Essener Generalvikar mit Appell aus der Quarantäne

"Es ist nicht die mittelalterliche Pest"

Er abeitet gerne und er arbeitet weiter: Der Essener Generalvikar Pfeffer hat sich in freiwillige Quarantäne begeben, weil er zu einem mit Corona Infizierten Kontakt hatte. Aus dem Homeoffice appelliert er an die Vernunft, nicht in Hysterie zu verfallen.

Generalvikar Msgr. Klaus Pfeffer / © Nicole Cronauge (Bistum Essen)
Generalvikar Msgr. Klaus Pfeffer / © Nicole Cronauge ( Bistum Essen )

DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen denn?

Msgr. Klaus Pfeffer (Generalvikar des Bistums Essen): Mir geht es gut. Es ist eine freiwillige Quarantäne und sie ist auch überschaubar. Grund ist der Kontakt mit einem Teilnehmer einer Gremiensitzung. Der Kontakt liegt schon über eine Woche zurück, sodass unsere freiwillige Quarantäne auf Empfehlung des Gesundheitsamtes bis zum 23. März gilt. Das ist noch eine Woche. Es gibt andere, die sind zwei Wochen in Quarantäne. Das ist dann nochmal was anderes.

Und bei einer freiwilligen Quarantäne darf man auch noch zum Einkaufen oder Joggen vor die Haustür treten. Das mache ich aber auch eher nur am Abend, um niemanden in Besorgnis zu versetzen, wenn man mir begegnet.

DOMRADIO.DE: Wird es irgendwie überprüft?

Pfeffer: Nein, eine freiwillige Quarantäne wird nicht überprüft, anders als bei einer angeordneten Quarantäne. Da darf man auch das Haus nicht verlassen. Und das kann dann auch eine Strafe kosten, wenn man sich nicht daran hält.

Ich habe allerdings gehört, dass es bei Einzelnen von uns, weil unterschiedliche Gesundheitsämter für uns zuständig sind, schon zu angeordneten Quarantänen gekommen ist. Das hängt aber auch immer von der einzelnen Situation ab, wie nah man dem betreffenden Infizierten begegnet ist. Aber ich hatte mit der Leiterin unseres Gesundheitsamtes hier in Essen gesprochen, und da hat es dann diese Empfehlung einer freiwilligen Quarantäne gegeben.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Gremiensitzung in der vergangenen Woche angesprochen, in der quasi die komplette Bistumsleitung mit einem infizierten Menschen Kontakt gehabt hat. Als Sie das gehört haben gestern - was geht einem da im ersten Moment durch den Kopf?

Pfeffer: Im ersten Moment, als mir das mitgeteilt wurde, war das ein kleiner Schrecken im Sinne von "Das kann ja jetzt nicht sein, ich werde auch gebraucht, und wir haben unseren Krisenstab." Gerade wenn man viel arbeitet und auch gerne arbeitet, dann lässt man sich da einfach ungerne rausziehen.

Aber das hat sich dann auch relativ schnell gelegt, vor allem, als noch einmal deutlich wurde, dass es eine freiwillige Quarantäne ist. Sie ist überschaubar. Viel bedrohlicher ist es für diejenigen, die infiziert sind und dann auch noch erkranken oder sogar schwer erkranken. Das ist ja bei mir nicht der Fall.

Und ich denke auch bei der völlig außergewöhnlichen Situation, die wir im Moment haben, ist es immer noch harmlos im Vergleich zu der Lage in anderen Regionen der Welt. Ich denke an Syrien, die vielen Geflüchteten an den Grenzen Europas. Dann ist das hier alles noch erträglich.

Wir dürfen uns momentan auch darauf verlassen, dass wir politisch in unserem Land in guten Händen sind, wo seriöse, vernünftige Menschen die Dinge steuern. Ich habe da ein gutes Gefühl und glaube, wir kommen auch durch diese Krise durch.

