Endzeit-Stimmung unter christlichen US-Fundamentalisten

"Rapture"-Index in der Höhe

Der Krieg in der Ukraine lässt bei christlichen Fundamentalisten in den USA die Erwartung an das Kommen der Endzeit wachsen. Manch einer glaubt, die letzten Tage seien angebrochen.

Autor/in:
Thomas Spang
Endzeit-Stimmung unter christlichen Fundamentalisten in den USA / © Julia Steinbrecht (KNA)
Endzeit-Stimmung unter christlichen Fundamentalisten in den USA / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Während die Aktienkurse nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine abstürzten, setzte der "Rapture"-Index zu einem Höhenflug an. Zwei Wochen nach dem russischen Angriff steht er bei einem Wert von 187. Demnach ist die Welt nur noch 13 Punkte von der zweiten Wiederkunft Jesu entfernt. Dann werden die Gerechten in den Himmel gerettet, die Zurückgelassenen erwartet die ewige Verdammnis. So sehen es zumindest christliche Fundamentalisten in den USA.

Bereits nach dem 11. September stand der Index schon einmal bei 182 Punkten. Zuletzt ließen dann die großen Flächenbrände, Stürme und Fluten, vor allem aber die Covid-19-Pandemie die Endzeit-Kurse steigen.

Putin "durch Gott berufen"

Der 91-jährige Gründer des "Christian Broadcasting Network" CBN, Pat Robertson, der die Terroranschläge auf New York und Washington seinerzeit als "Strafe Gottes" für die Lebensweise der Amerikaner interpretierte, sieht auch diesmal einen göttlichen Plan am Werk. Wladimir Putin fühle sich "durch Gott berufen", die Ukraine anzugreifen. Putin möge sich dessen nicht bewusst sein, aber sein Handeln werde zu der Endschlacht um Israel führen, prophezeite das Urgestein der US-Fundamentalisten. Wie andere Endzeit-Prediger bezieht sich Robertson auf die Prophezeiungen im Buch Ezechiel des Alten Testaments.

In gespannter Erwartung ist auch der Pastor Greg Laurie von der "Harvest Christian Fellowship", einer Megakirche in Riverside im Süden Kaliforniens. Nachdem er eine Covid-Infektion überstanden hat, glaubt er nun, "dass wir in den letzten Tagen leben". Er sei fest davon überzeugt, "dass Jesus Christus jeden Moment wiederkommen kann".

Der Pastor, der zum evangelikalen Beraterkreis Donald Trumps gehörte, meint, immer mehr Zeichen deuteten auf eine Erfüllung der Schriften hin. Dazu gehörten die Pandemie und jetzt auch der Krieg in der Ukraine. Die Ereignisse seien "prophetisch bedeutsam", predigte Laurie nach dem Überfall Putins. "Wir sollten in den Himmel schauen und uns daran erinnern, dass Gott unsere Geschicke kontrolliert."

Endzeit-Index auf dem Höchststand

Für den Moderator des christlichen Radioprogramms "The Line of Fire", Michael Brown, liegen die Gründe für den Anstieg des Endzeit-Index auf der Hand. "Wenn sie sowieso schon denken, dass wir am Ende der Zeit leben und sie den kontinuierlichen moralischen Niedergang Amerikas und die Marginalisierung der Kirche sehen, dann gehört nicht viel dazu, die Waage zu neigen", sagte Brown der "Washington Post".

Welche Rolle Putin genau spielt, ist unter Fundamentalisten allerdings umstritten. In evangelikalen Kreisen galten ehemalige Führer der Sowjetunion oft als Agenten des Bösen. Einige interpretierten das Geburtsmal Michail Gorbatschows auf der Stirn als Zeichen dafür, dass dieser der "Antichrist" sei. Putin spaltet die Gemüter. Wie Trump bewundern einige Evangelikale den ehemaligen KGB-Agenten, der selber nicht gläubig ist, aber weiß, was seine orthodoxen Kirchenführer in Moskau hören wollen.

Putin begründet "Volksrepublik"-Anerkennung religiös

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk per Dekret als unabhängige Staaten anerkannt. In einer langen TV-Ansprache führte er als Argument für den Schritt unter anderem eine angebliche Verfolgung von orthodoxen Christen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine an.

Beide Regionen gehören zur Ukraine, sind aber seit 2014 unter der Kontrolle prorussischer Separatisten. "In Kiew bereiten sie weiter Gewaltakte gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats vor", so Putin.

Drei Kuppeln einer russisch-orthodoxen Kirche mit Kreuzen  / © Galina Chet (shutterstock)
Drei Kuppeln einer russisch-orthodoxen Kirche mit Kreuzen / © Galina Chet ( shutterstock )

Laut Brown jedenfalls ist Putin nicht der "Antichrist", weil die Welt gegen ihn sei, während die Bibel davon spreche, dass der "Antichrist" überall bewundert werde. Jüngste Umfragen zeigen, dass etwa die Hälfte (47 Prozent) der weißen Evangelikalen Russland als feindliche Macht sieht. Mehr als zwei von drei (68 Prozent) unterstützen Sanktionen.

Erinnerungen an den Sechstagekrieg

Der ehemalige Ethik-Chef der Southern Baptists und Herausgeber des einflussreichen Evangelikalen-Magazins "Christianity Today", Russell Moore, fühlt sich durch diese Erhebungen bestätigt. Er sehe unter den Kirchgängern insgesamt nicht diese Endzeit-Erwartung. Theologisch seien solche Lehren "falsch und schädlich für das Zeugnis der Kirche".

Ein anderer Kenner der Evangelikalen-Welt, Randall Balmer vom Dartmouth College, meint, das Gerede Putins über seine Nuklearwaffen habe bei denen, die für solches Denken empfänglich seien, sicher Erwartungen beflügelt. Aber er erinnere sich an dasselbe Gefühl der unmittelbar bevorstehenden Endzeit während des Sechstage-Kriegs, den Golfkriegen und dem 11. September.

Trumps langjähriger Unterstützer und Vertrauter, Pastor Robert Jeffress von der "First Baptist Church" in Dallas, beantwortet die Frage nach der bevorstehenden Schlacht von Armageddon ganz im Stil des Ex-Präsidenten. "Wir leben in den letzten Tagen", so der Prediger. "Wir leben seit den vergangenen 2.000 Jahren in den letzten Tagen." Bisher habe noch niemand in seiner Gemeinde die Bunker bezogen.

Quelle:
DR