Erzbischof Thissen: Protestanten und Katholiken sollen Miteinander vermehren

"Der Weg ist wichtig"

Bei der Synode der Evangelischen Kirche hat der Hamburger Erzbischof Werner Thissen dazu aufgerufen, in der Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum nicht die Spaltung zu vertiefen. Im domradio.de-Interview erklärt er seinen Appell.

 (DR)

domradio.de: Welche Rolle spielt das Reformationsjubiläum für die katholische Kirche?

Thissen: Mit dem Begriff Jubiläum tue ich mich schwer, das habe ich auch bei der Synode gesagt. Denn schließlich muss man auch berücksichtigen, dass 1517 der Anfang der Kirchenspaltung war. Deshalb habe ich gesagt, das eigentliche Anliegen Luthers kommt erst dann völlig zum Tragen, wenn die Kirchen wieder eins sind. Luther wollte keine Kirchenspaltung. Und dafür müssen wir uns beide anstrengen, die evangelische und die katholische Kirche. Hier im Norden tun wir das sehr, wir haben viele gemeinsame Initiativen, sowohl, was Wortgottesdienste betrifft, als auch was soziale oder politische Initiativen betrifft. Da sind wir auf einem guten Weg.



domradio.de: Aber dennoch: Es gibt noch viel zu tun?

Thissen: Was Jahrhunderte auseinandergestrebt ist, kann man nicht in 50 Jahren - seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil versuchen wir das ja - völlig heilen. Aber: Der Weg ist wichtig. Und beide Kirchen haben sich deutlich vorgenommen, sich nicht gegenseitig Vorwürfe zu machen, sondern sich gegenseitig um Vergebung zu bitten für alles, was wir uns in den Jahrhunderten angetan haben.



domradio.de: Wo konkret sehen Sie Gräben, die nicht so leicht zu überwinden sind?

Thissen: Ich habe kürzlich in der Öffentlichkeit gesagt, wir verlieren uns manchmal auch dadurch aus dem Blick, dass wir so etwas wie konfessionelle Gefühligkeiten entwickeln. Da geht es gar nicht um Theologie, sondern um Gewohnheiten, die wir möglicherweise am anderen so nicht schätzen. Und die Reaktionen haben mir gezeigt, dass ich da einen richtigen Punkt getroffen hatte. Das sind nicht Gräben, aber es sind Hindernisse, auf die wir achten müssen. Wir müssen auf das achten, was wir sagen und wie wir es sagen. Bei allen Unterschieden, die es auch gibt, müssen die Worte von Wertschätzung getragen sein.



domradio.de: Die EKD wünscht sich für den Reformationstag 2017 einen bundesweiten gesetzlichen Feiertag. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?

Thissen: Mich hat besonders gefreut, dass der Ratsvorsitzende Präses Nikolaus Schneider dafür plädiert hat, das Jahr 2017 nicht als Luther-Jubiläum zu feiern, sondern als Christus-Jubiläum zu feiern. Das finde ich einen beherzigenswerten Vorschlag.



Das Gespräch führte Verena Tröster.