Aufarbeitung der Diskriminierung von Christen in der DDR holpert

Erfurter Forschungsprojekt scheint vorerst geplatzt

Dass Christen in der DDR benachteiligt und diskriminiert wurden, ist bekannt. Die Aufarbeitung indes stockt in Thüringen immer wieder. Die Kirchen haben ihrem Ärger nun Luft gemacht. Den bekam die Landesregierung zu spüren.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Scharfe Kritik der Kirchen in Thüringen an der rot-rot-grünen Landesregierung ist selten. Aber diesmal scheinen sie wirklich sauer zu sein. Anders lässt sich die Erklärung des katholischen Bischofs Ulrich Neymeyr und der evangelischen Bischöfin Ilse Junkermann kaum lesen: "Das Scheitern dieses für die Aufarbeitung der SED-Diktatur so wichtigen Forschungsvorhabens enttäuscht uns sehr."

Gemeint ist das Projekt der Universität Erfurt zu "Bildungswegen von Christinnen und Christen in der DDR nach dem Mauerbau - Staatliche Repressionen und biografische Folgen". Den Förderantrag dafür lehnte die Thüringer Programmkommission unter Vorsitz von Staatssekretär Markus Hoppe (SPD) vorige Woche ab.

Vertane Chance

Damit sei weit mehr gescheitert als ein bloßer wissenschaftlicher Förderantrag, kritisieren die Kirchen: "Hier wurde die Chance vertan, die systematische und oft massive Benachteiligung von Christinnen und Christen in der DDR mit ihrer Wirkung bis heute umfassend zu beleuchten und den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, über Erlebtes und Erlittenes zu sprechen."

Für sie ist das Forschungsprojekt das Kernstück der Aufarbeitung religionsbedingter Diskriminierung und Verfolgung in Thüringen während der DDR-Zeit - und damit Prüfstein für die Glaubwürdigkeit des erklärten Aufarbeitungswillens der Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Seit Jahren sorgt das Thema für Spannungen. So empörten sich die Kirchen massiv, als 2016 die zuständige Staatssekretärin Babette Winter (SPD) erklärte, Christen seien in der DDR keine besondere Opfergruppe gewesen. Sie selbst wisse "von sieben Fällen, in denen die Aktivität in der Kirche zu einem Eingriff des Staates in die Lebensbiografie geführt" habe. Auf Intervention der Kirchen richtete die Staatskanzlei ein Jahr später die sogenannte AG Christen im DDR-Unrechtsstaat ein, um Handlungsempfehlungen zu Aufarbeitung und Erforschung zu geben.

Junkermann und Neymeyr betonen, mit Einrichtung der AG, die auch das Forschungsprojekt auf den Weg brachte, habe die Staatskanzlei bei vielen Betroffenen und den Kirchen "große Hoffnungen und Erwartungen geweckt". Ein Scheitern wäre eine massive Enttäuschung. Nichts sei geplatzt, heißt es indes aus Staatskanzlei und Wissenschaftsministerium. Das Land stehe weiter zur Aufarbeitung.

Entscheidung beruhe auf zwei externen Fachgutachten

Allerdings sei der Förderantrag wegen "erheblicher fachlicher Kritik" im ersten Anlauf als nicht förderfähig eingestuft worden, so Staatssekretär Hoppe. Die Entscheidung beruhe auf zwei externen Fachgutachten. Das Land habe aber nun die Möglichkeit eröffnet, "in der nächsten Förderrunde im April 2019 einen neuen, substantiell überarbeiteten Förderantrag zu stellen".

Dahinter verbergen sich jedoch zwei Untiefen: Zum einen soll die beantragte Fördersumme von 660.000 Euro von der Thüringer Aufbaubank finanziert werden. Deren Förderprogramm zielt aber vorrangig auf Forschung für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Thüringen ab.

Entsprechend monieren die Kirchen, die von der Landesregierung vorgeschlagenen Förderstrukturen hätten sich "letztlich als ungeeignet erwiesen".

Die CDU-Landtagsfraktion geht noch weiter und unterstellt Vorsatz: "Wenn die Staatskanzlei wirklich an diesem Forschungsprojekt interessiert gewesen wäre, hätte sie nicht zu diesem Blindflug raten dürfen", erklärt die Abgeordnete Marion Walsmann. Ihre Fraktion will das Projekt nun im Kulturausschuss thematisieren und verlangt eine Erklärung.

Die zweite Untiefe ist die in Abrede gestellte Wissenschaftlichkeit des Förderantrags - der unter Federführung des Erfurter Kirchenhistorikers Jörg Seiler entstand. Dem Vernehmen nach war eines der beiden Fachgutachten persönlich verletzend. Seiler selbst will sich zu der Sache nicht äußern.

Er ist offenbar nicht bereit, auf Basis dieser Kritik den Antrag grundsätzlich zu überarbeiten. Offen bleibt, inwieweit Kräfte Einfluss genommen haben, die verhindern wollen, dass bei der Aufarbeitung den Christen eine "Sonderrolle" unter den SED-Opfern zuerkannt wird. Scheitern oder Fortgang des Projekts werden für das künftige Staat-Kirchen-Verhältnis in Thüringen eine wichtige Rolle spielen.


Bischof Ulrich Neymeyr im Portrait / © Jacob Schröter (KNA)
Bischof Ulrich Neymeyr im Portrait / © Jacob Schröter ( KNA )

Landesbischöfin Ilse Junkermann  / © Norbert Neetz (epd)
Landesbischöfin Ilse Junkermann / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA