Erster Humanitärer Weltgipfel in Istanbul

Papst Franziskus: "Jedes Menschenleben vorbehaltlos schützen"

Wegen Kriegen, Konflikten und Katastrophen sind 125 Millionen Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen - darüber beraten Staatschefs und Hilsorganisationen auf einem UN-Gipfel in Istanbul. Papst Franziskus betet für den Erfolg der Gespräche.

Kinder in Syrien / © Nabil Mounzer (dpa)
Kinder in Syrien / © Nabil Mounzer ( dpa )

Wie kann man den Bewohnern belagerter Orte in Syrien lebensnotwendige Güter zukommen lassen? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es für die Flüchtlingskrise? Wie können Jahrzehnte andauernde humanitäre Krisen beendet werden? Kurz: Wie kann menschliches Leid überall auf der Welt gelindert werden? Um solche Fragen geht es beim ersten Weltgipfel für Humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen am Montag und Dienstag in Istanbul. 

Beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz am Sonntag betete Papst Franziskus für einen Erfolg des Gipfels. Konflikte, Umweltprobleme und extreme Armut verursachten dramatische humanitäre Notlagen, sagte der Papst. Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs rief er auf, sich "vorbehaltlos für das humanitäre Hauptziel einzusetzen: jedes Menschenleben zu schützen, ausnahmslos, besonders die Unschuldigen und die Schutzlosesten".

Auch Delegation aus dem Vatikan in Istanbul

Der Vatikan entsendet eine ranghohe Delegation zum Gipfel in Istanbul. Als Vertreter des Papstes nehmen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York, Erzbischof Bernardito Auza, und der ehemalige Ständige Beobachter bei den Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, an der Konferenz teil.

In den vergangenen Wochen gab es Spekulationen, der Papst könnte persönlich an der Konferenz teilnehmen. Während seines Besuchs auf der griechischen Insel Lesbos äußerte er Mitte April die Hoffnung, dass der Weltgipfel ein Erfolg werde.

Kritik im Vorfeld des Gipfels

Zu dem Gipfel werden insgesamt 5.000 Vertreter von Regierungen und Hilfsorganisationen aus der ganzen Welt erwartet, darunter mehr als 90 Staats- und Regierungschefs. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihr Kommen angekündigt. Zu dem Treffen hatte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon Staats- und Regierungsspitzen weltweit eingeladen.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat ihre Teilnahme am Gipfel allerdings abgesagt. Die dringendsten Themen würden dort ausgelassen, hieß es zur Begründung - etwa die Frage, wie Hilfskräfte besser geschützt werden können.

"Im vergangenen Jahr gab es Bombenangriffe auf 75 Krankenhäuser, die von MSF betrieben oder unterstützt wurden", teilte MSF mit. Bei dem UN-Treffen würden den Regierungen trotz "schockierender Verletzungen internationalem humanitären Rechts und der Rechte von Flüchtlingen" keine konkreten Verpflichtungen abverlangt.

"Nur akute Not wird bekämpft"

Im vergangenen Oktober starben 42 Menschen bei einem US-Luftangriff auf ein MSF-Krankenhaus in Afghanistan. In Syrien hat Russland wiederholt Krankenhäuser und Schulen bombardiert. Auch im Jemen und in Libyen sind Kliniken getroffen worden. Russland hat seinerseits ebenfalls Unzufriedenheit über den Gipfel geäußert. Der Ansatz der UN richte sich zu sehr nach den Bedürfnissen von Hilfsorganisationen und ignoriere die der Mitgliedstaaten.

Andere Beteiligte kritisieren kurzsichtige Lösungsansätze in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Wenn nur akute Not bekämpft werde, blieben wichtige Aufgaben auf der Strecke, meint etwa Hannah Stoddart von der Hilfsorganisation War Child in London. "Es gibt 37 Millionen Kinder in Konfliktgebieten, denen der Zugang zu Bildung verwehrt wird", sagt sie. "Das humanitäre System als Ganzes lässt Kinder im Stich."

20 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe nötig

Neben den neueren Kriegen häufen sich auch ungelöste Konflikte. Der Südsudan wird immer wieder von Hungersnöten und Gewalt heimgesucht. Die Demokratische Republik Kongo braucht seit dem Völkermord im benachbarten Ruanda vor mehr als 20 Jahren beinahe ständig Hilfsleistungen in größerem Umfang.

Rund 125 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen - darunter 60 Millionen Vertriebene. Wenn sie alle in einem Land leben würden, wäre es das neuntgrößte der Welt. Die UN-Behörden und ihre Partner brauchen nach eigenen Angaben in diesem Jahr 20 Milliarden US-Dollar für humanitäre Hilfe. Bisher sind nur 1,5 Milliarden Dollar angekommen. "Bei 125 Millionen Menschen in Not muss man alle Akteure zusammenbringen, um zu diskutieren, wie man es besser machen kann", sagt der Sprecher des Gipfels, Herve Verhoosel. "Die Dinge müssen sich ändern."


Quelle:
KNA , dpa