Ethiker Nass kritisiert Forschung an chimären Lebewesen

"Leben nach dem Kalkül der Nützlichkeit"

Chinesische Forscher haben einen aus Zellen verschiedener Embryonen bestehenden Affen zur Welt kommen lassen. Es handelt sich wohl um die erste lebende Chimäre eines so großen Tieres. Theologe Nass fordert klare ethische Grenzen.

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Prof. Dr. Dr. Elmar Nass
Symbolbild: Reagenzgläser im Labor  / © LookerStudio (shutterstock)
Symbolbild: Reagenzgläser im Labor / © LookerStudio ( shutterstock )

In China wird die Geburt eines chimären Primaten gefeiert. Ihm wurden im frühen Stadium Zellen eines fremden Artgenossen implantiert. So soll die Wirkung pluripotenter Stammzellen erforscht werden. Und es ist ein weiterer Schritt dazu, Organe in hochentwickelten Säugern heranzuzüchten. Das alles klingt vielversprechend. Das Affenbaby musste wegen Atemnot und anderer Leiden nach 10 Tagen wieder eingeschläfert werden.

Ein Meilenstein in der Forschung? Vielleicht. Aber kein Grund, dies Heureka zu bejubeln. Jedenfalls aus christlich-ethischer Sicht.

Prof. Dr. Dr. Elmar Nass (privat)
Prof. Dr. Dr. Elmar Nass / ( privat )

Denn die damit nun geöffnete Tür führt auf eine steile schiefe Bahn, die die Würde von Mensch und auch Tier schamfrei hinter sich lässt:

1) Das Leid des genmanipulierten Affen wird bewusst in Kauf genommen.

2) Der Mensch schreitet immer weiter auf dem Weg voran, selbst Gott zu spielen und Leben nach dem Kalkül der Nützlichkeit zu konstruieren. So manipuliertes Leben entsteht nur als Mittel zum Zweck. Ihm wird kein Selbstzweck und keine Würde beigemessen. 

3) Der Weg vom chimären Primaten zum Menschen ist nicht mehr weit. Und er wird sicher schon jetzt in Labors vorbereitet und gesucht. Sind wir einmal soweit, dann ist auch die Menschenwürde verabschiedet.

4) In China wird Forschung betrieben mit dem vordringlichen Ziel, das Land im Bereich der Wissenschaft an die Spitze der Welt zu bringen. So verstandene patriotische Forschung dient der Erfüllung des Weltmacht- Traumes von Xi Jinping. Menschenrechte und  -würde im freiheitlichen Sinne spielen dort keine Rolle. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die schiefen Bahnen der Menschenwürde dort bewusst in Kauf genommen werden. Unsere ethischen Appelle werden dort nicht gehört. 

5) In diesem Bewusstsein dürfen wir keinesfalls dem vermeintlichen Erfolg auf den Leim gehen und ihn bejubeln. Der gefeierte Durchbruch lockt die Forschung in einen gefährlichen Sog menschlicher Entwürdigung. Und das zudem unter Führung einer ideologischen Diktatur, für die der einzelne Mensch nichts zählt. Öffnen wir also die Augen für die wirklichen Gefahren solcher Hegemonie unter dem Menschenbild der KP Chinas.

6) Wichtiger denn je ist es, dass wir nicht nur die Gefahren chimärer Forschung an Primaten intuitiv kritisieren. Wir müssen die zentrale Würdediskussion endlich wieder mit einem substantiellen freiheitlichen Menschenbild führen. Denn genau das kommt immer mehr ins Rutschen. Erst wenn wir die Würde mit Inhalt füllen,  dann können wir den chinesischen Forschungen mit guten Gründen ablehnen und klare rote Linien ziehen.

7) Die christliche Idee vom Menschen als Gottes Ebenbild  in Verantwortung vor sich, vor anderen und vor Gott ist hierfür eine starke Begründung. Homo Deus ist der falsche Weg, ebenso der Weg zur würdelosen Verzweckung von Primaten und bald von Menschen. Und auch eine blinde Euphorie für ideologisch instrumentalisierte Forschung. 

8) Wir brauchen hier klare Grenzen in der Forschung. Die westliche Welt sollte sich mit anderen Ländern zusammentun und die Stammzellen- Forschung in anderer Richtung fördern. Die Ergebnisse und Folgen solcher chimären "Durchbrüche" wie jetzt verdienen eine unmissverständliche internationale Ächtung.

Prof. Dr. Dr. Elmar Nass hat den Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie inne.

Chimäre aus zwei Affen geschaffen

Als Chimären werden Mischwesen bezeichnet. Einst gab es sie nur in der Mythologie. Mittlerweile lassen sie sich im Labor erzeugen.

Chinesische Forscher haben einen aus Zellen verschiedener Embryonen bestehenden Affen zur Welt kommen lassen. Es handle sich um die erste lebende Chimäre eines so großen Tieres, berichtet die Gruppe in der Fachzeitschrift "Cell". Vergleichbare Erfolge habe es zuvor nur bei Mäusen und Ratten gegeben. Das Affenbaby starb nach zehn Tagen.

 © Cell Cao et al. (dpa)
© Cell Cao et al. ( dpa )
Quelle:
DR