Es rumort in den katholischen Studentenverbindungen

Polemik allein wird kaum helfen

Mehr als 125 Studentenverbindungen, rund 27.000 Mitglieder, darunter viele Prominente. Der Cartellverband ist laut eigenen Angaben der größte Akademikerverband Europas. Und steht, wie in einem Papier zu lesen ist, an einem Scheideweg.

Autor/in:
Joachim Heinz
Pontifikalamt für Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen / © Beatrice Tomasetti  (DR)
Pontifikalamt für Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Verfasst haben das 30-seitige "Memorandum Romanum", das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, Vertreter von Berliner Verbindungen. Sie haben Ende Juli als neuer "Vorort" für ein Jahr die Führung des Cartellverbands übernommen. In pointierter, mitunter scharfer Sprache benennt das Dokument eine Reihe von Problemen und Herausforderungen, vor denen die katholischen Studentenverbindungen stehen.

Da sind beispielsweise sinkende Mitgliederzahlen, die zu der Schlussfolgerung führen: "Sowohl die Verbindungen als auch der Verband müssen sich in Zukunft auf Zeiten einstellen, in denen die finanziellen Mittel in der ein oder anderen Situation deutlich geringer ausfallen werden." Eine Frage, die sich daraus ergibt, lautet, wie sich die Verbindungen und ihr Dachverband in der Öffentlichkeit präsentieren.

Kein Selbstzweck

Die Autoren der am 24. Juli in Rom verfassten und am 15. August veröffentlichten Denkschrift fordern unter anderem eine Rückkehr zu "alten couleurstudentischen Tugenden" und halten fest: "Wir, als Verbindungen im CV, sind keine schlichten Festgesellschaften, die in Pomp und Gloria ihren Selbstzweck gefunden haben." Notwendig sei weiterhin eine Schärfung des Profils.

Im Inneren heißt das nach Ansicht der Memorandums-Verfasser: keine Aufnahme von Ungetauften oder Nicht-Katholiken in die Studentenverbindungen. Bei einem Kirchenaustritt von Cartellbrüdern, "sollte es den einzelnen Verbindungen überlassen sein, wie sie mit diesen Fällen umgehen". Die Debatte darüber ist offenbar schon länger entbrannt. Eine intern umstrittene "Initiative 2025" will mit Vorschlägen für Änderungen in Satzung und Cartellordnung diese Debatte voranbringen. Das "Memorandum Romanum" sieht die "Initiative 2025" allem Anschein nach eher kritisch.

Politisch Selbsteingeschränkt

Politisch einbringen kann sich der Verband laut Denkschrift seiner Verfasstheit nach nur im Bildungs- und Hochschulwesen sowie in der katholischen Kirche. Eine Pressemitteilung von Dienstag, in dem der Cartellverband seine ablehnende Haltung zur Freigabe von Cannabis bekräftigt, zeigt allerdings ein grundsätzliches Dilemma, das auch im Memorandum zum Ausdruck kommt: Wie und auf welchen Feldern können sich konservative Stimmen angesichts eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels Gehör verschaffen?

Der Cartellverband steht mit diesem Problem nicht alleine da. CDU und CSU etwa ringen auch damit. Gegen Ende liest sich die Denkschrift des Verbandes allerdings wie eine Philippika gegen als Entgleisungen empfundene Entwicklungen der postmodernen Welt. In dieser Welt steht es nach den Worten der Autoren um das christliche Erbe des Abendlandes vielleicht so schlecht wie nie zuvor.

Ehe- und Familie

Als ein Feld der Auseinandersetzungen identifiziert das Papier den Ehe- und Familienbegriff. Eine Ehe oder Familie, "bei der das einzige verbindende Element noch der gemeinsame Kühlschrank oder irgendeine Art der nicht sinnstiftend definierten, rechtlichen 'Verantwortung' füreinander ist", sei keine Familie mehr, heißt es.

Ein weiterer Schwerpunkt des Memorandums liegt auf der Debatte um die Zukunft der Kirche in Deutschland. Bei der Lektüre zeigt sich: Der Synodale Weg hat es auch nach vier Jahren nicht geschafft, grundsätzliche Kritikpunkte an seinem Verfahren zu entkräften. Die Vertreter der Studentenverbindungen umschreiben das Problem zwar polemisch, aber im Kern durchaus wie manche Kirchenrechtler: "Jedem, der bei klarem Verstand ist und auch nur rudimentäre Kenntnisse über die Kirche hat, ist klar, dass die Beschlüsse des sogenannten synodalen Wegs keinerlei Bindungswirkung für irgendeinen kirchlichen Amtsträger oder Laien haben werden."

"Nicht länger tatenlos zusehen"

Vor möglichen Konsequenzen graust es den Autoren des Manifests: "Wir werden erste Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare erleben, vielleicht vermehrt die Bezeichnung 'Gott*' oder 'Gott+' lesen müssen und die Ideologie der Synodalen wird am Ambo, vielleicht sogar von Frauen, als die neue kirchliche Wirklichkeit proklamiert werden. Und das alles gegen den Willen Roms, gegen Dogma, Lehramt und Kirchenrecht."

Der CV könne, "gerade weil sein Gedeihen so eng mit den Geschicken der Kirche in Deutschland verwoben ist, den aktuellen Fehlentwicklungen nicht länger tatenlos zusehen". Man werde "zum Vatikan, zum Papst halten und einen innerverbandlichen Prozess der kirchenpolitischen Meinungsbildung anregen".

Bisher kaum gehört, aber vielfältige Partizipationsmöglichkeiten

Wie es danach weitergeht, scheint offen. "In den Laiengremien werden wir bisher kaum angehört; am Katholikentag nehmen wir wahr, dass wir als farbentragende korporierte Studenten nicht willkommen sind", beklagen die Autoren des Papiers und räumen zugleich ein: "Der CV hat nach wie vor vielfältige Möglichkeiten der Partizipation, die er kaum wahrnimmt. An anderer Stelle muss er sich den zusätzlichen Raum verschaffen, der ihm aufgrund seiner Größe und historischen Bedeutung zusteht."

Hinter allem steht die grundsätzliche Frage, wie konservative und katholische Positionen in einer zeitgemäßen Weise in gesellschaftliche Debatten eingebracht werden können. Sicher ist: Polemik allein wird dabei kaum helfen.

Quelle:
KNA