Erzbistum Köln fordert ambitioniertere Klimaziele

"An die eigene Nase packen"

In Ägypten treffen sich derzeit 200 Staaten, um darüber zu beraten, wie man den Klimawandel bremsen könnte. Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln, hofft auf deutliche Fortschritte.

Weltklimakonferenz in Ägypten / © Gehad Hamdy (dpa)
Weltklimakonferenz in Ägypten / © Gehad Hamdy ( dpa )

DOMRADIO.DE: Oft werden auf diesen Klimagipfeln ambitionierte Ziele formuliert – aber an der Umsetzung hapert es. Welche Erwartungen haben Sie an das Treffen in Scharm el Scheikh

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Christian Weingarten (Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln): Ich hoffe, dass wir genau das schaffen, viel stärker in die Umsetzung zu kommen. Zum einen müssen wir uns noch ambitioniertere Ziele setzen. Das ist das Schwierige. Wir schaffen es eigentlich noch nicht mal, die alten Ziele einzuhalten und müssen uns trotzdem noch höhere Ziele setzen. Besonders, weil wir ja gestern erst wieder gehört haben, dass wir das 1,5-Grad-Ziel eigentlich gar nicht mehr erreichen können. Das ist die große Herausforderung - wirklich noch ambitioniertere Ziele und klare Wege dorthin, damit wir die Ziele auch einhalten in den nächsten Jahren. 

DOMRADIO.DE: Eins der alten Ziele haben Sie gerade schon genannt, das 1,5-Grad-Ziel wäre einzuhalten. Das Paris-Protokoll haben viele Staaten unterschrieben und damit ja auch eigentlich angestrebt, das zu schaffen. Aber Forscher sagen, dass dieses Ziel fast schon nicht mehr zu erreichen ist. Die Erderwärmung verläuft schneller als befürchtet. Wieso halten sich die Staaten nicht an die selbst gesteckten Ziele? 

Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln

"Wir müssen Gas geben, sonst wissen wir gar nicht, was in den nächsten 100 Jahren passiert."

Weingarten: Ich sehe das ja bei uns in der Kirche. Wir sind ja wie ein kleines System und versuchen auch, Ziele zu erreichen. Es ist unheimlich schwierig, die Menschen mitzunehmen, weil wir Menschen noch viel zu sehr auf uns gucken und diese globale Perspektive zu wenig einnehmen. Wir gucken immer noch, was passiert in Deutschland. Wir spüren den Klimawandel noch nicht so stark wie zum Beispiel in Pakistan in diesem Jahr. Und dann sind das Bewusstsein und auch der Antrieb zu handeln noch nicht da. Das ist die große Schwierigkeit. Deswegen sind viele Unternehmen und Staaten noch gar nicht so weit und haben noch nicht diesen Druck, wirklich Gas zu geben. Und wir müssen Gas geben, sonst wissen wir gar nicht, was in den nächsten 100 Jahren passiert. 

Alok Sharma (M), Präsident des COP26-Klimagipfels, spricht bei der Eröffnungssitzung zum Klimagipfel COP27 / © Peter Dejong/AP/ (dpa)
Alok Sharma (M), Präsident des COP26-Klimagipfels, spricht bei der Eröffnungssitzung zum Klimagipfel COP27 / © Peter Dejong/AP/ ( dpa )

DOMRADIO.DE: 40.000 Teilnehmer aus 200 Staaten fliegen nach Ägypten. Sie werden jede Menge Müll hinterlassen, Ressourcen wie Wasser verbrauchen. Das Fliegen allein ist ja auch schon umweltschädlich. Und das in einem Land, das zum großen Teil aus Wüste besteht ist, wo es mit den Wasserressourcen nicht so gut aussieht. Bald beginnt auch die Fußball-WM in Katar. Wie blicken Sie als Schöpfungsbeauftragter auf die Wahl solcher Austragungsorte? 

Weingarten: Ägypten als Veranstaltungsort sehe ich relativ kritisch. Denn man sagt ja auch, dass die Akkreditierung aus anderen afrikanischen Staaten noch schwierig war. Und man fragt sich: Können überhaupt alle teilnehmen, die wollen - gerade aus den ärmeren Ländern, wo die Preise für Hotelzimmer so teuer sind. Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch richtig, mal den Blick auf den afrikanischen Kontinent zu lenken, dort, wo einfach die Klimakrise schon so stark vorangeschritten ist.

Und irgendwie müssen auch wir Klimaschützer ab und zu mal fliegen. Denn, wenn wir die Debatten nur den Politikern überlassen, die auch ansonsten durch die Welt fliegen, dann kommen wir beim globalen Klimaschutz nicht weiter.

Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln

"Eigentlich sollten wir viel mehr auf uns gucken und uns fragen: Was können wir hier noch viel besser machen?"

Auch auf Katar als WM-Austragungsort blicke ich natürlich kritisch, auf die Riesen-Stadien die dort vor allem aus Beton gebaut werden. Aber auch wir in Deutschland verbauen noch viel zu viel Beton. Aber eigentlich sollten wir viel mehr auf uns gucken und uns fragen: Was können wir hier noch viel besser machen?

DOMRADIO.DE: An die eigene Nase packen und hier anfangen, also. Aktuell kommen viele Ereignisse zusammen, die uns als Gesellschaft zum Energiesparen zwingen - Energiekrise, Inflation, Ukrainekrieg. Warum haben wir nicht schon vorher freiwillig die Heizung runter gedreht und die Lichter ausgeschaltet? 

Weingarten: Weil Energie zu günstig war. Wir haben gar nicht gemerkt, wie viel wir verbrauchen. Das sehe ich in meiner alltäglichen Arbeit, wo jetzt viele Kirchen die Heizung abgestellt haben. Auf einmal haben die Kirchenvorstände gesagt: Wahnsinn, wie viel Geld wir ausgeben, um unser Riesen-Gebäude zu beheizen. Jetzt wurden viele Heizungen runtergedreht oder ausgestellt und man ist erstmal überrascht, aber man hat sich eben nicht drum gekümmert, weil die Energie so günstig war. Da verändert sich gerade sehr viel und wir merken zum Glück, dass die Krisen, die wir haben, oft mit gleichen Zielen zu lösen sind. 

Christian Weingarten, Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln

"Wir sind gerade dabei, viele Dinge zu sähen und hoffen, da in den nächsten Jahren auch ernten zu können."

DOMRADIO.DE: Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe hinter der auch Kirchen stehen, nicht zuletzt wegen der Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus. Das Erzbistum Köln will bis 2030 auch klimaneutral sein. Was wird denn hier genau dafür getan? 

Gäste betreten das Kongresszentrum, in dem die UN-Weltklimakonferenz COP27 stattfindet. Die Klimakonferenz COP27 findet vom 6. November bis 18. November 2022 in Scharm El-Scheich, Ägypten statt. / © Peter Dejong/AP (dpa)
Gäste betreten das Kongresszentrum, in dem die UN-Weltklimakonferenz COP27 stattfindet. Die Klimakonferenz COP27 findet vom 6. November bis 18. November 2022 in Scharm El-Scheich, Ägypten statt. / © Peter Dejong/AP ( dpa )

Weingarten: Wir machen relativ viel. Bei uns bewegt sich gerade viel. Wir haben uns in den letzten zwei Jahren angeguckt: Wie viele Gebäude haben wir und wie viele CO2-Emissionen werden dort verursacht. Um dann Wege zu finden, wie wir das verändern können. Wir haben ab Januar eine neue Fachstelle, die sich nur um das Thema energetische Sanierung kümmert: Wie können wir Kindergärten oder Pfarrzentren energetisch so aufstellen, dass wir im Prinzip CO2-Emissionen vermeiden? Also da passiert viel! Wir machen auch viel im Bereich Biodiversität. Wir können über Naturschutz auch Klimaschutz betreiben. Also, wir sind gerade dabei, viele Dinge zu sähen und hoffen, da in den nächsten Jahren auch ernten zu können. 

DOMRADIO.DE: Jetzt wollen wir als Christ, als Christin natürlich irgendwie doch selber auch etwas tun. Haben Sie einen Nachhaltigkeitsstipp, den Sie uns mit auf den Weg geben können, damit jeder und jede selbst einen Beitrag leisten kann fürs Klima? 

Weingarten: Die einfachsten Sachen sind: Weniger Autofahren. Auf 19 Grad heizen reicht oft und dann vielleicht eher eine Decke mit dazu nehmen. Und natürlich weniger Fleisch essen, denn das ist auch immer ein Punkt, der einfach viel CO2-Emissionen verursacht. Das ist zwar mittlerweile Konsens, aber auch da tun wir uns gerade in Deutschland noch sehr schwer. Also, wichtig ist, die großen Fische anzupacken, wo ich weiß, da verursache ich viel CO2 und das zu reduzieren. Immer mit dem Bewusstsein, dass ich vielleicht auf etwas verzichte, aber dafür etwas anderes gewinnen kann. Und letztendlich habe ich dann vielleicht auch ein bisschen Freude daran. Dann geht das Ganze ein bisschen einfacher. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR