Erzbischof Zollitsch zur Finanzkrise, seinem ersten Amtsjahr und zum Stand der Ökumene

Der Untugend Gier erlegen

Die weltweite Finanzkrise ist nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, das bedeutendste Ereignis des Jahres 2008. Im domradio äußerte Zollitsch zugleich die Hoffnung, dass die Krise positive Veränderungen innerhalb der Gesellschaft anstoßen könne. In seiner Kritik nennt Zollitsch nicht nur die Manager, sondern breite Teile der Bevölkerung, die der Untugend Gier erlegen seien.

Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen (KNA)
Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen / ( KNA )

domradio: Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich an ihre Wahl vor 10 Monaten zurück erinnern?
Zollitsch: Da hat sich natürlich einiges bei mir verändert. Früher habe ich bei allem den Blick auf die Erzdiözese gehabt und mit Blick auf die Bischofskonferenz, dann die Kommissionen in denen ich mitgearbeitet habe. Jetzt muss ich viel stärker das Ganze im Blick haben, ich werde viel stärker von außen  - auch öffentlich - gefordert, die Presse interessiert sich weit mehr für mich, Stellungnahmen werden erwartet. Politiker laden mich zum Gespräch ein und wollen mich auch hören und das ist etwas Gutes. So dass ich sagen muss, mein Arbeitsstil hat sich geändert und auch meine Arbeitszeit, so dass etwa die Hälfte meiner Arbeitszeit jetzt den Über-Diözesanen-Aufgaben gehört und nur noch die Hälfte meiner eigenen Diözese.

domradio: Schauen wir mal auf die Themen des Jahres 2008. Stichwort "Ökumene". Der Vorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Huber, hat erst am Wochenende von Störungen im Dialog gesprochen, sehen Sie das ähnlich?
Zollitsch: Es ist sicher manches etwas schwieriger geworden, manches auch langsamer. Aber ich sehe dass, was Bischof Huber vermutlich mit Störungen meint, nicht als Störungen, sondern als Herausforderung zur Klarstellung. Wir haben uns bemüht, das Gespräch mit der evangelischen Kirche und auch mit den orthodoxen Kirchen zu suchen. Und wir versuchen auch, etwa im Blick auf den gemeinsamen ökumenischen Kirchentag 2010, uns abzusprechen, dass wir gemeinsam Stellungnahmen nach außen geben können, ein gemeinsames Zeugnis in die Gesellschaft hinein. Mir scheint wichtig zu sein, dass wir tatsächlich nicht so sehr das betonen was uns unterscheidet, sondern das was wir gemeinsam einbringen können. Freilich, auch das was uns unterscheidet, leider Gottes, müssen wir dann auch formulieren. Es aber auch so formulieren, dass ich dem anderen dabei ins Auge sehen kann! Und das versuche ich jedes Mal in dieser Weise zu machen.

domradio: Wo sie sich einig sind, ist das Thema Finanzkrise, die bestimmt ja nun derzeit die Agenda der Politik. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hat angekündigt, wieder vermehrt das Gespräch mit Bischöfen und Managern zu suchen. Wie wichtig ist Ihnen, wie wichtig ist insgesamt das Intervenieren der Kirche bei diesem Thema?
Zollitsch: Es ist doch tatsächlich bewusst geworden, dass Geld und Management alleine es nicht schaffen können. Und jetzt kommt im Zusammenhang Bankern und Bankwesen ein ganz neues Stichwort: Nämlich Glaube und Vertrauen. Und es ist tatsächlich so, der Mensch lebt entscheidend vom Vertrauen, und wenn kein Vertrauen da ist, dann geben die Banken einander keinen Kredit, das heißt, dann kann das Ganze nicht funktionieren. Infolgedessen ist es wichtig, dass tatsächlich dieser Irrglaube, man könne 15 oder gar 25% Rendite auf die Dauer erzielen, nun zerstört wird und dass wir nun wirklich zu einer Neubesinnung kommen für das, worum es eigentlich geht. Und dass ich auch mein Geld nicht nur für mich habe, sondern auch für die anderen, dass auch das sozialpflichtig ist. Dass ich bei all meinen Entscheidungen auch an die anderen denken muss, an den, der das bezahlen soll! Und ich hoffe, dass wir in diesem Zusammenhang nicht nur neu entdecken, dass wir Vertrauen zueinander brauchen, sondern dass auch die Solidarität uns wiederum vieles bewusster wird. Da haben wir als Kirche den Politikern aber auch den Bankern und den Männern der Wirtschaft gegenüber eine Aufgabe. Ich habe mehrfach im Herbst mit Wirtschaftsleuten darüber gesprochen, was das heißt, mit Werten zu wirtschaften. Dabei geht es dann nicht um die materiellen Werte, sondern auch um die Werte wie Solidarität, wie Zuverlässigkeit, wie Vertrauen. Wenn durch die Bankenkrise das wieder bewusst wird, dann ist das auch wieder eine Chance etwas Gutes daraus werden zu lassen.

domradio: Zu Beginn der Krise hat es viel Kritik gegeben, gerade für die Manager. Wie wichtig ist es Ihnen, dass es nicht allein in einer Managerschelte endet?
Zollitsch: Es waren ja nicht nur die Manager die die großen Gewinne machen wollten sondern es hat sich ja die Breite unserer Bevölkerung darauf eingelassen, man könnte tatsächlich  15 oder 25% Gewinn machen. Die Gier ist tatsächlich eine Untugend möchte ich sagen oder auch eine der Hauptsünden, die nun die breite Bevölkerung erfasst hat. Darum ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam uns besinnen und wir alle nicht nur darauf aus sind, möglichst viel Gewinn zu machen, sondern immer an die anderen denken. Denn die vielen, die sich haben motivieren lassen in der Meinung, man könnte das große Geld gewinnen, die sind genauso mit zur Haftung zu ziehen, wie die Großen, die vielleicht zuviel Gewinn machen wollten, vielleicht auch zuviel Gewinn eine gewisse Zeit gemacht haben auf Kosten und zu Lasten anderer.

domradio: Welche Aufgabe sehen sie speziell für das Jahr 2009, wagen wir einen Ausblick auf sich und ihr Amt zu kommen.
Zollitsch: Wir müssen vieles dazu tun, dass das Vertrauen unter den Menschen wieder wächst und das damit die Leute wieder mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Denn davon ist vieles abhängig, und dann müssen wir auch dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze erhalten werden, gesichert werden Dass die Menschen tatsächlich viel stärker aneinander denken und der eine stärker für den anderen da ist. Das sind die Aufgaben, die auf uns zukommen, und da können auch wir als Kirche unseren Beitrag leisten.