Erzbischof sieht Muslime bei Integrationsdebatte als Sündenböcke

"Hysterisch und populistisch helfen da nicht"

Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky wirft Thilo Sarrazin in der Debatte über die muslimische
Einwanderung vor, Migranten zu Sündenböcken für eine falsche Politik zu machen. Die Muslime selber wünschen sich unterdessen mehr Rückendeckung der Politik.

 (DR)

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat  an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appelliert, sich stärker hinter die Muslime zu stellen. Merkel solle sich ihrer Sorgen und Ängste annehmen, erklärte der ZMD-Generalsekretär, Aiman Mazyek in einem Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag).



Zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 betonte Mazyek, besonnene Töne habe es in der unmittelbaren Zeit nach den Anschlägen häufiger gegeben als heute. Vielfach werde die Angst vor dem Islam --
instrumentalisiert. --
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Auch andere Spitzenpolitiker sollten "deutlichere Zeichen in der derzeit aufgeheizten Stimmung setzen", so Mazyek. Die muslimische Gemeinschaft gäbe eine solche kulturelle Anerkennung um ein Vielfaches zurück. "Muslim-Kritik kann es, soll es geben. Aber dahinter verbergen sich sehr oft blanker Rassismus und Populismus und das in zunehmendem Maße", betonte er.



Erzbischof: Sarrazin polarisiert

"Herr Sarrazin polarisiert, indem er die Fremden zu Schuldigen erklärt für das, was in Deutschland schief läuft und bisher misslungen ist", erklärte der Berliner Erzbischof Sterzinsky am Samstag im RBB-Hörfunk. Die Bibel rufe dazu auf, Fremde wie Einheimische anzunehmen: "Ein Deutschland, das an Gottes Wort festhält, schafft sich nicht ab", betonte Sterzinsky in Anspielung auf den Titel von Sarrazins neuem Buch "Deutschland schafft sich ab".



Der Kardinal räumte Spannungen zwischen Zuwanderern und Einheimischen ein. Es gebe eine Haltung der Integrationsverweigerung, aber auch eine gescheiterte Integrationspolitik, so Sterzinsky. Die Besorgnis darüber sei ernst zu nehmen, sachliche und lösungsorientierte Antworten müssten gefunden werden. "Hysterische, populistische Debatten helfen da nicht", betonte der Kardinal.



Laut einer Umfrage der "Berliner Morgenpost" und der RBB-Abendschau haben die meisten Berliner eine gute Meinung zum erreichten Stand der Integration in der Stadt. 53 Prozent schätzen das Zusammenleben von alteingesessenen Deutschen und Zuwanderern als "eher gut" ein, drei Prozent sogar für "sehr gut". Ein Drittel (33 Prozent) empfindet das Verhältnis dagegen als "eher schlecht", fünf Prozent als "sehr schlecht". Für die Umfrage befragte Infratest dimap zwischen dem 3. und 6. September 1.000 wahlberechtigte Berliner.