Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt zum Reformationstag

"Wir haben 2000 Jahre gemeinsame Kirchengeschichte"

Heute ist Reformationstag. Für Katholiken ist dieser Tag vor Allerheiligen kein Grund zu feiern, steht er doch für die Spaltung der Kirche durch Martin Luther im 16. Jahrhundert. In diesem Jahr blicken die Christen besonders auf das Reformationsjubiläum 2017 in fünf Jahren. Im domradio.de-Interview versucht Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt eine Annäherung.

 (DR)

domradio.de: Inwieweit wird denn das Reformationsjubiläum in fünf Jahren auch Thema auf der anstehenden EKD-Synode sein?--
Frau Göring-Eckhardt: Das wird sogar das bestimmende Thema sein. Wir wollen uns mit der Theologie für das Reformationsjubiläum beschäftigen. Die Synode hat sich vorgenommen, in diesem Jahr ein Signal zu setzen und Einfluss darauf zu nehmen, was geplant und was getan wird. Wir wollen die Frage stellen: Was bedeutet uns die Reformation eigentlich heute? Was macht unseren Glauben heute aus? Wo wird unser Herz bewegt? Wo stehen Wenden im Leben an? Das war ja bei Martin Luther und den Reformatoren eine ganz zentrale Frage. Insofern ist das das zentrale Thema unserer Synode.

domradio.de: Also quasi alles, was vor 500 Jahren geschah, noch einmal näher auf heute beziehen?--
Göring-Eckhardt: Na ja, nicht nur, was vor 500 Jahren war. Wir haben ja 2000 Jahre gemeinsame Kirchengeschichte und die Fragen von Zweifel und Individualität haben uns ja als Christinnen und Christen gemeinsam immer beschäftigt. Und natürlich ist auch in den letzten 500 Jahren sehr viel geschehen, insofern nicht nur das, was vor 500 Jahren war, auf heute bezogen, aber die Frage, was das Reformatorische heute ausmacht, basierend auf den Stichworten der Reformation. Es ging ja damals um die Kommunikation, da war das Thema Buchdruck ein ganz zentrales, das können wir uns heute kaum noch vorstellen, wo sich manch einer von Papier und Büchern schon wieder verabschieden will. Aber heute ist Kommunikation natürlich auch eine zentrale Frage in Glaubensdingen. Oder die Bildung oder die Emanzipation. Alles große Themen, die uns heute genauso beschäftigen wie damals.

domradio.de: Fünf Jahre ist ja noch eine Weile hin - aber gibt es schon konkrete Planungen für die Jubiläumsfeier?--
Göring-Eckhardt: Natürlich, das ist ja klar. Wir werden nicht nur in Wittenberg und um Wittenberg herum feiern, sondern einerseits in ganz Deutschland in reformatorischen Städten unterwegs sein. Aber wir werden natürlich auch den europäischen Blick nicht verlieren und wir sind sicher, dass Reformation eigentlich auch ein Ereignis von Weltrang ist. Wir tun das auch nicht allein, wir tun das mit den katholischen Glaubensgeschwistern, mit Vertretern anderer Religionen, aber wir tun es auch mit den "staatlichen" Vertretern und Vertreterinnen. Der Deutsche Bundestag hat in einem Antrag, den alle Fraktionen getragen haben, deutlich gemacht, dass das Reformationsjubiläum eben nicht nur etwas mit Religion zu tun hat, sondern auch mit Geschichte, mit unserem Staat. Das Thema Bildung habe ich ja bereits genannt, aber natürlich auch der Bezug auf die Individualität, die Verantwortung des Einzelnen, die Entwicklung der Demokratie, alles das hat ja mit den Reformatoren und ihren Bekenntnissen sehr zu tun. Insofern ist das nicht etwas, wo wir uns hinter verschlossenen Türen über irgendetwas freuen, das nur uns selbst betrifft, sondern wir wollen in die Welt hinausgehen.

