Etruskische Vasensammlung in Vatikan-Museen wiedereröffnet

Die Lehrmeister der alten Römer

Die Sammlung erzählt die über tausendjährige Geschichte des geheimnisumwitterten Ahnenvolkes der Römer und gilt als eine der umfangreichsten und bedeutendsten dieser Art: Nach fünfjährigen Restaurierungsarbeiten ist das Gregorianisch-Etruskische Museum im Vatikan wieder vollständig für das Publikum geöffnet.

Autor/in:
Daniela Venner
 (DR)

Neben Bronzefiguren, Votivgaben und Alltagsterrakotten sind nun auch die beiden Säle mit rund 730 Keramiken griechischen, italischen und etruskischen Ursprungs aus dem sechsten bis fünften Jahrhundert vor Christus zu besichtigen.



Die bemalten Gefäße, die während der Ausgrabungsarbeiten im 19. Jahrhundert in den etruskischen Nekropolen nordwestlich von Rom gefunden wurden, zeigen Mythen, Heldentaten und Kriegsschauplätze, aber auch Szenen aus dem Alltagsleben des antiken Volkes, erklärt Maurizio Sannibale, der Verantwortliche der Sammlung bei der Wiedereröffnung. Eine Vase beispielsweise zeigt einen Ölhändler, der im Begriff ist Zeus anzurufen, damit dieser ihn reich mache. Zu den kostbarsten Stücken des Museums zählt der nach dem neapolitanischen Kunstsammler Mario Astarita benannte Astarita-Krater, eine spätkorinthische Vase aus dem Jahr 560 vor Christus. Die Vasenmalereien könne man als eine der frühsten Form der Massenkommunikation verstehen, erklärt Sannibale. Neben ihrer Bedeutung als einzelnes Kunstwerk, bilden diese Darstellungen eine wesentliche Grundlage für die heutigen Kenntnisse der Antike.



Eine der berühmtesten Amphoren, die mit der typischen schwarzfigurigen Maltechnik der Etrusker verziert ist, zeigt eine Homerische Episode, die in seinen Epen Ilias und Odyssee nicht zu finden ist: Achilleus und Ajax, beide bewaffnet gehen dem Würfelspiel nach. Der Detailreichtum der Szenen und die feinen Einzelheiten der Bekleidung sind mit jener kalligraphischen Sorgfalt ausgeführt, die die Etruskischen Vasen so einzigartig machen. So sieht man etwa auf einer Trinkschale, der sogenannten Kylix, das Nachspiel eines unrühmlichen Trinkgelages mit einem Jüngling, der mit den Exzessen des Trinkens zu kämpfen hat.



Auch im Römischen Reich tauchen etruskische Bilddarstellungen auf. In vielen Lebensbereichen lernten die Römer von den "Tusci", wie sie sie nannten, dazu. Sie übernahmen religiöse Rituale von ihnen und etruskische Wahrsager waren bei den alten Römern hoch angesehen. Die Fähigkeit, aus einer Tierleber oder aus dem Vogelflug Anhaltspunkte für bevorstehende Ereignisse abzulesen, wurde als "Geheimwissenschaft" von Generation zu Generation weitergegeben.



Römer erweisen ihren Lehrmeistern Respekt

Vieles, was als typisch römisch gilt, ist in Wirklichkeit etruskischen Ursprungs. Beispielsweise sollen die Gladiatorenspiele, das Gewand der Toga und die Triumphzüge der siegreichen römischen Feldherren ihren Ursprung in der etruskischen Tradition haben. Selbst Kenntnisse der Medizin, der Astronomie oder der Architektur, etwa die Entwicklung des Tonnengewölbes und der Bau von festen Straßenanlagen haben die Römer diesen Vorfahren zu verdanken. Auch die den römischen Ingenieuren zugeschriebene Erfindung der Kanalisationsanlagen ist auf das antike Volk der Etrusker zurückzuführen.



Dass die Römer ihren Lehrmeister durchaus Respekt erwiesen, zeigt sich in der Pflege des etruskischen Erbes in der italienischen Hauptstadt. Neben dem von Papst Gregor XVI. 1837 gegründeten Etruskischen Museums im Vatikan befindet sich im Norden Roms die Villa Giulia. Die einstige Sommerresidenz von Papst Julius III. beherbergt seit 1889 das Nationale Museum für Etruskische Kunst und gilt als das größte seiner Art.



Trotz der vielen Zeugnisse, die das etruskische Volk hinterließ gibt es der Wissenschaft bis heute viele Rätsel auf. So bleibt die Frage nach ihrem Ursprung vor dem Jahr 800 vor Christus, aus der die ersten bekannten Spuren stammen, ungeklärt. Neben seiner Bedeutung für die Entwicklung der italienischen Kulturlandschaft und seiner Überlieferungen, die uns die Antike heute so anschaulich machen, sind es auch jene Mysterien, die dieses Volk bis heute so interessant macht.