Sensationsfund in Mainzer Johanniskirche

"Er ist es! Im Sarkophag liegt Erkanbald"

Ein 1.000 Jahre alter Sarkophag war im Juni in der Mainzer evangelischen Johanniskirche geöffnet worden. Jetzt steht fest: Darin wurde tatsächlich der 1021 verstorbene katholische Erzbischof Erkanbald bestattet. Mainz hat nun "zwei Dome".

Autor/in:
Norbert Demuth
Juni: Sarkophag in Mainzer Johanniskirche wird geöffnet / © Andreas Arnold (dpa)
Juni: Sarkophag in Mainzer Johanniskirche wird geöffnet / © Andreas Arnold ( dpa )

Es ist ein archäologischer Fund, der in die Kirchengeschichte eingehen wird: Fünf Monate nach der Öffnung eines rund 1.000 Jahre alten Sarkophags in der evangelischen Johanniskirche in Mainz ist das Rätsel um die bestattete Person gelöst. Die Vermutung, dass in dem Grab der 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald bestattet liegt, habe sich nun tatsächlich bestätigt, sagte Forschungsleiter Guido Faccani am Donnerstag in Mainz vor Journalisten.

"Im Sarkophag liegt Erkanbald"

"Er ist es! Im Sarkophag liegt Erkanbald", so Faccani. Die Resultate der Forschungen in den vergangenen Monaten seien faszinierend und in ihrer Tragweite beachtlich. Eine über 100-jährige Forschungsdebatte sei damit beendet. Für Faccani ein "sehr bewegender Moment".

Während einer Grabung in Sankt Johannis hatten die Archäologen 2017 den steinernen Sarg entdeckt. Am 4. Juni 2019 wurde der 700 Kilo schwere Deckel geöffnet. In dem Grab wurden menschliche Überreste und Stofffragmente gefunden. Anfang Juli wurde der Grabdeckel wieder geschlossen. Bisher war nur klar, dass der Tote ein Geistlicher war - aber nicht, wer.

Die Datierung von Kleidung und Schuhen zeigten nun deutlich, dass im Sarkophag nur ein Erzbischof liegen konnte, der um das Jahr 1000 in der Kirche bestattet wurde, hieß es am Donnerstag. Damit war laut den Forschern zugleich klar: Es muss der Nachfolger des Mainzer Erzbischofs Willigis (975-1011) sein. Und das war Erzbischof Erkanbald, der von 1011 bis 1021 im Amt war.

Textilien als Mosaikstein im Indizienprozess

Die Textil-Restauratorin Anja Bayer konnte verschiedene Textilien entdecken, darunter Beinlinge, ein Untergewand, eine Kasel aus Seide - also ein liturgisches Gewand -, und vielleicht das Wichtigste: ein Pallium - eine Art Stola als Insignum eines Bischofs.

Außerdem blieben Schuhe aus Ziegenleder erhalten. Erkennbar sei eine Sandalenform mit sternförmigen Ziernähten, die sich mit "Pontifikalschuhen" vergleichen ließen. Der Kernphysiker Alfred Dewald datierte mehrere Materialproben auf die "wahrscheinlichste" Zeit zwischen den Jahren 980 und 1020.

Die für die Kleidungsstücke verwendete Wolle, darauf entdeckte Seidenkreuze sowie Goldbortenfragmente und das "seit dem 9. Jahrhundert vom Papst an Erzbischöfe verliehene Pallium" ließen die Forscher auf das Bischofsamt des bestatteten Klerikers schließen.

Faccani sagte, das Pallium habe ihn als Forscher glücklich gemacht. Weitere bischöfliche Insignien, wie etwa Ring oder Hirtenstab, waren nämlich nicht ins Grab gelegt worden.

Die Konstanzer Anthropologin Carola Berszin konnte nun ein genaueres Bild des Verstorbenen zeichnen: Im Alter zwischen 40 und 60 Jahren sei er bestattet worden. Das Skelett war "sehr brüchig und durch das Bedecken mit Ätzkalk stark in Mitleidenschaft gezogen, mit Ausnahme der Füße", so die Wissenschaftlerin. Vom Kopf war mehr oder weniger nur noch Knochenmehl vorhanden. Zähne waren nicht erhalten oder dem Verstorbenen zu Lebzeiten ausgefallen. Der Tote war demnach etwa 1,82 Meter groß und wog um 70 Kilogramm.

Mainz hat nun "zwei Dome"

Die Johanniskirche gilt als eine der ältesten Kirchen Deutschlands. Die in direkter Nähe des Mainzer Doms Sankt Martin gelegene Kirche wurde bislang bereits im Volksmund "Alter Dom" genannt. Nun hat sich dieser Name wissenschaftlich bestätigt: Sankt Johannis war die Kathedrale der Mainzer Erzbischöfe bis 1036, als der Dom Sankt Martin geweiht wurde und die Nachfolge antrat. Seit 1828 ist die Johanniskirche ein evangelisches Gotteshaus.

Mit den Ergebnissen der Sarkophag-Öffnung müsse nun auch ein Teil der Mainzer Stadtgeschichte neu geschrieben werden, hieß es. Mainz habe nun "zwei Dome", sagte der evangelische Dekan Andreas Klodt. Es sei "etwas Besonderes", dass der "Alte Dom" nicht abgerissen und an gleicher Stelle ein Neubau errichtet wurde, sondern der Mainzer Dom Sankt Martin nur "einen Steinwurf entfernt" errichtet worden sei. In Sankt Johannis jedoch habe das "bischöflich verfasste Christentum in Mainz seinen Ausgang genommen".

"Archi" - wie Klodt Erkanbald nach seiner englischsprachigen Bezeichnung Archibald nannte - werde nun mindestens "1.000 Jahre hier ruhen", prophezeite der Mainzer Dekan. "Und wenn es nach mir geht, kommen noch mal 1.000 Jahre hinzu."


Kein Teil einer Mitra: Goldborte im Sarkophag in der Johanniskirche / © Andrea Enderlein (epd)
Kein Teil einer Mitra: Goldborte im Sarkophag in der Johanniskirche / © Andrea Enderlein ( epd )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema