EU räumt Irland nach Referendum Zeit ein

Vier Monate Bedenkzeit

Die Europäische Union will am EU-Reformvertrag festhalten und Irland nach dem gescheiterten Referendum mehr Zeit für einen Lösungsvorschlag einräumen. Das geht aus dem am Freitag vorgelegten Entwurf der Schlussfolgerungen des EU-Gipfels in Brüssel hervor.

 (DR)

Danach soll erst am 15. Oktober das weitere Vorgehen beraten werden. Zuvor hatte der irische Premier Brian Cowen die anderen 26 EU-Staats- und Regierungschefs um mehr Zeit für eine grundlegende Analyse der Ursachen gebeten. In der vergangenen Woche war der geplante EU-Vertrag von Lissabon vorerst am Nein der Iren gescheitert.

Vor Beginn der letzten Verhandlungen des Brüsseler EU-Gipfels war das Ringen um das weitere Vorgehen nach dem negativen Mehrheitsvotum der Iren gegen den EU-Reformvertrag weitergegangen.

Der slowenische Ministerpräsident und Ratsvorsitzende Janez Jansa sagte nach den Gesprächen auf dem Brüsseler EU-Gipfel am Donnerstag, es sei sicher, "dass wir keine Frist setzen, nicht für Irland und nicht für irgendjemand anderen". Die meisten Mitgliedstaaten sprachen sich dafür aus, den Ratifizierungsprozess grundsätzlich fortzusetzen.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte nach den ersten Gipfelgesprächen an, er werde im Juli nach Irland reisen, um mit den Iren über die Ablehnung des Vertrages zu diskutieren.

"Gegen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten"
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich gegen "ein Europa der zwei Geschwindigkeiten" aus. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sieht nach dem mehrheitlichen Nein zum Vertrag von Lissabon eine politische Bringschuld Irlands. CSU-Chef Erwin Huber plädierte für ein Innehalten, um einen "Nachdenkprozess" zu ermöglichen.

Schäuble betonte, er wolle die eigene Idee von einem "Kerneuropa" nicht wiederbeleben. Er und der CDU-Außenexperte Karl Lamers hätten vor 15 Jahren mit dem Begriff "Kerneuropa" nicht definieren wollen, wer dazugehöre und wer nicht. Stattdessen habe verdeutlicht werden sollen, dass einige Länder eine besondere Verantwortung wahrnehmen müssten. Irland müsse sich selbst klarwerden, wie es weitergehen solle, sagte Schäuble.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, die Iren müssten, "wenn sie im Herzen Europas bleiben wollen, uns sagen, welchen Ausweg sie sehen". Derweil müsse der Ratifizierungsprozess in den übrigen EU-Staaten fortgesetzt werden. "Das Ziel in der Union muss sein, dass wir bis Ende des Jahres in allen Ländern ratifiziert haben", sagte der luxemburgische Außenminister. Dann müsse entschieden werden, "wie wir den Iren entgegenkommen können". Zu einem erneuten irischen Referendum sehe er indes keine Alternative.

Huber fordert "Nachdenkprozess"
Im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte CSU-Chef Erwin Huber eine Denkpause für den EU-Reformprozess. Es müsse ein "Nachdenkprozess" eingelegt werden, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ein "Weiter-So" genüge nicht, sagte Huber. Die aktuelle Entwicklung müsse ernst genommen werden. Das Votum der Iren stehe offenbar für viele Bürger in Europa und sei daher ein Warnsignal, das man nicht einfach übergehen könne, sagte der CSU-Vorsitzende.

Der christdemokratische EU-Abgeordnete Elmar Brok sieht Irland nach dem negativen Referendum am Scheideweg. Falls die übrigen 26 EU-Staaten den Vertrag bis Ende des Jahres ratifizieren sollten, müsse Irland entscheiden, ob "drei Millionen Iren" den Rest der EU aufhalten wollten oder das Land sich "an diesem Spiel nicht mehr beteiligen" könne, sagte Brok dem Westdeutschen Rundfunk. Mit Blick auf die ebenfalls laut gewordenen Zweifel in Tschechien zeigte sich Brok optimistisch. "Das sind Äußerungen, die von Präsident Klaus gemacht werden", sagte Brok: "Aber der hat das nicht zu entscheiden".