichen Kraft ein bisschen mehr Verantwortung übernehmen müssen, haben wir als evangelische Kirche immer wieder deutlich gemacht und insofern begrüße ich die Überlegung und die Entscheidung des Landtags.

domradio.de: Die wirtschaftliche Kraft wird ja oft ins Feld geführt, wenn es darum geht, die Anzahl der Aufnahmen zu begrenzen, weil es nicht leistbar wäre. Sie fordern schon länger mindestens 100.000 Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Kann das denn Deutschland überhaupt schaffen?

Präses Rekowski: Man muss sich noch einmal daran erinnern, was unser Gemeinwesen vor einigen Jahren geschafft hat. Während der Bosnienkrise sind in unser Land 320.000 Menschen gekommen und unser Land hat keinen wirtschaftlichen Kollaps erlebt, sondern wir haben das Miteinander in einer großen Kraftanstrengung geschafft. Da haben Einzelpersonen, der Staat, Kirchen, Vereine, Kommunen mitgeholfen. Wir haben in einer großen Kraftanstrengung geschafft, ein bisschen diese humanitären Katastrophe damals während der Bosnienkrise zu lindern. Wir haben auch positive Erfahrungen, die zeigen, dass damals eine Welle der Hilfsbereitschaft in unserem Land in Gang gesetzt worden ist. Insofern meine ich schon, muss man unsere Wirtschaftskraft auch so bewerten, dass wir durchaus leistungsfähig sind. Man muss den Blick auf die humanitäre Katastrophe richten, da muss mehr geschehen. Denn das ist unmenschlich und nicht verantwortlich.

Wir können nicht alle Weltprobleme lösen, das ist mir schon sehr bewusst, aber mehr als das, was bisher getan wurde, müssen wir mit Sicherheit tun.

domradio.de: Innenminister Ralf Jäger sprach von einem Gebot der Menschlichkeit, jetzt mehr Schutzsuchenden Zuflucht zu geben. Das dürfte bei Ihnen Zustimmung finden...

Präses Rekowski: Das würde ich uneingeschränkt so unterschreiben. Das ist genau die richtige Beschreibung, da sind wir gefordert. Wir sagen als Christen: Gemeinschaftsgerechtigkeit und Gemeinwohl ist nicht teilbar. Wir können das nicht auf eine Nationalität beschränken, sondern wir müssen immer im Blick behalten, wo leiden andere und da sind wir gefordert. Unabhängig davon, dass es natürlich politische Bemühung geben muss, wie wir sie ja auch im Moment in ganz kleinen Schritten erleben, um die Lösung des Konfliktes geben muss, ist aber humanitäre Hilfe in jedem Fall gefordert.

domradio.de: Der schon angesprochene Ralf Jäger spricht aber auch von der europäischen Verantwortung, ein gesamteuropäisches Aufnahmeprogramm fordert er. Bekommt er noch einmal Ihre Zustimmung?

Präses Rekowski: Das ist mit Sicherheit auch richtig. Wir wissen ja nun, unsere Außengrenzen sind nicht mehr in Aachen, sondern sie sind die Außengrenzen der EU. Wir müssen ganz anders denken, so gesehen finde ich diesen Ansatz absolut richtig, dass wir über diese Fragen auch in europäischer Perspektive nachdenken. Auch da muss es natürlich zu Lastenausgleich kommen und zu guten tragfähigen Lösungen. Ich finde, das ist die richtige Richtung.

domradio.de: Was können die Kirchen, die Gemeinden vor Ort tun? Müsste es ein gemeinsames ökumenisches Engagement für die Flüchtlinge geben?

Präses Rekowski: Es braucht da, wenn ich das einmal ein bisschen ungeschützt formulieren kann, eine große Koalition der Willigen, der hilfswilligen Menschen. Ich habe vor einigen Wochen einen Besuch in Köln gemacht, wo der Kirchenkreis überlegt, welche Gebäude er zur Verfügung stellt, die katholische Kirche tut Ähnliches und ich kenne aus Wuppertal intensive Überlegungen, wie man die Menschen, die aus Syrien hierherkommen, fördern und unterstützen kann, dass sie Perspektiven bekommen. Da müssen wir, glaube ich, viel miteinander in Gang setzen. Während der Bosnienkrise ist das ausgesprochen gut gelungen: Konfessionsübergreifend haben Menschen miteinander nach guten Lösungen gesucht und das wünsche ich mir jetzt auch.

Das Interview führte Matthias Friebe


Präses Manfred Rekowski (dpa)
Präses Manfred Rekowski / ( dpa )
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DR