Berliner Bischöfe kritisieren Sterbehilfe-Urteil

"Erschreckende Neubewertung des Lebensschutzes"

Die Karlsruher Richter haben mit ihrem Urteil zur Sterbehilfe vor mehr als einer Woche eine neue Debatte entfacht. Kritik an dem Urteilsspruch kommt nun von den Berliner Bischöfen Koch und Stäblein.

Sterbehilfe / © Oliver Berg (dpa)
Sterbehilfe / © Oliver Berg ( dpa )

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat das Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts scharf kritisiert. Damit habe das Gericht "eine für viele erschreckende Neubewertung des Lebensschutzes vorgenommen", erklärte Koch in einem Gottesdienst am Sonntag in der Berliner St. Joseph-Kirche. Gesellschaftlich werde mit dem Urteil das Empfinden wachsen, "dass es lebenswertes und lebensunwertes Leben gibt". Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, sagte am Samstag im RBB-Hörfunk, die Argumentation des Gerichts habe ihn "ziemlich verstört".

Erzbischof Koch sieht Entscheidung "kritisch"

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar das seit 2015 geltende Verbot organisierter Hilfe beim Suizid gekippt. Die Vorschrift sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, erklärte das höchste deutsche Gericht. Es sei dem Gesetzgeber aber nicht untersagt, die Suizidhilfe zu regulieren. Geklagt hatten schwerstkranke Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte. Sie sahen im bisherigen Recht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsfreiheit.

Der katholische Erzbischof Koch betonte, mit der Feststellung des Gerichts, dass ein "Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" unvereinbar mit dem Grundgesetz sei, werde im Umkehrschluss der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" Tür und Tor geöffnet. Er sehe deshalb die Entscheidung der Karlsruher Richter "kritisch".

Das Gericht habe "viele Aspekte des Schutzes des menschlichen Lebens nicht oder kaum berücksichtigt", sagte der katholische Theologe weiter. So seien Sterbewünsche - das zeigten alle Untersuchungen - ambivalent und "von Bedrängnissen und Augenblickstimmungen" abhängig.

Die Absolutsetzung der Selbstbestimmung eines jeden Menschen, wie sie im Urteil zum Ausdruck komme, bedeute eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Eine Schutzpflicht des Staates für das Leben sei damit in dieser Frage minimalisiert worden, sagte Koch.

Umgang mit dem Sterben

Der Berliner evangelische Bischof Stäblein betonte: "Wenn ich das Urteil richtig verstehe, will es allen wohlmeinenden, aber bevormundenden Vorschriften wehren, indem es klar stellt: Niemand hat dir dein Lebensende vorzuschreiben, erst recht nicht, wenn du unheilbar krank bist." Das Gericht wolle wohl damit Freiheit zulassen - "nicht als erstes zum Sterben", sondern "Freiheit zum Leben", und betone, was diese Freiheit stärkt; auch gegen sozialen Druck von außen, das Leben aufzugeben.

Auf die Frage "Wem gehört unser Sterben" sei seine persönliche "Antwort des Glaubens" aber sehr klar, sagte Stäblein weiter: "Es gehört nicht anderen, es gehört nicht mir, sondern Gott. Er hat das Leben geschenkt, er nimmt es wieder zu sich." Die Aufgabe der Gesellschaft sei es deshalb, gerade kranken Menschen "bis zum letzten Atemzug" zu helfen, das Leben als Geschenk zu betrachten.


Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse ( KNA )

Der evangelische "Hauptstadtbischof" Christian Stäblein / ©  Jörg Carstensen (dpa)
Der evangelische "Hauptstadtbischof" Christian Stäblein / © Jörg Carstensen ( dpa )
Quelle:
epd