Emir und Erzbischof aus Nigeria werben gemeinsam für Versöhnung

"Religionskrieg? Dann wäre ich doch ein hoher General"

Für eine differenziertere Sicht auf das, was in ihrem komplizierten Land geschieht, wollen Ignatius Kaigama und Alhaji Haruna Abdullahi werben. Der Erzbischof und der Emir von Wase, traditioneller Führer aus der nigerianischen Krisenprovinz Jos, sind Ehrengäste des katholischen Hilfswerks missio bei der bundesweiten Eröffnung des Monats der Weltmission in Osnabrück.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Botschafter verrichten ihren Job diskret. Doch diese beiden fallen auf, wenn sie nach getaner Arbeit noch kurz beim Italiener an der Ecke einkehren: Der eine mit seinem schweren Goldkreuz auf der Brust, der andere im weiten, zartgrünen Gewand und Kopfschleier - zwei Botschafter des Friedens aus einem gespaltenen Land.

Nigeria? Das kennt man doch: Muslime, die überall die Scharia einführen; Tumulte und brennende Dörfer, weil ein Christ eine Muslima heiraten wollte. Und ja, das Öl - eine von den beiden Religionsgruppen hatte doch auch Öl und die andere nicht. Oder? - Erzbischof Kaigama kann einen Krieg der Religionen nicht erkennen: "Hören Sie: Wenn das ein Religionskrieg wäre, dann wäre ich doch ein hoher General. Ich sage: Nein, die Religion wird von verantwortungslosen Politikern für ihre Zwecke benutzt."

Sie besuchen einander, seit Jahren
Die Nigerianer, meinen Emir und Erzbischof unisono, seien sehr religiös. Religion spiele im öffentlichen Leben eine so große Rolle, dass Politiker letztlich alle Konflikte - politische, wirtschaftliche, ethnische und soziale - religiös erklären könnten - und genau das passiere dann über die Medien. Die beiden Glaubensmänner gehen einen anderen Weg: Sie besuchen einander, seit Jahren. Nein, an dem Tag habe er keine Zeit, sagt der Erzbischof von Jos dann zu seinen Katholiken, da sei er in Wase in der Moschee zu Gast. Kommt doch mit. "Nein, nein, ich gehe nicht zu Muslimen!", das hat er oft gehört. Und wer am Ende trotzdem mitgekommen sei, habe dort reizende Menschen getroffen.

Im Jahr 2004, als es mal wieder zu blutigen Unruhen und in der Stadt Yelwa zu vielen Todesopfern kam, telefonierten die beiden Religionsführer - und verabredeten sich in Yelwa, um dort gemeinsam vor Tausenden wütender Christen und Muslime gegen die Gewalt aufzutreten. Weder Islam noch Christentum erlaubten, im Namen Gottes zu töten, so predigten sie. Das war für sie beide gefährlich - aber erfolgreich, berichtet der Erzbischof: "Sie hörten uns zu - und sie glaubten uns."

Natürlich ernten sie dafür auch Widerspruch: Den Islam habe er verkauft und sein Gewissen, sagen manche Muslime über den Emir. Er verwässere die Frohe Botschaft, sagen manche Christen über den Erzbischof. Aber jeden Freitag erreicht der eine, jeden Sonntag der andere über seine Predigten eine große Menschenmenge. Verständigung lohnt sich, sagen sie. "Je weiter wir gehen", so der Emir, "desto mehr von unseren Leuten begreifen, dass der Weg gut ist." Tatsächlich: Die jüngste Welle der Gewalt um die Terrororganisation "Boko Haram" zog an Jos vorüber.

Und die Einkommensschere?
Arme Muslime im Norden und reiche Christen im Süden? "Natürlich ist im Süden das Öl, im Süden die Industrie, im Süden die Wirtschaftsmetropole Lagos", erläutert Kaigama, der selbst aus dem Norden stammt. Aber sehr reiche Muslime gebe es in Nigeria ebenso wie sehr reiche Christen; und bitterarme Christen ebenso wie bitterarme Muslime. Junge Menschen ohne Arbeit und Aussichten, die sich für eine Handvoll Dollars zu Gewalt und Mord hinreißen ließen.

"Die Lösung für unsere Probleme wäre jedenfalls nicht", sagt der Erzbischof, und der Emir nickt, "wenn das Land auseinanderbräche. Drei Nigerias, das bedeutet dreimal dieselben Probleme. Und zehn Nigerias, das wären zehnmal dieselben Probleme: Korruption, Missmanagement und Machtstreben. Was wir brauchen, ist Solidarität, national und international; und ein Land mit gemeinsamen Werten, mit Strom, Wasser und Bildung für alle, nicht nur für wenige." Zwei auffällige Botschafter aus Afrika, die sich über den ersten Herbstregen in Deutschland freuen.