Erzbischof Leonards Äußerung zu Aids im Wortlaut

«Immanente Gerechtigkeit»

Zu den jüngsten umstrittenen Äußerungen des belgischen Bischofskonferenz-Vorsitzenden Erzbischof Andre-Joseph Leonard (70) gehört eine Ausführung zum Thema Aids. Sie findet sich in einem Interview-Buch mit Leonard, das bereits 2006 in französischer Sprache erschien. Die jetzt veröffentlichte Übersetzung des Buches ins Niederländische sorgte für Empörung auch in der belgischen Kirche. Hier eine Übersetzung des Absatzes aus dem Französischen:

 (DR)

Frage: Was denken Sie über Aids? Sehen Sie darin eine "Strafe Gottes" infolge der sexuellen Befreiung?



Leonard: Man hat Johannes Paul II. einmal die Frage gestellt: "Ist Aids eine Strafe Gottes?" Er hat mit viel Weisheit geantwortet: "Es ist sehr schwer, die Absichten Gottes zu erkennen." Meinerseits würde ich ganz und gar nicht mit diesen Worten argumentieren.

Äußerstenfalls könnte man in dieser Epidemie eine Art immanenter Gerechtigkeit sehen, ganz und gar nicht eine Strafe, ein bisschen wie - mit Blick auf die Ökologie - wenn man die Umwelt schlecht behandelt; das endet dann damit, dass sie uns ihrerseits schlecht behandelt.



Und wenn man die menschliche Liebe schlecht behandelt, vielleicht rächt sie sich dann, ohne dass es dafür der Intervention einer transzendenten Ursache bedürfte. Vielleicht handelt es sich um eine immanente Gerechtigkeit. Aber was die unmittelbaren Gründe angeht, da ist es Sache der Mediziner zu sagen, wie die Krankheit entstanden ist, wie sie sich anfangs übertragen hat, wie ihre Übertragungswege sind... Wenn Sie eine eher allgemeine Überlegung hören möchten, dann würde ich sie eher in der Ordnung einer gewissen immanenten Gerechtigkeit sehen. Die körperliche Natur zu misshandeln führt dazu, uns zu misshandeln, und die tiefe Natur der menschlichen Liebe zu misshandeln endet immer damit, Katastrophen auf allen Ebenen zu erzeugen."