Erzbistum Köln muss 300.000 Euro an Missbrauchsopfer zahlen

Landgericht urteilt

Erstmals hat ein Missbrauchsbetroffener in Deutschland Schmerzensgeld von der katholischen Kirche gefordert. Nun traf das Landgericht Köln eine Entscheidung. Sie könnte Vorbildcharakter für weitere Klagen haben.

Autor/in:
Andreas Otto
Landgericht Köln / © Oliver Berg (dpa)
Landgericht Köln / © Oliver Berg ( dpa )

Das Erzbistum Köln soll nach einem Urteil einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Darauf angerechnet werden bereits an das Opfer ausbezahlte 25.000 Euro in Anerkennung des Leids, wie das Landgericht Köln am Dienstag entschied.

Kläger Georg Menne steht mit einem seiner Anwälte nach der Verhandlung im Landgericht Köln  / © Thomas Banneyer (dpa)
Kläger Georg Menne steht mit einem seiner Anwälte nach der Verhandlung im Landgericht Köln / © Thomas Banneyer ( dpa )

Der 64-jährige Georg Menne hatte vom Erzbistum 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Richter Stephan Singbartl hatte bei der ersten Verhandlung im Dezember einen Vergleich vorgeschlagen. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande.

Der Anwalt des Erzbistums sagte am Dienstag, dass er kein Angebot mitgebracht habe und keine Weisung erhalten habe. Weder die volle Forderung des Klägers noch - wie vom Vorsitzenden ins Spiel gebracht - ein mittlerer sechsstelliger Betrag komme für das Erzbistum in Betracht.

Klägeranwalt lässt Entscheidung zu Berufung offen

Klägeranwalt Eberhard Luetjohann ließ nach der Entscheidung offen, ob er in Berufung geht. Menne selbst wollte die Entscheidung zunächst nicht kommentieren. Die Anwälte des Erzbistums wollten sich nicht äußern und verwiesen auf die Pressestelle der Diözese.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki begrüßte das Urteil. "Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat". Das Erzbistum ergänzte, es übernehme für das erlittene Unrecht und Leid der Betroffenen institutionelle Mitverantwortung. Im konkreten Fall habe Woelki daher darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen. Auch der Vortrag des Klägers sei nicht bestritten worden. In der Verhandlung hatte der Anwalt des Erzbistums betont, in keinem vergleichbaren Fall sei ein mittlerer sechsstelliger Betrag gezahlt worden.

Der Sprecher der Betroffenengruppe "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, nannte die Entscheidung ein wichtiges Signal für Tausende ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland. Es gebe nun erstmals ein Urteil eines deutschen Gerichts, das einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Priester der katholischen Kirche eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgelds zuspreche. Die Kirche habe seit mehr als einem Jahrzehnt die Opfer hingehalten und mit symbolischen Zahlungen ruhiggestellt. Nun müsse sie angemessene Entschädigungen zahlen, so Katsch.

Landgericht und Amtsgericht Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Landgericht und Amtsgericht Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Menne soll in den 1970er Jahren mehr als 320 Mal von einem Priester missbraucht worden sein. Vorwürfe gegen den Geistlichen wurden dem Erzbistum 1980 sowie 2010 bekannt - er konnte dennoch viele Jahre weiter als Seelsorger arbeiten. Der Betroffene wirft der Erzdiözese daher Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor. Das Erzbistum hatte bewusst darauf verzichtet, eine Verjährung zu beanspruchen. Der Schmerzensgeldprozess gilt als Präzedenzfall.

Sachverhalt als unstreitig anerkannt

Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte am Dienstagabend, das Urteil unterstreiche, dass sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ein schreckliches Verbrechen sei. Zugleich verteidigte Generalsekretärin Beate Gilles das kirchliche Verfahren zur Anerkennung des Leids von Missbrauchsbetroffenen. Die freiwilligen finanziellen Leistungen seien für jene gedacht, die vor staatlichen Gerichten keine Ansprüche durchsetzen wollen oder können.

Ausgangspunkt für die Zuerkennung von Leistungen sei, dass die Schilderungen der Betroffenen plausibel seien - ohne weitere Beweislast für sie. Die Leistungshöhe orientiere sich am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder, teils auch im sechsstelligen Bereich. Teil des Verfahrens sei auch, dass allen Betroffenen der Rechtsweg offen bleibe.

Missbrauchsbetroffene in der katholischen Kirche erhalten von Bistümern und Orden in der Regel Zahlungen in Anerkennung ihres Leides. In dem kircheninternen System reicht es in der Regel aus, wenn Betroffene den Missbrauch und die dadurch entstandenen Schäden in einem Antrag plausibel darlegen. Vor einem staatlichen Gericht dagegen müssen sie ihre Entschädigungsansprüche im Zweifel beweisen.

Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Im konkreten Fall hat das Erzbistum den Sachverhalt als unstreitig anerkannt.

Über die Höhe der Kirchenzahlungen entscheidet seit 1. Januar 2021 die unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Nach ihren Angaben orientiert sich die Leistungshöhe "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder".

In den ersten zwei Jahren erhielten Betroffene im Mittel rund 22.000 Euro pro Antrag. In etwa acht Prozent der Fälle wurden laut UKA aber mehr als 50.000 Euro gezahlt, mitunter auch mehr als 100.000 Euro.

Information der Redaktion: Der Artikel wurde am 13.06.2023 um 18.50 Uhr aktualisiert.

Das Erzbistum Köln

Ende 2021 gehörten 1.805.430 Katholiken zum Erzbistum Köln. Das sind 63.137 weniger als im Jahr davor. Der Rückgang setzt sich im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 zusammen aus 40.772 Kirchenaustritten (2020: 17.281) sowie der Differenz zwischen den Sterbefällen (27.503) und den Taufen (10.286), die gegenüber 2020 (7.845) angestiegen sind. 

Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA