EU-Bischofskommission über die Arbeitswelt von morgen

"Nachhaltig, menschenwürdig, mitbestimmt"

Die katholische Kirche will sich auf europäischer Ebene stärker für nachhaltige Arbeitsbedingungen einsetzen. Der Vorsitzende der Sozialkommission von COMECE, Antoine Herouard, will die Arbeit der Zukunft partizipativer gestalten.

Autor/in:
Franziska Broich
 (DR)

KNA: Welche Rolle sehen Sie für die Kirche bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen von morgen?

Antoine Herouard (Weihbischof in Lille und Vorsitzender der Sozialkommission von COMECE): Die Kirche muss daran erinnern, wie wichtig es für Menschen ist, eine Arbeit zu haben. Dazu gehört auch, sich für würdige Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung einzusetzen; nicht nur in den Nationalstaaten, sondern auch auf europäischer Ebene.

KNA: Was bedeutet Arbeit heute?

Herouard: In erster Linie dient sie dazu, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch Arbeit ist weit mehr als Geld. Sie hilft den Menschen, sich zu integrieren und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

KNA: Welche Herausforderungen entstehen durch die Digitalisierung?

Herouard: Durch sie verschwimmt die Grenze zwischen Beruf und Privatleben immer mehr. Zu jeder Tageszeit und auch an Feiertagen können wir für E-Mails oder Anrufe erreichbar sein. Es ist nicht mehr so klar, wann Freizeit beginnt und Arbeitszeit aufhört. Wir müssen darauf achten, bestimmte Tage oder Zeiten für das Privatleben zu reservieren. Bei einigen Menschen beansprucht die Arbeit bereits jetzt das ganze Leben.

KNA: Wird es durch die vermehrten Arbeitszeiten auch schwieriger, Ehrenamtliche zu finden?

Herouard: Menschen um die 40 Jahre sind oft stark eingespannt, durch Arbeit und auch durch Kinder. Da bleibt nicht viel Zeit übrig. Also übernehmen in vielen Gemeinden Rentner die ehrenamtliche Arbeit.

KNA: Muss auch eine andere Art von Arbeit bezahlt werden?

Herouard: Eine ganze Reihe von Arbeiten werden von der Gesellschaft nicht ausreichend anerkannt, etwa die Versorgung einer Familie, die Pflege kranker Angehöriger oder die Kindererziehung.

KNA: Ist es für junge Menschen einfacher geworden, sich in die Arbeitswelt zu integrieren?

Herouard: Nein, junge Menschen haben es heute schwerer, im System anzukommen. Oft erhalten sie nur befristete Verträge oder werden schlecht bezahlt. Das führt dazu, dass sie keine Wohnung finden oder keine Familie gründen.

KNA: In Ihrem neuen Papier (siehe Infobox) heißt es, Arbeit solle partizipativer werden. Was ist damit gemeint?

Herouard: Wir beschreiben drei Prinzipien für die Arbeit der Zukunft: Sie soll nachhaltig, menschenwürdig und mitbestimmt sein.

Mitarbeiter sollen also bei Entscheidungen des Unternehmens miteinbezogen werden und ihre Anliegen angemessen vertreten werden. In einem Land wie Deutschland gibt es oft bereits Mitarbeitervertretungen. Doch wir wollen den sozialen Dialog auf allen Ebenen neu anstoßen, damit Mitarbeiter noch besser ins Unternehmen einbezogen werden.

KNA: Sie sagen, dass sich die Kirche für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen will. Können Sie ein Beispiel nennen?

Herouard: Besonders wichtig ist uns der Sonntagsschutz. Immer mehr Menschen in der EU müssen an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Wir wollen, dass der Sonntag arbeitsfrei bleibt - nicht nur aus religiösen, sondern auch aus sozialen Gründen. Er muss ein Tag der Erholung bleiben und für Aktivitäten in der Familie reserviert bleiben. Deshalb versuchen wir etwa, bei der Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie den Sonntagsschutz mit einzubringen.


Antoine Herouard, Weihbischof in Lille und Präsident der COMECE-Kommission für soziale Angelegenheiten / © Bruno Levy (KNA)
Antoine Herouard, Weihbischof in Lille und Präsident der COMECE-Kommission für soziale Angelegenheiten / © Bruno Levy ( KNA )
Quelle:
KNA