Eremit Cuypers liebt die Stille, aber auch die Seelsorge

Einsiedelei mit Internet-Anschluss

Absolute Stille und bitte ja nicht ansprechen! Über Eremiten gibt es jede Menge Klischees. Aber Pater Norbert Cuypers von der Einsiedelei Dörnschlade bei Olpe widerspricht und sagt: Seelsorge gehört unbedingt dazu!

Momente des Gebetes und der Stille, aber auch das seelsorgliche Gespräch gehören für Eremit Cuypers dazu. / © PKStockphoto (shutterstock)
Momente des Gebetes und der Stille, aber auch das seelsorgliche Gespräch gehören für Eremit Cuypers dazu. / © PKStockphoto ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: An diesem Samstag ist der Tag der Einsiedler und es gibt über Sie eine lustige Anektdote: Eine Frau hat Sie vor der Wallfahrtskirche angesprochen und gesagt: "Hier soll ja so ein Eremit leben, aber den sieht man ja nie." Darauf haben Sie geantwortet. "Wieso? Sie sprechen doch gerade mit mir." Die Dame dann: "Ach, so hatte ich mir einen Eremiten jetzt nicht vorgestellt." Jetzt kommt meine Frage: Wie ist denn so ein Eremit?

Pater Norbert Cuypers SVD (Einsiedelei Dörnschlade, Olpe): Ja, wesentlich unaufgeregter, als man sich das denkt. Und sicher nicht mit langem grauem Bart und schmutziger, schwarzer Priester-Kutte.

P. Norbert Cuypers SVD

"Ich bin ein ganz normaler Mensch, schwebe nicht über die Erde, sondern suche einfach mir die Stille"

Ich laufe in Zivil rum, bin ein ganz normaler Mensch, schwebe nicht über die Erde, sondern suche einfach mir die Stille. Ich habe ansonsten einen ganz gewöhnlichen Tag, ich bin allein, aber nicht einsam.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich das ja ausdrücklich gewünscht, sich in die Stille zurückziehen zu dürfen. Haben die letzten Monate Ihnen das gebracht, was Sie sich erhofft haben, was Sie erwartet haben?

Cuypers: Wenn ich ehrlich bin, noch mehr als das! Meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Womit ich überhaupt nicht gerechnet habe, dass ich von den Menschen doch so wohlwollend aufgenommen worden bin, so unterstützend in jeglicher Hinsicht, durch Wort und Tat.

P. Norbert Cuypers SVD

"Das hätte ich nie erwartet, dass die Menschen so Anteil nehmen."

Menschen sagen mir nach zwei Jahren immer noch: "Es ist so ein Segen, dass Sie hier an diesem Ort leben. Und auch wenn wir Sie jetzt nicht immer direkt ansprechen: Wenn wir abends durch den Wald gehen und das Licht in Ihrer Klause sehen, wissen wir, dass Sie mit uns im Gebet verbunden sind." Das hätte ich nie erwartet, dass die Menschen so Anteil nehmen. Aber auch für mich ist es total in Erfüllung gegangen, der Stille, dem Gebet, der Meditation mehr Raum zu geben und das tut sehr, sehr gut.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja gerade schon so ein bisschen was von Ihrem Tagesablauf erzählt. Normalerweise verbringen Sie den Vormittag in der Stille. Wie sieht denn ein typischer Tag für Sie insgesamt aus?

P. Norbert Cuypers SVD / © Axel Vohn (privat)
P. Norbert Cuypers SVD / © Axel Vohn ( privat )

Cuypers: Ich schließe morgens die Kapelle auf, die nicht direkt an der Klause liegt, sondern so 200 Meter weit weg. Also, ich habe schon noch mal meinen eigenen Bereich. Ich frühstücke dann und beim Frühstück höre ich mir kein Domradio an, aber ich rufe Podcasts aus verschiedenen Sendern ab (lacht). Also, so etwa 25-minütige Sendungen.

Nach dem Frühstück gehe ich eine Stunde in die Schweige-Meditation. Ich habe in der Klause einen kleinen Gebetsraum eingerichtet, wo ich mich zurückziehen kann. Inzwischen wissen die Leute auch, vormittags sollen sie besser nicht klingeln und das Telefon, Internet lasse ich alles aus.