DOMRADIO.DE: Außer Ihnen ist fast die komplette Bistumsleitung betroffen, Sie als Generalvikar, die Weihbischöfe und der Dompropst stehen jetzt in vorsorglicher Quarantäne. Was heißt das denn für die Arbeit im Bistum, wenn die Chefs jetzt auf einmal alle für eine Woche ausfallen?

Pfeffer: Es sind sogar noch drei weitere Dezernenten mit dabei, die jetzt auch unter Quarantäne stehen. Wir fahren ohnehin seit dem Wochenende die Arbeit an vielen Stellen deutlich herunter, weil durch die drastischen Maßnahmen vieles gar nicht mehr möglich ist. Sitzungen finden teilweise ohnehin schon per Telefonkonferenz statt, viele Termine fallen aus.

Wir sorgen auch bei uns im Haus, wie in anderen Unternehmen auch, dafür, dass diejenigen, die zu Risikogruppen gehören, die Probleme mit der Kinderbetreuung haben, dann eher ins Homeoffice gehen. Von daher wird jetzt vieles ohnehin vom Schreibtisch aus geregelt. Das lässt sich machen. Ich bin auch jederzeit in Kontakt mit meinen Mitarbeitenden. Und das ist jetzt wahrlich nicht so, dass ich hier irgendwie gelangweilt auf dem Sofa sitzen würde.

Die letzten Tage habe ich eigentlich auch nur am Telefon und am Laptop verbracht, um in Kommunikation zu bleiben und Dinge abzuarbeiten. Beschaulich ist das im Moment noch gar nicht. Ich glaube, dass das auch so bleiben wird, weil die Situation natürlich sehr herausfordernd ist.

Wir müssen als Kirche genau so wie alle anderen Unternehmen und Organisationen gucken, dass wir irgendwie arbeitsfähig bleiben, dass die notwendigsten Dinge geregelt werden und dass auch diejenigen, die jetzt in Verunsicherung sind, spüren, dass jetzt nicht alles zusammenbricht.

DOMRADIO.DE: Noch eine Frage an Sie als Priester, man bekommt hier schon ein wenig das Gefühl, dass die infizierten Menschen oder auch schon die Menschen in Quarantäne ein bisschen stigmatisiert werden. Halten Sie das für unchristlich?

Pfeffer: Erst einmal sind das verständliche Reaktionen. Ich glaube, wir müssen im Moment aufpassen, dass wir keine Hysterie auslösen, keine Panik auslösen. Das ist im Moment eine Gratwanderung, das erlebe ich auch im kirchlichen Bereich, dass an manchen Stellen die Nerven blankliegen, auch bei der Frage "stellen wir jetzt das gottesdienstliche Leben ein oder nicht".

Da gibt es dann manche, die gewünscht hätten "ja, das muss doch sofort ganz schnell von oben herab entschieden werden". Wir haben das versucht mit Augenmaß zu tun, schrittweise, auch Verantwortlichen vor Ort übers Wochenende noch Entscheidungen zu überlassen. Es ist immer ein Abwägungsprozess, damit man nicht unnötig Hysterie weckt. Und das gilt genauso auch im Umgang mit Infizierten.

Man darf auch nicht vergessen, dass das Virus schon bedrohlich für Risikogruppen ist, für Menschen mit Vorerkrankungen. Aber für die meisten verläuft eine Infektion relativ mild, was man so hört und was ich auch aus dem Bekanntenkreis mitbekomme.

Und es ist im Moment nicht die mittelalterliche Pest, die uns befallen hat. Diesen Eindruck habe ich ja manchmal auch. Und eine gewisse Besonnenheit und Gelassenheit gehört auch dazu, die ich aber auch wahrnehme. Es gibt auch eine Menge Galgenhumor im Moment, ohne dass man jetzt bagatellisiert, welche Bedrohungslage diese Corona-Pandemie für Menschen hat, die tatsächlich Vorerkrankungen haben, alt sind oder aus anderen Gründen zu Risikogruppen gehören. Das ist schon sehr gefährlich.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR