Corona: SkF fordert Ende des Prostitutionsverbots

"Es bringt die Frauen in Gefahr"

Prostitution und Sexarbeit sind keine schönen Jobs. Das Verbot zur Corona-Zeit mache die Situation aber nicht besser, sondern bringt viele Prostituierte zur ungeregelten, heimlichen Ausübung ihres Jobs. Der Sozialdienst katholischer Frauen fordert Änderungen.

Prostitution / © Caro Bastian (epd)
Prostitution / © Caro Bastian ( epd )

DOMRADIO.DE: Suchen bei Ihnen in der Corona-Zeit mehr Prostituierte Rat als gewöhnlich?

René Pieper (Leiter Prostituiertenhilfe, Sozialdienst katholischer Frauen): Auf jeden Fall. Bis Ende Juni hatten wir so viele Frauen in der Beratungsstelle wie fürs ganze Jahr 2019. Und wir sind immer noch mit den Frauen gut in der Beratung unterwegs.

DOMRADIO.DE: Was sind denn die dringendsten Probleme, mit denen die Frauen zu Ihnen kommen?

Pieper: Das dringendste Problem seit dem Lockdown sind von jetzt auf gleich die finanziellen Nöte, die die Frauen haben.

DOMRADIO.DE: Wie können Sie da helfen?

Pieper: Das ist ganz unterschiedlich. Es kommt einfach drauf an, in welcher Form welche Probleme bei der Frau aufgetreten sind. Wir haben viele Frauen, die auf den Straßenstrich arbeiten gehen. Bei diesen Frauen ist ganz oft das Problem: Die arbeiten von einem Tag zum nächsten. Da gibt es wenig Erspartes, wo sie einfach für den Lockdown ran gehen können. Dann gibt es natürlich auch Frauen, die fingen damals schon an, längerfristige finanzielle Lösungen zu suchen. Und da dazwischen gehen wir mit den Frauen in die Beratung und versuchen einfach zu helfen.

Also ganz spontane Soforthilfen, wo es einfach darum geht, dass die Frau, die jetzt in die Beratungsstelle kommt, Rat findet. Die ist vielleicht noch alleinerziehend und braucht einfach Geld fürs Abendessen. Im März und April hatten wir das große Glück, dass wir durch sehr viele Spenden von unterschiedlichen Menschen und Organisationen einfach spontan den Frauen helfen konnten. Für längerfristige Lösungen geht es natürlich darum, zu schauen: Was kann eine Lösung sein? Ist es Hilfe vom Amt? Ist es vielleicht die Unterstützung in einem Bewerbungsverfahren, weil sie von jetzt auf gleich gar nicht mehr arbeiten darf und sich vielleicht anders finanzieren möchte?

DOMRADIO.DE: In anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich, dürfen Prostituierte schon wieder arbeiten. Gibts denn in Deutschland vonseiten der Politik überhaupt Pläne für Lockerungen?

Pieper: Mir sind keine Pläne bekannt. Auch andere Beratungsstellen wissen nichts von irgendwelchen Plänen. Heute war es auch Thema in der Presse, und da war der Stand aus dem Gesundheitsministerium, dass dieses Thema Sexarbeit und Prostitution noch gar nicht irgendwie in Angriff genommen worden ist.

DOMRADIO.DE: Nur weil offiziell Sexarbeit nicht stattfinden darf, heißt das ja noch lange nicht, dass sie nicht stattfindet. Bringt das die Frauen nicht auch sehr in Gefahr selbst?

Pieper: Es bringt die Frauen in Gefahr - und natürlich auch in den totalen Zwiespalt. Wir haben ja seit 2017 ein Prostitutionsschutzgesetz – mit Anmeldung, Gesundheitsuntersuchungen, auch der Meldung beim Finanzamt, was die Frauen auch machen. Und jetzt durch den Lockdown wurde das aber irgendwie total vergessen. Es gibt natürlich die Frauen, die finanzielle Nöte haben und natürlich auch jetzt der Prostitution weiter im Heimlichen nachgehen und die natürlich Gefahren ausgesetzt sind. Wenn sie zum Beispiel jetzt nicht mehr auf dem geschützten Straßenstrich arbeiten können, sondern irgendwo und irgendwie arbeiten.

DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn nicht demnächst mal Lockerungen kommen, dann wird die Prostitution hier bei uns immer weiter in den rechtsfreien Raum abgedrängt.

Pieper: Zum Teil auf jeden Fall.

DOMRADIO.DE: Und wie versuchen Sie vom Sozialdienst katholischer Frauen, da Einfluss zu nehmen?

Pieper: Wir versuchen, natürlich auch politisch Einfluss zu nehmen und immer wieder zu kommunizieren: Was sind die Nöte der Frauen? Was ist der Bedarf, was die Frauen haben? Und was ist die Gefahr, die einfach ein noch längerer Lockdown in der Prostitution birgt? Und wir hoffen auf Gehör.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR
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