P. Norbert Cuypers SVD

"Ohne Internet geht es nicht mehr, Rauchzeichen kann ja keiner mehr lesen"

Und nach dieser Stunde des Schweigens schreibe ich Tagebuch, um da die Reflexionen aufzuschreiben, was in der Stille für Bewegungen passieren. Also, nicht nach dem Motto: Heute scheint die Sonne und ich weiß nicht, was ich kochen soll, sondern es geht beim Tagebuch um die inneren spirituellen Prozesse. Die reflektiere ich, indem ich aufschreibe genau. Und dann habe ich noch eine gute Stunde Zeit für Literatur, also zum Lesen. Etwas, das mir weiterhilft, auch auf meinem inneren Weg. Dann esse ich zu Mittag, anschließend habe ich eine Stunde Zeit, meine Emails zu checken...

DOMRADIO.DE: Ach, das machen Sie also doch! Also, Emails checken...

Cuypers: Das muss möglich sein, ohne Internet geht es nicht mehr, Rauchzeichen kann ja keiner mehr lesen (lacht).

DOMRADIO.DE: Sie sagen ja auch von sich: Ich suche die Leute nicht. Aber wenn die mich suchen, dann bin ich gerne für sie da. Das heißt ja doch: Sie sind auch ein bisschen Einsiedler-Seelsorger, oder?

Cuypers: Ja, unbedingt. Und das, wenn man in die Geschichte der Einsiedler schaut, war nie anders. Wenn Sie mal an den berühmtesten denken, Nikolaus von der Flüe in der Schweiz, da standen die Politiker Schlange, um von ihnen einen Rat zu bekommen oder ähnliches. Also, ich möchte mich nicht auf seine Ebene stellen, aber das ist auch so ein Klischee: Ein Einsiedler sitzt irgendwo tief im Wald, unerreichbar, und nagelt die Tür von innen zu, damit ja keiner ihn stört.

P. Norbert Cuypers SVD

"Das ist ja auch keine spirituelle Selbstbeschauung, sondern auch die Stille ist ein Dienst für die Menschen."

Also, das gehört zusammen. Das ist ja auch keine spirituelle Selbstbeschauung, sondern auch die Stille ist ein Dienst für die Menschen. Aber dann konkret auch da zu sein, wenn Menschen einen brauchen. Und der Bedarf ist sehr groß. Das hätte ich mir zum Beispiel auch nicht so vorgestellt, dass Menschen kommen und fragen, kann ich mal mit Ihnen sprechen?

Ich mache auch regelmäßig geistliche Begleitung. Ich habe sechs Leute, die Monat für Monat kommen, aber auch Leute, die ad hoc mal für ein Gespräch kommen mit Glaubensfragen oder mit Fragen, Problemen, die sie haben, etwa in der Beziehung, am Arbeitsplatz oder jetzt nach Corona. Das wirft ja Menschen immer mehr aus der Bahn. Und da ein offenes Ohr zu haben, ist wichtig. Dadurch, dass ich vormittags in der Stille bin, fühle ich mich dann viel mehr präpariert und sensibilisiert, um für diese Menschen da zu sein. 

Das Interview führte Oliver Kelch.

Das Stichwort: Eremit

Ein Eremit  oder auch "Einsiedler" ist ein Mensch, der mehr oder weniger abgeschieden von den Menschen lebt Ursprünglich wurde der Begriff nur auf Christen angewendet, die geistliche Motive für ihre Zuwendung zu dieser Lebensform hatten, nämlich die Wüstentheologie des Alten Testamentes, das heißt, die vierzigjährige Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten, die eine Herzenswandlung bewirken sollte. In der frühen Kirche unterschied man allein lebende (Anachoreten) und gemeinschaftlich lebende Eremiten.

Eremitinnen und Eremiten leben freiwillig in Einsamkeit / © getIT (shutterstock)
Eremitinnen und Eremiten leben freiwillig in Einsamkeit / © getIT ( shutterstock )

 

Quelle:
DR