DOMRADIO.DE: Der Schulbetrieb im Bildungscampus läuft schon seit Ende der Osterferien, also seit Ende April. Warum wird der Bildungscampus jetzt erst eingeweiht?

Thomas Pitsch (Bereichsleiter Schule und Hochschule des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln): Wir hätten den Bildungscampus eigentlich schon im Mai eingeweiht. Die Einladungen waren verschickt, alle waren in großer Vorfreude. Dann kam es, wie es kommen musste: Unser Kardinal wurde zum Konklave nach Rom gerufen. Aber weil der Bildungscampus eine Herzensangelegenheit unseres Erzbischofs ist, war klar, dass wir ihn nicht einweihen werden, wenn der Kardinal nicht dabei sein kann. Deshalb haben wir die Einweihung verschoben und freuen uns auf diesen Montag.
DOMRADIO.DE: 80 Millionen Euro hat das Erzbistum Köln in den Bildungscampus investiert. Das ist eine Menge Geld. Warum macht die katholische Kirche das? Was hat das mit Glaubensverkündigung zu tun?

Pitsch: 80 Millionen Euro sind in der Tat eine stolze Summe. Ich sage bewusst, dass jeder einzelne Euro bestens investiertes Geld in die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen ist. Dass die katholische Kirche mit einem klaren diakonischen Auftrag in einem bunten, vielfältigen Stadtteil so Position bezieht, ist ein gutes und starkes Zeichen. Ich bin froh, dass unser Erzbischof uns den Auftrag gegeben hat, eine solche Schule für alle zu konzipieren und umzusetzen.
DOMRADIO.DE: Nun läuft der Schulbetrieb seit gut zwei Monaten. Haben Sie schon Rückmeldungen? Wie nehmen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte den Bildungscampus an?
Pitsch: Die Kinder haben sich in Rekordgeschwindigkeit dieses riesengroße Schulgebäude erobert. Ich war bereits einige Male vor Ort, weil wir dort verschiedene Termine hatten. Alle sind mit großer Begeisterung und Schwung dabei. Es herrscht eine wahnsinnige Aufbruchstimmung. Das besondere pädagogische Konzept der Schule ist überall spürbar.
DOMRADIO.DE: Kommen wir auf das pädagogische Konzept zu sprechen. Zentral ist das "selbstorganisierte Lernen". Was ist damit gemeint?

Pitsch: Lernen ist bei uns individuell, beziehungsorientiert und lebensnah. Das sind die drei entscheidenden Stichworte. Gleichzeitig ist das Lernen an den verbindlichen Bildungsstandards orientiert. Wir machen keine Modellschule, die sich über staatliche Vorgaben hinwegsetzt. Wir machen eine ordentliche Schule, die auch ordentliche Abschlüsse vergibt.
Unser Ziel ist es, dass die Kinder von der Kindertageseinrichtung bis in eine Berufslaufbahn begleitet werden. Dabei sollen sie lernen, selbst Entscheidungen für ihr Leben zu treffen.
Im Bildungscampus sind die Kinder nicht mehr 'Schülerinnen und Schüler‘¨, sondern 'Lernpartnerinnen und Lernpartner'. Sie können mitbestimmen, wie ihr Lernprozess verläuft. Die Lehrkräfte sind dabei vor allem Lerncoaches. Sie helfen den Kindern, ihren Lernfortschritt zu reflektieren, persönliche Ziele zu formulieren und diese zu erreichen.
DOMRADIO.DE: Ein zentraler Bestandteil dieses pädagogischen Konzepts ist die besondere Architektur. Zum Beispiel gibt es die 70 Meter lange Schulstraße. Welche Rolle spielt die Gestaltung der Räume?
Pitsch: Die Architektur ist atemberaubend. Sie bietet den Kindern einen Raum, in dem sie sich geborgen fühlen und Wertschätzung erfahren.

Ein Beispiel ist das Lernatelier. Das ist der zentrale Arbeitsplatz der Kinder. Es ist so gestaltet, dass durch Trennwände kleine, ruhige Arbeitsnischen entstehen. Dort können die Kinder in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Gleichzeitig gibt es den sogenannten Marktplatz, der offen, hell und flexibel nutzbar ist. Er liegt zwischen den Lernateliers und kann bei Bedarf sogar nach außen erweitert werden. Dort kommen die Kinder zusammen, arbeiten im Team, lösen Aufgaben gemeinsam.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt der Standort Köln-Kalk? Dieser wurde bewusst ausgewählt.
Pitsch: Ja, wir sind bewusst nach Köln-Kalk gegangen und wir sind gerne hier. Von Beginn an haben wir das Projekt Bildungscampus mit einem Werkstattverfahren eröffnet. Wir haben unsere Kooperationspartner versammelt und gefragt: Was braucht es in diesem Stadtteil, damit eine gute Schule wirklich Mehrwert bringt?
Hier leben Menschen mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen und Hintergründen. Sie sind bei uns willkommen und gut aufgehoben.
DOMRADIO.DE: Am Montag findet das Einweihungsfest mit Kardinal Woelki statt. Er wird das Haus segnen. Es ist aber nicht sein erster Besuch, oder?

Pitsch: Nein, der Erzbischof war schon mehrfach zu Besuch im Bildungscampus. Das zeigt, wie sehr es ihm am Herzen liegt. Ich war besonders beeindruckt, als die Kinder ihn vor einigen Monaten interviewen durften. Sie haben ihn alles fragen dürfen, was sie wissen wollten. Danach waren die Kinder völlig begeistert.
Als unser Erzbischof im Frühjahr zum Konklave in den Medien und im Fernsehen zu sehen war, haben die Kinder zu Hause erzählt, dass sie über 'Expertenwissen' verfügen. Sie konnten ihren Eltern viel erklären. Das zeigt, dass die Kinder sich bei uns nicht nur angekommen fühlen, sondern sie fühlen sich zugehörig.
Das Interview führte Johannes Schröer.