Erste Hochschulgemeinde unter Leitung geistlicher Gemeinschaft - Kardinal Meisner verteidigt Entscheidung

"Hier muss eine richtige Liebesehe entstehen"

In Bonn hat bundesweit zum ersten Mal eine geistliche Gemeinschaft und kein Diözesanpfarrer die Leitung einer Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) übernommen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner führte die Seelsorger der Gemeinschaft Chemin Neuf am Mittwochabend in das Amt ein. Kritik kommt von der Konferenz für Katholische Hochschulpastoral in Deutschland (KHP) und Mitgliedern der Hochschulgemeinde.

 (DR)

Im Festgottesdienst sagte Meisner, Aufgabe einer Hochschulgemeinde sei es, "am Aufbau des Reiches Gottes für die Welt zu arbeiten". Die Studenten sollten sich Wissen aneignen, um die christliche Botschaft in Parteien, Verbände oder Gewerkschaften zu bringen. "Wir sollten die gesellschaftlichen Schaltstellen nicht Menschen überlassen, die von Gottes Heilsplan nichts wissen", so Meisner.

Der Gründer der 1973 in Frankreich entstandenen Gemeinschaft Chemin Neuf (Neuer Weg), der Jesuit Laurent Fabre, verwies beim anschließenden Festakt darauf, dass es nach Bekanntgabe des Leitungswechsels Schwierigkeiten gegeben habe. "Doch was anfangs eine schlechte Überraschung war, ist mit Hilfe des Heiligen Geistes zu einer guten Überraschung geworden." Auch der neue Hochschulpfarrer Pater Christophe Jakob und ein Studentenvertreter betonten, dass erste Kommunikationsschwierigkeiten einer gegenseitigen Offenheit gewichen seien. In vielen Ansichten seien sich Chemin Neuf und die Gemeinde näher als gedacht. Meisner sagte augenzwinkernd:
"Hier muss eine richtige Liebesehe entstehen. Das ist im Rheinland möglich."

Die Konferenz für Katholische Hochschulpastoral in Deutschland
(KHP) und Mitglieder der Hochschulgemeinde hatten den Leitungswechsel zu Jahresbeginn kritisiert. Sie befürchteten, dass die spirituelle Vielfalt sowie politisch-gesellschaftliche Debatten in der Gemeinde verloren gehen könnten. Pater Christophe Jakob, der aus Frankreich stammt, wird in seinem neuen Amt vom zweiten Hochschulpfarrer Pater Hasso Beyer aus Bayern unterstützt. Sie leben in Bonn zusammen mit zwei evangelischen Frauen in einer Chemin-Neuf-Gemeinschaft.

Weltweit rund 1.000 Mitglieder
Chemin Neuf war in der französischen Stadt Lyon als katholische Gemeinschaft mit ökumenischer Ausrichtung aus einem Gebetskreis hervorgegangen. Darin sind ehelose und verheiratete Männer und Frauen verschiedener Konfessionen engagiert. Weltweit hat die Gemeinschaft nach eigenen Angaben gut 1.000 Mitglieder. In Deutschland gibt es einzelne in mehreren Städten sowie drei Häuser der Gemeinschaft in Berlin und eines in Bonn. Die Mitglieder folgen einer gemeinsamen Gebets- und Lebensregel und berufen sich in ihrer Spiritualität auf Jesuitengründer Ignatius von Loyola (1491-1556), die charismatische Erneuerungsbewegung und den ökumenischen Aufbruch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965).