domradio.de: Sie haben gerade auch die ökumenische Zusammenarbeit angesprochen. Der katholische Ökumenebischof Gerhard Feige aus Magdeburg hat gestern bei uns im domradio gesagt, dass sich die Katholiken aus seiner Sicht gar nicht so für das Reformationsjubiläum begeistern könnten und auch nicht so fröhlich mitfeiern könnten. Wie sehen Sie das denn?--
Göring-Eckhardt: Ich hoffe sehr, dass es gelingen wird. Dafür ist ja auch noch ein bisschen Zeit. Wir wollen wirklich gemeinsam feiern, weil man ja nicht sagen kann, mit dem Reformationsjubiläum wollten wir etwas feiern, was uns unterscheidet, sondern wir feiern, dass wir das Wort und die Person Christi wieder in die Mitte gestellt haben. Und das können wir nun wirklich gemeinsam feiern, da wird nicht zwischen den Konfessionen unterschieden, auch wenn es natürlich nach wie vor Dinge gibt, die uns trennen. Und der Bezug auf Christus, der Bezug auf das Wort Gottes, der Bezug auf die Gnade - das ist nun wirklich etwas, das uns eint. Und ich hoffe sehr, dass wir genau das auch wirklich miteinander feiern können. Und es ist ja auch nicht so, dass die Kirchengeschichte stehengeblieben wäre und die einen in die eine Richtung und die andern in die andere Richtung gegangen wären, sondern wir sind ja auch gemeinsam viele Schritte gegangen. Das Zweite Vatikanum ist ein Beispiel dafür, wo die Frage der Individualität und der Gnade eine große Rolle gespielt hat - und das war vor 50 Jahren. Warum soll man dessen nicht gemeinsam gedenken können.

domradio.de: Das heißt, die katholische Kirche spielt jetzt auch eine aktive Rolle in den Vorbereitungen und Planungen für das Jubiläum? --
Göring-Eckhardt: Wir führen viele Gespräche und die führen wir natürlich zentral, sozusagen zwischen EKD und der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz, aber wir führen sie auch auf internationaler Ebene und wir führen sie vor allem auch in den Kirchengemeinden. Die bereiten sich ja inzwischen auch vor, auch die Landeskirchen bereiten sich vor und dort geht es niemals ohne eine Einbeziehung der katholischen Geschwister, in welcher Art und Weise auch immer. Und es ist auch darauf ausgerichtet, dass wir als Christinnen und Christen im Sinne einer Versicherung dessen, was wir glauben, auch in einer säkularer werdenden Welt deutlich machen, worum es uns eigentlich geht. Ich glaube, das ist ein guter Anspruch, dafür kann man auch ein solches Jubiläum, das ja nun einmal dazu führt, dass die Scheinwerfer eingeschaltet werden, gemeinsam nutzen.



Hintergrund

Bundesweit feiern protestantische Christen an diesem Mittwoch den Reformationstag. Mit Gottesdiensten und zahlreichen Veranstaltungen erinnert die evangelische Kirche an ihren Ursprung. Vor fast 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, verbreitete Martin Luther seine 95 Thesen gegen die Missstände der spätmittelalterlichen Kirche. Dieses Datum gilt als Beginn der Reformation. Rund 100.000 vor allem junge Gäste werden bundesweit zudem zu sogenannten ChurchNight-Aktionen und Luther-Partys erwartet.

Damit soll ein Kontrast zu den verbreiteten Halloween-Festen gesetzt werden.



Am Reformationstag überträgt das Erste den zentralen Gottesdienst ab 10 Uhr live aus der Leipziger Thomaskirche. Die Predigt hält der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der rheinische Präses Nikolaus Schneider. Dies ist zugleich sein erster offizieller Auftritt nach einer längeren Erkrankung. In dem Gottesdienst wird das 800-jährige Bestehen des berühmten Thomanerchores gefeiert. Im Anschluss wird die Martin-Luther-Medaille an den Dirigenten und früheren Leiter der Bachakademie Stuttgart, Helmuth Rilling (79), verliehen.



In Worms wird am Mittwochabend das neue Themenjahr "Reformation und Toleranz" der Lutherdekade eröffnet. Damit ist zugleich Halbzeit der Dekade, mit der die evangelischen Kirchen sowie Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam das Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten. In der Lutherdekade, die 2008 in Wittenberg startete, steht jedes Jahr ein anderes Thema im Mittelpunkt. Das Jahr 2012 stand unter dem Schwerpunkt "Reformation und Musik".



Zur Eröffnung des neuen Themenjahres 2013 predigt die EKD-Botschafterin für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann. Als Redner wird zudem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der Lutherstadt erwartet.



