Erstmals weniger als 50 Prozent christliche Beerdigungen

Bestattungskultur in Deutschland immer vielfältiger

Im Begräbniswald oder auf dem Friedhof, in Urne oder Eichensarg, mit individuell gestalteter Trauerfeier oder anonymer Bestattung: Die Bestattungskultur in Deutschland ist immer vielfältiger geworden. Ein kleiner Überblick.

Autor/in:
Christoph Arens
Frisch ausgehobenes Grab mit biologisch abbaubarer Urne im Friedwald / © Jörg Loeffke (KNA)
Frisch ausgehobenes Grab mit biologisch abbaubarer Urne im Friedwald / © Jörg Loeffke ( KNA )

Nicht nur der Anteil der Bundesbürger, die einer der beiden großen Kirchen angehören, ist unter die 50-Prozent gefallen. Auch der Anteil kirchlicher Bestattungen macht bundesweit erstmals weniger als die Hälfte aus. Insgesamt wird die Bestattungskultur in Deutschland immer vielfältiger.

Wie die in Königswinter bei Bonn ansässige Verbraucherinitiative Bestattungskultur "Aeternitas" ermittelt hat, wurden 2020 in Deutschland 489.664 Bestattungen katholisch oder evangelisch begleitet. Damit gab es 49,7 Prozent christliche Beerdigungen. Im Jahr 2000 machte ihr Anteil noch 71,5 Prozent aus.

Bestattungswald im Trend

Einen Wandel stellen die Experten auch bei der Form der Bestattungen fest. Wurden vor 30 Jahren noch weniger als ein Drittel der Verstorbenen eingeäschert, sind es mittlerweile rund 70 Prozent. Der Trend dürfte sich noch verstärken. Denn nach einer aktuellen Umfrage von "Aeternitas" wollen nur noch 12 Prozent der Befragten klassisch in einem Sarg auf einem Friedhof begraben werden.

25 Prozent bevorzugen demnach die Beisetzung in einem Bestattungswald. Auch pflegefreie Grabangebote würden mit 18 Prozent immer beliebter. Dazu zählen etwa Urnenwände. Ein klassisches Urnengrab auf einem Friedhof wünschen 14 Prozent und eine Beisetzung auf See 6 Prozent.

Rund drei Viertel halten es laut Umfrage für veraltet, dass Verstorbene auf Friedhöfen beigesetzt werden müssen. 13 Prozent hätten gerne ihre Asche in der freien Natur verstreut; 8 Prozent würden bevorzugen, dass Angehörige die Urne zuhause aufbewahren oder die Asche im heimischen Garten beisetzen.

Pflegeleicht oder persönlich

"Traditionen, Konventionen und religiöse und familiäre Bindungen verlieren an Bedeutung", so fasst es der Vorstand der Verbraucherinitiative, Christoph Keldenich, zusammen. "Mobilität und Vielfalt der Lebensentwürfe nehmen zu." Das hat auch Auswirkungen auf Tod und Sterben.

Kirchen, Friedhofsverwalter und Bestatter beobachten zwei gegenläufige Trends: auf der einen Seite immer mehr pflegeleichte Grabstellen, etwa Rasengräber oder Urnenwände. Das klassische, über Generationen gepflegte Familiengrab wird Auslaufmodell. Auf der anderen Seite wächst der Wunsch nach persönlich gestalteten Grabmalen.

Offenes Grab / © Beatrice Tomasetti (DR)
Offenes Grab / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Der Trend zu anonymen Gräbern scheint allerdings durch das stärkere Angebot pflegeleichter Grabstellen gestoppt, sagt Aeternitas-Pressesprecher Alexander Helbach. Zugleich nimmt die Zahl der Baumbestattungen weiter zu. Rund 250 Bestattungswälder gebe es mittlerweile in Deutschland, schätzt Helbach. Auch auf immer mehr öffentlichen und kirchlichen Friedhöfen sind Baumbestattungen möglich.

Sargpflicht entfällt

Weit flexibler sind die Regelungen zum Sargzwang: Insbesondere aus Rücksicht auf Muslime, bei denen die Bestattung in einem Leichentuch stattfindet, wurden in allen Bundesländern bis auf Sachsen und Sachsen-Anhalt Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen.

Solche Vielfalt war lange unmöglich: Es war die Angst vor Seuchen, die etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu der Vorschrift führte, dass Tote nur auf festgelegten Flächen außerhalb der bewohnten Orte beerdigt werden durften. Seit 1934 gilt dies zwingend auch für die Asche von Toten.

Eine Ausnahme ist die Seebestattung. Während andere Länder inzwischen erlauben, die Asche Verstorbener auch daheim aufzubewahren, bleibt Deutschland streng. Lediglich Bremen hat seit 2015 Ausnahmen ermöglicht.

Festhalten an der Friedhofspflicht

Insbesondere die Kirchen wehren sich gegen eine Aufhebung der Friedhofspflicht: Friedhöfe sollten als Orte des Gedenkens, der Mahnung und des gemeinschaftlichen Trauerns erhalten bleiben. Auch Städte und Gemeinden haben ein Interesse am Erhalt von Friedhöfen. Schließlich können sie ihre Kosten kaum noch decken, weil es immer weniger Erdbestattungen gibt.

Allee auf einem Friedhof (shutterstock)

Jahrzehntelangen Streit gab es um die Zulassung von Feuerbestattungen. Die Kirchen wehrten sich lange gegen das Verbrennen der Leichen, sollten die Toten doch für den Tag ihrer "fleischlichen" Auferstehung in ein Grab gelegt werden. Leichenverbrennungen galten als besonders schändliche Bestattungsform, etwa für vermeintliche Hexen.

1960 waren gerade mal zehn Prozent der Bestattungen in der Bundesrepublik Feuerbestattungen. Die evangelische Kirche gab 1920 ihren Widerstand auf. Erst 1963 erlaubte der Vatikan auch Katholiken Einäscherungen.

Quelle:
KNA
Mehr zum Thema