Der Reformationstag ist in den neuen Bundesländern, nicht aber in Berlin und im alten Bundesgebiet gesetzlicher Feiertag. In Thüringen wird dieser Tag nur in überwiegend evangelischen Gemeinden als gesetzlicher Feiertag begangen.



Katrin Göring-Eckardt zwischen Kirchenamt und Spitzenwahlkämpferin der Grünen

Synoden-Präses und Bundestagsvizepräsidentin: Katrin Göring-Eckardt (Grüne) verbindet schon lange Protestantismus und Politik in einer Person. In der nächsten Woche ist ihre Doppelrolle aber besonders pikant: Wenn am Sonntag das Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Ostseebad Timmendorfer Strand die Beratungen unter ihrem Vorsitz beginnt, startet zeitgleich die Auszählung der Stimmen der Grünen-Urwahl für das Spitzenduo zur Bundestagswahl. Um diesen Posten bewirbt sich auch Göring-Eckardt.



Diese Gleichzeitigkeit der Ereignisse nimmt die 46-Jährige bislang gelassen: "Zum Glück wird ja nur gezählt", sagte sie am Montag in Berlin. Mit dem Präsidium der EKD-Synode hat sie eine klare Absprache: Wird sie Spitzenfrau ihrer Partei, lässt sie das Kirchenamt ruhen. Politiker aus Union und FDP bewerteten bereits Göring-Eckardts Bewerbung fürs Spitzen-Wahlteam als unvereinbar mit den Kirchenämtern. Das Präsidium sah darin aber kein Problem.



Nach dem Zeitplan der Grünen soll spätestens am 9. November das Ergebnis der Urwahl feststehen. Wenn die Stimmenzählung früher beendet ist, könnte es die Synodentagung tangieren, die bis zum 7. November dauert. "Es wird nicht schneller gehen", ist Göring-Eckardt überzeugt.



Für die Grünen-Politikerin gehören politische und christliche Verantwortung schon immer zusammen. Geboren im thüringischen Friedrichroda studiert Göring-Eckardt in der DDR evangelische Theologie. In der Zeit des politischen Umbruchs begann ihr politisches Engagement. Sie war Gründungsmitglied von "Demokratie jetzt" und "Bündnis 90". Seit 1998 sitzt sie im Bundestag, war von

2002 bis 2005 Fraktionsvorsitzende. Bundestagsvizepräsidentin ist sie seit 2005.



Nebenher übernahm sie kirchliche Ämter: Seit 2009 ist sie Präses der EKD-Synode. Außerdem verantwortete sie den evangelischen Kirchentag 2010 in Dresden als Präsidentin. Als Synoden-Vorsitzende gehört sie außerdem zum Rat der EKD.



Mit ihrem kirchlichen Engagement unterscheidet sich Göring-Eckardt von den anderen Kandidaten in der Urwahl. Unter den vier Bewerbern mit den meisten Aussichten - neben ihr sind das die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin sowie Parteichefin Claudia Roth - ist sie sogar offenbar die einzige, die sich zu ihrem Glauben bekennt. Bei einem der Urwahl-Foren, bei denen sich die Bewerber für den Spitzenposten zur Wahl den Fragen der Basis stellten, sei gefragt worden, ob man an Gott glaube, erzählt Göring- Eckardt. "Ich war die einzige, die das Schild auf "Ja" gedreht hat."



Eine aussichtsreiche Kandidatin ist die Thüringerin - unter den Top-Kandidaten auch die einzige aus Ostdeutschland - gleichwohl nicht. "Spiegel Online" fragte kürzlich die Grünen-Wähler, welches Team die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen soll. Für Göring-Eckardt blieb dabei nur ein Platz in der viertbeliebtesten Paarung - an der Seite von Jürgen Trittin und abgeschlagen hinter den anderen Polit-Profis.



Die Hoffnung, dass die Parteibasis anders entscheidet als die Anhänger, ist Göring-Eckardt dennoch anzumerken. "Ich freue mich, dass Synode ist. Dann habe ich keine Zeit, nervös zu sein", sagt sie. Und während sie dann als Präses politische Zurückhaltung üben muss, haben es andere leichter: Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück werden auf der Synode erwartet. (epd)